Ambri-Präsident Filippo Lombardi weibelt für geschlossene NLA-Gesellschaft

Wie viel Mord für den Sport ist in der Politik?

Aufgeschreckt durch einen Artikel von Klaus Zaugg in «20 Minuten online» wollten wir es wissen. Wird der Sportlichkeit der Garaus gemacht? Denn Filippo Lombardi, Präsident des HC Ambri-Piotta, NLA-Letzter der beiden letzten Saisons, will nur dann Investoren für die Sanierung der Valascia oder für einen Eishallen-Neubau finden, wenn er eine Garantie für den Klassenerhalt hat.

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Gegen das Sanierungsprojekt der Ilfishalle gab es keine einzige Einsprache. 76 Prozent von Langnaus Bevölkerung sagten Ja zu einem 15 Millionen – Kredit für den Teil der Sanierungsarbeiten, für welche die Gemeinde aufkommen muss. Diese Fakten sagen alles darüber aus, was die SCL Tigers für die Befindlichkeit und die Ausstrahlung der Region bedeuten. Lediglich bei zwei der insgesamt 27 Heimspielen der mit dem Playoff-Final und der Ligaqualifikation gerade ablaufenden Saison spielten die SCL Tigers vor weniger als 5'000 Zuschauer. Bei den beiden «Ausreissern nach unten» handelte es sich um das bedeutungslose letzte Heimspiel gegen den abgeschlagenen Tabellenletzten Rapperswil und um das erste Playout-Halbfinalspiel gegen den HC Ambri-Piotta. Bei beiden Spielen fehlten weniger als 100 Zuschauer bis zur 5'000er Marke. Eine derartige Konstanz beim Zuschaueraufmarsch ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass die SCL Tigers lange Zeit überhaupt nicht den Erwartungen entsprechend abschnitten und unter anderem eine zehn Spiele andauernde Niederlagenserie zu überstehen hatten, welche beinahe mit dem Absturz auf den letzten Rang geendet hätte. Ruedi Zesiger sagt denn auch: «Als wir letzte Saison erstmals die Playoffs schafften, war unsere Freude riesig. Aber als wir zum Ende dieser Saison im vierten Spiel der Playout-Halbfinalserie gegen Ambri den Ligaerhalt schafften, war meine Erleichterung und Freude noch viel grösser. Mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen. Stellen Sie sich vor, wir wären ausgerechnet jetzt, unmittelbar bevor wir die Ilfishalle aufwändig renovieren, in die NLB abgestiegen. Wir wären in der Verantwortung gestanden. Der Druck auf unsern Schultern war riesig!» Unschwer, sich vorzustellen, unter welchem gewaltigem Druck die gesamte Führungscrew der Tiger gestanden haben muss, als das Team in derart beängstigendem Ausmass unten durch musste.

 

Ambri-Präsident Filippo Lombardi will sich und seine Investoren einem derartigen Druck nicht aussetzen. Aber Lombardi muss, um den Anforderungen der National-League und den ständig wachsenden Anforderungen bei der Beschaffung von finanziellen Mitteln gerecht zu werden, der altehrwürdigen Valascia entweder eine ähnlich geniale Sanierung verpassen wie Tiger-Präsident Peter Jakob der Ilfishalle, oder aber gleich eine neue Halle bauen. Beides will er nur können, wenn er den Investoren garantieren kann, dass Ambri in der NLA bleibt. Deshalb will Lombardi dem sportlichen Abstieg auf politischem Weg den Garaus machen, und weibelt innerhalb der National-League für sein Ansinnen. Er stösst dabei nicht nur auf Ablehnung. Patrick Reber von der National League bestätigt: «Im letzten Herbst kümmerte sich eine Arbeitsgruppe mehr oder weniger ergebnislos um das Für und das Wider einer geschlossenen Liga. Und wir wissen um die Bemühungen von Herrn Lombardi in der gleichen Angelegenheit. Ein konkreter Antrag ist bis heute jedoch noch nicht eingereicht.» Gemäss Artikel von Klaus Zaugg ist Lombardi mit seinem Ansinnen auch bei Ruedi Zesiger auf Interesse gestossen. FANTIGER wollte es genau wissen und hat nachgefragt.

 

«Wir sind mit der jetzigen Lösung ganz klar nicht zufrieden. Es kann nicht sein, dass eine Mannschaft, welche eine gute Saison spielte und lediglich ganz knapp die Playoffs verpasste, allenfalls deswegen in der entscheidenden Phase der Saison in ein Loch fällt und sogar in Abstiegsgefahr gerät.» Den sportlichen Abstieg ganz abschaffen will Zesiger aber nicht. «Wir sind für eine Lösung, welche im Kampf gegen den Abstieg die Leistungen aus der Qualifikation berücksichtigt.»

