Favorit im Playoff-Final – Ist gar der Aufstieg möglich?

Wie weit noch, Tiger?

Die SCL Tigers haben ein erstes Saisonziel erreicht. Mit ihrer Qualifikation für den Final der NLB-Playoffs sind die Langnauer bereits in der ersten NLB-Saison seit 15 Jahren ganz vorne positioniert. Klopfen sie bereits wieder an der Tür zur NLA?

Blog • • von Bruno Wüthrich

Kein Zweifel: La Chaux-de-Fonds war müde. Erst als die SCL Tigers im gestrigen Spiel nach der Vorentscheidung etwas das Tempo und die Intensität drosselten, kamen auch die Neuenburger besser ins Spiel. Drittel zwei und drei glichen – abgesehen vom Frustpegel beim HCC – eher einem Testspiel als einer Playoff-Schlacht. Die Neuenburger eliminierten im Viertelfinal Qualifikationssieger Olten in sechs Spielen. Ein Kraftakt sondergleichen, denn HCC-Coach Alex Reinhard forcierte für diesen Coup seine besten Kräfte. Dies tat er auch gegen die Langnauer. Ganz anders Tiger-Coach Bengt-Ake Gustafsson. Er wechselte seine vier Linien wenn immer möglich (und es war meistens möglich) durch. Er konnte dank dem Potential, das in seiner Mannschaft steckt, die Kräfte nicht nur seiner besten, sondern all seiner Spieler einteilen. Weil dem Gegner immer mehr die Energie ausging, sagt diese Partie nicht viel aus über den weiteren Verlauf der Saison. Oder doch?

 

Gerade deswegen dient das gestrige Spiel, wie auch die ganze Serie gegen den HC La Chaux-de-Fonds bestens zu einer Analyse. Betrachten wir die Skorer der ersten beiden Spiele (3:1 und 4:1 für die Langnauer), so scheint klar zu sein, dank wem diese gewonnen wurden. Für sechs der sieben Tore war die Linie mit Tobias Bucher, Chris DiDomenico und Raphael Kuonen zuständig. Doch auch in diesen Spielen wurde diese Linie nicht übermässig forciert. Der HCC hatte in diesen Partien schlicht keine Chance. Zu kompakt und konzentriert traten die Emmentaler auf. Sie liessen defensiv überhaupt nichts zu. Es waren deshalb Siege des ganzen Teams, und es waren zwei überzeugende Auftritte. So spielt eine Mannschaft, der es läuft. Dass Spiel 3 weg geschenkt wurde, war danach lediglich ein Schönheitsfehler.

 

In der vierten und fünften Partie bewiesen die Langnauer, dass sie auch bei der Torproduktion nicht nur aus der «Atom-Sturmlinie» bestehen. Der Zuzug von Chris Didomenico hat die Tiger zwar eindeutig stärker gemacht, und Bucher-DiDo-Kuonen sind eine echte Wunderwaffe. Aber besagte Spiele bewiesen, dass sich ein Gegner nicht nur auf diese Linie konzentrieren kann. Allein deswegen, weil es einem Gegner gelingt, die vermeintlich stärkste Waffe der Langnauer aus dem Spiel zu nehmen, hat dieser das Spiel noch längst nicht gewonnen. Sowohl in Spiel 4 wie auch in Spiel 5 liessen sich Spieler aus allen vier Langnauer Blocks in die Skorerliste eintragen. Auch die Verteidiger realisierten fleissig Punkte. In Spiel 4 erzielte der Franzose Kévin Hecquefeuille ein Tor und zwei Assists, gestern realisierten Kim Lee Lindemann, Hecquefeuille (je drei Assists), Philipp Rytz (2 Assists) und Nicolas Steiner (1 Assist) Skorerpunkte. Sämtliche neun Tore wurden aber von Stürmern erzielt, und nur Sandro Moggi war zweifacher Schütze. Nach einer kurzzeitigen Konzentration auf eine Linie ist die Torproduktion bei den Langnauern wieder auf alle Blöcke verteilt.

 

Durchwechseln der Linien als grosser Vorteil

Im Final werden den SCL Tigers entweder der SC Langenthal oder aber der EHC Visp gegenüber stehen. Die Vorteile in der zweiten Halbfinalserie liegen derzeit klar bei den Oberaargauern, die mit 3:1 Siegen führen. Doch sowohl Olivier Horak bei Langenthal wie Kim Collins bei Visp forcieren jeweils ihre besten Kräfte stark. Dass dies Gustafsson bei den SCL Tigers nicht tut, wird sich im Final mit zunehmender Dauer als gewaltiger Vorteil erweisen. Natürlich ist damit noch längst nicht gesagt, dass sich dies in den Resultaten auswirken wird. Playoffs haben ihre eigenen Gesetze, jede Serie ihren eigenen, kaum vorhersehbaren Verlauf. Ist eine Mannschaft erfolgreich, werden sofort zusätzliche Energien frei gesetzt. Dies hat der EHC Olten in seiner Viertelfinalserie gegen La Chaux-de-Fonds schmerzlich erfahren müssen. Aber: Vorteil bleibt Vorteil, und die Energie könnte eine entscheidende Rolle spielen.

 

Gustafsson wird auch im Final so weit wie möglich durchwechseln, egal ob es nun gegen Langenthal (vier Tigers-Siege in fünf Qualifikationsspielen), oder gegen den EHC Visp (zwei von fünf) geht. Die Gebrüder Moggi geben sich zurecht selbstbewusst. Sandro Moggi sagte gegenüber der Berner Zeitung: «Ich behaupte, dass wir die besten sind.» Und sein Bruder und Tigers Captain Claudio gab gegenüber der gleichen Zeitung zu Protokoll: «Bringen wir unsere Leistung, sind wir zu favorisieren.» Diese Sätze mögen zwar unemmentalisch unbescheiden klingen, aber dem Schreibenden gefällt diese Haltung. Denn gerade die beiden Brüder sind erfahren genug, um ihr Team a) einschätzen zu können, und b) zu wissen, dass es nur sehr wenig braucht, dass trotzdem der Gegner die Nase vorne hat. Wichtig ist, dass sich sämtliche Teamkollegen dieses Umstandes bewusst sind.

 

Ist gar der Aufstieg möglich?

Der NLB-Meister könnte in diesem Jahr gewaltig an die Tür zur NLA klopfen. Sollten es die SCL Tigers in die Ligaqualifikation schaffen, muss sich der NLA-Letzte warm anziehen. Lassen sich die Tiger durch eine allfällige Startniederlage gegen den Vertreter aus der obersten Spielklasse nicht aus dem Konzept bringen (Lausanne hat es im letzten Frühjahr vorgemacht), so stünden die Chancen 50:50. Aber auch hier: Jede Serie hat ihre eigenen Gesetze und ihren kaum vorhersehbaren Verlauf. Dies gilt sowohl für die Ligaqualifikation wie auch für den Playoff-Final. Die SCL Tigers sind noch längst nicht in der Ligaqualifikation. Und der NLA-Letzte ist noch längst nicht abgestiegen.

 

Trotzdem könnte es genau so kommen. Die SCL Tigers tun gut daran, alles dafür zu tun, eine allfällige Gunst der Stunde zu nutzen. Denn ein Aufstieg kommt nie zu früh.