Berner Zeitung, Tobias Habegger/mm

«Wünsche mir, dass ich Kombi-Ticket nicht einsetzen muss»

Das Hooligan-Konkordat wird verschärft. Worauf müssen sich die Zuschauer von YB- und SCB-Spielen gefasst machen? «Es hängt vom Verhalten der Fans ab», sagt Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP).

Presse •

Reto Nause, vor gut einer Woche hat das Stimmvolk das verschärfte Hooligan-Konkordat angenommen. Wann sind die neuen Regeln 
in Kraft?

 

Reto Nause: Das Ziel ist, dass es in der Stadt Bern in der neuen Fussballsaison im Sommer und in der Eishockeysaison im September los geht.

 

Die YB-Fanklubs sagen aber, es seien bereits erste Rayonverbote ausgesprochen worden. Darum protestierten die Fans beim Match vom Sonntag. Wurden wirklich bereits Rayonverbote verhängt?

 

Die ausgesprochenen Rayonverbote stehen nicht im Zusammenhang mit der Abstimmung zum Konkordat. Sie beziehen sich auf gewalttätige Auseinandersetzungen im Nachgang zum Cupspiel vom 9.November in der Innenstadt. Dass die Rayonverbote letzte Woche ausgesprochen wurden, hängt mit dem Stand der polizeilichen Ermittlungen zusammen.

 

Was sagen Sie zur Protestaktion der Fans?

 

Ich nehme sie zur Kenntnis. Den Fanklubs steht es frei, Protestaktionen durchzuführen.

 

Welche Schritte sind zur Umsetzung der neuen Regeln nötig?

 

Auf Kantonsebene braucht es eine Anpassung der Ausführungsverordnung zum Konkordat. Zudem muss die Stadt die Rahmenbewilligung für Fussball- und Eishockeyspiele ausformulieren.

 

Sie sagen Rahmenbewilligung – heisst das, die Klubs erhalten eine Bewilligung, die für die ganze Saison gilt?

 

Das ist so. Diese Rahmenbewilligung deckt sämtliche Ligaspiele ab. Es wird – je nach Gefahrenstufe – grüne, orange oder rote Spiele geben. Die Idee ist ein Baukastensystem mit grundsätzlichen Auflagen, die auch für die tiefste Gefahrenstufe, die grünen Spiele gelten.  Diese Auflagen bringen keine Überraschungen, weil sie grösstenteils heute schon gelten. Im Bereich der orangen und  roten Spiele wird es entsprechende Zusatzauflagen geben.

 

Was ändert sich für die Zuschauer bei roten Spielen?

 

In der Vorbereitung dieser Spiele bleibt alles beim Alten: Die Klubs, die Vereine, die Stadtbehörden und Fanvertreter setzen sich zusammen,  analysieren die Ausgangslage und handeln die Rahmenbedingungen aus. Wenn wir uns in diesen Gesprächen einigen, braucht es wahrscheinlich gar keine Zusatzauflagen. Falls es keine Einigung gibt, habe ich als Sicherheitsdirektor neuerdings die Möglichkeit, durch zusätzliche Auflagen Einfluss zu nehmen.

 

Welche der möglichen Auflagen sind für Sie am wichtigsten?

 

Die Auflagen, mit denen sich die An- und Abreise der Gästefans steuern lassen.

 

Sie sprechen vom Kombi-Ticket, wonach Gästefans nur noch dann in ihren Sektor gelassen werden, wenn sie mit dem offiziellen Extrazug anreisen?

 

Nein, ich wünsche mir, dass ich das Kombi-Ticket nicht einsetzen muss.  Mein Ziel ist, dass sich die Gästefans  von einer sinnvollen An- und Abreise überzeugen lassen. Sprich, dass sie mit Extrazügen  via S-Bahn-Station Wankdorf anreisen.

 

Nehmen wir als Beispiel einen FCB-Fan an einem roten Spiel. Darf dieser die Spiele im Stade de Suisse künftig noch im neutralen   Sektor oder sogar bei den YB-Fans verfolgen?

 

Wenn die offiziellen Fanklubs freiwillig via S-Bahn-Station Wankdorf anreisen, haben wir so oder so 95 Prozent der Gästefans im Gästesektor. Wenn dann jemand zum Beispiel einen Schwager in Bern hat und sich zu diesem in den Sektor setzen will, ist das selbstverständlich möglich.

 

Muss ein Basler, der in Bern wohnt, in Zukunft vor dem Spiel zuerst nach Basel reisen und dann via Fanextrazug zurück nach Bern ins Stade de Suisse?

 

Nein, das muss er nicht. Es sei denn, das Gros der Fans ignoriert unsere Wünsche und plant einen Fanmarsch durch die Innenstadt. Dann müsste ich mit Auflagen einschreiten, um die gewünschte An- und Abreise durchzusetzen. Doch selbst dann wäre das Kombi-Ticket, also der in der Frage geschilderte Fall, die Ultima Ratio. Bis es so weit kommt, gibts noch Zwischenschritte bei den Auflagen.

 

Wie sehen diese aus?

 

Einfach mal als Auflage in der Bewilligung  festschreiben,  dass die An- und Abreise mit dem Extrazug via S-Bahn-Station Wankdorf erfolgen muss.

 

Was passiert, wenn Gästefans die Auflagen ignorieren und einen Fanmarsch durch die Innenstadt organisieren - ist dann eine Spielabsage möglich?

 

Eine Spielabsage ist auch mit dem Konkordat nur als Ultima Ratio ins Auge zu fassen.

 

Reicht dazu ein Fanmarsch? Sie haben ja öffentlich die Absage des Meisterschaftsspiels YB - Basel gefordert, nachdem die FCB-Fans vor ein paar Jahren  den ersten Fanmarsch durch die Berner Innenstadt angekündigt hatten.

 

Ich möchte heute nicht darüber spekulieren, was passiert, wenn... Ich halte mich daran, dass wir das Konkordat mit Augenmass umsetzen werden.

 

Ist eine Spielabsage mit dem Konkordat nun einfacher möglich?

 

Es gibt jetzt zumindest eine klarere rechtliche Grundlage. Und mein Einfluss auf solche Entscheide ist gewachsen, da die Stadt Bern nun die Bewilligungsinstanz ist. Aber ich habe nicht vor, Spiele abzusagen. Nun können die Fans mit ihrem Verhalten unter Beweis stellen, dass es die scharfen Massnahmen, die das Konkordat bietet, nicht braucht. 

 

Sprechen wir über die Eingangskontrollen. Muss nun jeder Matchbesucher eine ID auf sich tragen und beim Eingang Intimkontrollen befürchten?

 

Das ist abhängig davon, wie die Gespräche und die Risikoanalyse im Vorfeld der Partie ablaufen. Ich hoffe, dass die Zuschauer im Regelfall ohne ID ins Stadion kommen.

 

Ist es auch abhängig davon, wie viele Pyrofackeln beim letzten Spiel gezündet wurden?

 

Solche Überlegungen haben wir uns im Zusammenhang mit dem Konkordat bisher nicht gemacht.

 

Wie sieht es mit dem Alkoholverbot aus?

 

Auch das ist abhängig von den Verhandlungen und der Risikoanalyse. Ich sag es gerne nochmal: Wenn die Fangruppierungen im Extrazug anreisen und es keine Anzeichen für Gewalt gibt, sehe ich keine Veranlassung für ein Alkoholverbot im Gästesektor.