Zuger Meisterträume am «Stephanstag»

Der EV Zug bietet auf und neben dem Eis maximalen Unterhaltungswert. Haben wir beim 7:4 in Langnau ein künftiges Meisterteam gesehen?

Presse • • von 20 Minuten online, Klaus Zaugg


Doug Shedden und Jakub Horak, die sich in Ausübung ihrer Arbeit in Langnau «an der Front» aufhalten mussten, mochten nicht einmal den ihnen wohlgesinnten Lokalradio-Chronisten Red und Antwort stehen. Und der Innerschweizer Radio-Unternehmer Alfons Spirig («Rigi-Schawinski») murrte, in Zug nehme erstmals seit Menschengedenken niemand mehr das Telefon ab.

 

Ja, Doug Shedden stapfte gar in den Katakomben des Hockeytempels an der Ilfis zornig davon, als er nach der siegreichen Partie (Zug gewann 7:4) um seine Meinung zum Stephan-Transfer gefragt wurde. Die Situation ist halt nach der vorzeitigen Aufdeckung des Transfers durch 20 Minuten Online delikat.

 

Als wäre Stephan schon im Kasten

Die Zuger hatten zuvor auf dem Eis bereits «Stephanstag» gefeiert. Eigentlich ist für diesen Feiertag ja der 26. Dezember reserviert. Doch in Langnau spielten die Innerschweizer so unbeschwert und mutig vorwärts (fünf Tore der Tanzmaus-Linie um Linus Omark), als wäre schon «Stephanstag». Nämlich so, als stünde bereits Tobias Stephan im Kasten.

 

Ein Goalie also, der kraft seiner Klasse alle defensiven Fehler auszubügeln vermag. Die vom EVZ-Cheftrainer so oft gerühmte «Triple-Tower-Defense» («Drei-Türme-Verteidigung») mit Timo Helbling (190 cm/100 kg), Alessandro Chiesa (192/99) und Andy Wozniewski (196/102) gemahnte wieder einmal an den schiefen Turm von Pisa.

 

Die Jungen mit der besseren Bilanz

Doug Shedden hatte die defensiven Schwächen wohl gesehen, wies aber vorwitzige Kritiker darauf hin, dass er mehrere junge Verteidiger - beispielsweise Patrick Zubler (21) und Yannick Blaser (23) – im Einsatz hatte. Der tapfere Haudegen Timo Helbling brachte es fertig, bei diesem 7:4-Triumph mit einer Minus-1-Bilanz vom Eis zu gehen, während sich Zubler und Blaser Plus-1 notieren liessen.

 

Und doch wird Helbling mit seiner Härte und seinem Mut nächste Saison den Zugern schon fehlen. Er hat bisher beim EVZ ziemlich exakt 280 000 Franken brutto verdient und wechselt für eine bäumige Lohnaufbesserung auf nächste Saison zu Gottéron: Er wird dort mit ordentlich mehr als 300 000 Franken brutto entlöhnt.

 

Fünfter Totüter zwischen den Pfosten

Aber wir sind vom Thema abgekommen: Die Folge der offensiven Zuger Herrlichkeit – es geht also auch ohne Henrik Zetterberg und Damien Brunner – waren offensive Festspiele mit heillos überforderten Goalies. Der tapfere Sandro Zurkirchen musste nach 40 Minuten, vier Gegentreffern und einer Abwehrquote von 80,95 Prozent seinen Platz räumen. Er zeigte Symptome einer Gehirnerschütterung. In der 27. Minute war er heftig mit Langnaus Simon Moser zusammengeprallt. Fürs Schlussdrittel kam Robin Kuonen.

 

Für den 18-Jährigen war es die NLA-Premiere und er ist nach Zurkirchen, Jussi Markkanen sowie den von Gottéron bzw. Lugano zugemieteten Simon Rytz und Michael Flückiger bereits der fünfte Goalie, der auf einem der zugigsten Posten der Liga ausharren musste. Er liess keinen Treffer zu, stoppte nach einem Fehlpass von Linus Omark im Powerplay sogar den alleine durchgebrochenen Pascal Pelletier und ist nun statistisch mit einer Abwehrquote von 100 Prozent der beste EVZ-Schlussmann dieser Saison.

 

Mannschaft mit Potenzial

Die offensive Feuerkraft sollte allerdings noch nicht überschätzt werden. Es war Zugs Glück, dass die Langnauer noch miserabler defensiv spielten und Torhüter Thomas Bäumle fünf haltbare Treffer zuliess (Fangquote 75 %). So schwach wie Bäumle war diese Saison nicht einmal einer der verschiedenen Zuger Lottergoalies. Bruno Wüthrich, der für seine Diplomatie legendäre Kultpräsident des Langnauer Fanclubs, mahnte jedoch auf der Medientribüne die spottlustigen Kritiker zur Mässigung: «Wir sollten Bäumle das Recht zugestehen, so schwach spielen zu dürfen wie seine Vorderleute...»

 

Und doch zeigte sich gerade bei diesen offensiven Festspielen, welches enorme Entwicklungs-Potenzial im Kader der Zuger steckt: Fast die Hälfte der in Langnau eingesetzten Spieler haben ihren Leistungszenit noch nicht erreicht. Da ist es durchaus erlaubt, zu träumen: Ganz weit vorne am Zeithorizont sehen wir so etwas wie einen meisterlichen Sonnenaufgang.

 

Mit Verstärkung wäre der Titel möglich

Der zweite Meistertitel nach 1998 ist möglich, wenn diese Mannschaft mit vier erstklassigen Ausländern und zwei oder drei Routiniers verstärkt und den richtigen Ergänzungsspielern ausbalanciert und ergänzt wird. Mit Tobias Stephan ist ja der Torhüter, der Meisterschaften gewinnen kann, bereits verpflichtet. Jakub Horak ist das Transfer-Meisterstück mit Stephan gelungen. Wird dürfen durchaus erwarten (oder die Konkurrenz muss es befürchten), dass Zugs tüchtiger Sportchef auf den Transferwühltischen auch noch die fehlenden Teile für ein Meister-Puzzle findet.