 

Zesiger wird mit seinem Vorschlag den risikoscheuen Ambri-Präsidenten kaum befriedigen können. Die Leventiner, zum Ende des letzten Jahrtausends noch stolze Playoff-Finalisten und danach Europacup-Sieger darbten in den letzten Jahren sowohl sportlich als auch finanziell vor sich hin. Immerhin konnte Lombardi mit seinen dramatischen Aufrufen zur letztlich erfolgreichen «Rettung» von Ambri im letzten Herbst seinen Wahlkampf befeuern. Den SCL Tigers verhalf im letzten Jahr die völlig überraschende erstmalige Qualifikation für die Playoffs zum überzeugenden Sieg bei der Abstimmung zugunsten der Ilfishallen-Sanierung. Davon ist Ambri derzeit weit entfernt. Helfen soll eine geschlossene Liga und damit die Garantie zum Verbleib in der NLA.

 

Es droht die sportliche Bedeutungslosigkeit für kleinere Klubs

Wenn der Tessiner CVP-Ständerat Filippo Lombardi mit seinem Ansinnen bei der National League durch kommt, droht Organisationen wie den SCL Tigers (in den letzten 13 Saison 12 mal in den Playouts), den Lakers wie auch dem HC Ambri-Piotta (beide in den letzten Jahren ebenfalls Playout-Stammgäste) die sportliche Bedeutungslosigkeit, sobald im Verlauf einer Saison die Qualifikation für die Playoffs etwas in die Ferne gerückt ist. Über die Teams am Tabellenende würde ab Mitte Saison nicht mehr gesprochen. Zu uninteressant wäre deren Situation. Ob dies im Interesse der Sponsoren und der Zuschauer wäre, ist fraglich. In der deutschen DEL führte die geschlossene Liga nicht zu mehr wirtschaftlicher Stabilität bei den Klubs. Im Gegenteil! Das deutsche Onlineportal «live-wintersport.com» ortete in einem Artikel von Christoph Walter vom März 2010 die geschlossene Liga als einen der Gründe für nur halbvolle Eishockeystadien und das schlechte Bild, welches das deutsche Eishockey in der Öffentlichkeit abgebe, und schrieb unter anderem: «Durch die Abschaffung des Abstiegs aus der ersten deutschen Eishockeyliga, wollten die DEL-Funktionäre den Vereinen wirtschaftliche Planungssicherheit gewähren, doch dieses Argument dürfte spätestens seit der letzten Saison mit dem Rückzug der Duisburger Füchse aus wirtschaftlichen Gründen in Regionalliga West, widerlegt sein. Auch widerspricht eine geschlossene Liga ohne Auf- und Abstieg dem eigentlichen Sportgedanken. Zudem hat die Abschaffung des Abstiegs dazu geführt, dass viele Hauptrunden-Spiele an Attraktivität verlieren, da es schon Wochen vor Ende der Hauptrunde für einige Teams am Ende der Tabelle nur noch um die goldene Ananas geht. Eine Wiedereinführung einer Abstiegsrunde bzw. Down-Playoffs würde den Reiz dieser Spiele erheblich erhöhen. Dauerkarten-Inhaber kommen sich mehr und mehr verarscht vor, da die Spiele zwischen den Teams am Tabellenende mehr und mehr Testspiel-Charakter haben, zudem bieten diese Partien kaum einen Reiz für die Laufkundschaft. Auch Partien der Vereine, die oben mitspielen, gegen die Teams am Tabellenende, wie heuer Hamburg, Straubing und Kassel, verlieren an Zuschauerresonanz, da von vornherein der Eindruck entsteht, dass die Partien kaum Bedeutung haben, da es für eine Seite sowieso nichts mehr zu gewinnen gibt, ausser ein wenig Prestige. Würde es aber für beispielsweise Kassel um den Klassenerhalt gehen, wäre ein ganz anderes Auftreten zu erwarten.»

 

Für eine Änderung des aktuellen Modus' ist eine Dreiviertels-Mehrheit an der Gesellschafterversammlung der National League erforderlich. Dabei haben die Vertreter der NLA je drei, die Vertreter der NLB je zwei Stimmen. Stellt Lombardi den entsprechenden Antrag, genügen bereits 15 Gegenstimmen, um sein Ansinnen zu Fall zu bringen.

 

FANTIGER meint: Der Mythos Ambri muss sich selbst retten, und darf keinesfalls durch einen politischen Entscheid beschädigt werden. Fraglich ist zudem, inwieweit ein Klub, welcher es nicht mehr fertig bringt, an jedem Kantonalderby, oder an entscheidenden Spielen auf eine anständige Zuschauerzahl zu kommen, noch ein Mythos sein kann. Filippo Lombardi wird herausfinden müssen, inwieweit für «sein» Ambri überhaupt noch ein Markt vorhanden ist. Falls nicht, wird der Klub aus der Leventina auch durch einen politischen Entscheid nicht langfristig zu retten sein. Die SCL Tigers konnten sich retten und kommen zu einer Hallensanierung, weil im Emmental ein Markt für Spitzeneishockey vorhanden ist. So einfach und doch so schwierig ist das! Die Abschaffung des Abstiegs könnte auch in der Schweiz den einen oder andern Klub die Existenz kosten. Insofern wäre ein politischer Entscheid in dieser Richtung zumindest in einigen Fällen Mord am Spitzensport!

 

Lesen Sie dazu morgen das ausführliche Interview mit SCL Tigers – Geschäftsführer Ruedi Zesiger zu dieser Angelegenheit.