Wochen-Zeitung, Bruno Zürcher

Zwei junge Eishockeyspieler am Tisch von Gastmutter Renate Strahm

Bei den SCL Young Tigers spielen längst nicht nur Burschen aus der Region. Auswärtige Spieler leben jeweils in Gastfamilien; so auch Yannick Hänggi und Fabien Currit.

Presse •


An der Mooseggstrasse 8 in Langnau wohnt eine bunt gemischte Wohngemeinschaft. Oben lebt Renate Strahm. Auf diesem Stock befindet sich auch die einzige Küche der WG. Unten leben Lukas und Stefanie, zwei erwachsene Kinder von Renate Strahm. Ebenfalls ein Zimmer haben dort Jerôme, ein junger Mann, sowie die beiden Sportler, welche bei den SCL Young Tigers der Elite-Junioren-Mannschaft angehören.

 

Für Fabien Currit, er stammt aus dem Unterwallis, ist es bereits das dritte Jahr, das er hier verbringt. «Als er ankam, sprach er kaum ein Wort Deutsch, heute versteht und spricht er sogar Berndeutsch», berichtet Renate Strahm. «Das war lustig am Anfang», meint er und lacht. Als 16-Jähriger entschied er sich, zu den SCL Young Tigers und damit auch den Wohnort zu wechseln. Diesen Schritt machte vor einem Jahr auch Yannick Hänggi aus Obwalden. Als er bei Renate Strahm einzog, war er noch nicht einmal 16. Obwohl die WG bunt gemischt ist, sucht man am Eingang vergebens nach einer langen Liste mit Hausregeln. «Wir machen das mündlich», erklärt Renate Strahm und die beiden Burschen nicken. Wer nicht zum Abendessen kommt, muss sich bis 18 Uhr abmelden, lautet eine der Regeln. «Sonst koche ich für fünf und niemand kommt», sagt Strahm.


Happiges Programm
Die beiden jungen Sportler haben ein grosses Programm zu absolvieren. Täglich stehen ein bis zwei Trainings an, ausser sonntags. Dazu kommen während der Saison, die am 6. September beginnt, die Spiele. So ganz nebenbei absolviert Yannick Hänggi das Gymnasium-Plus in Schüpfheim. Das heisst, dass er sich fünf statt vier Jahre auf die Matur vorbereitet. «Zuvor habe ich in Langenthal gespielt, was täglich eine grosse Reiserei bedingte», sagt Yannick Hänggi. «Nun sind die Wege kürzer.»


Fabien Currit lässt sich bei der Frama AG in Lauperswil zum Polymechaniker ausbilden, wobei sein Arbeitspensum 85 Prozent beträgt. Von den jungen Männern wird viel Selbständigkeit verlangt. Zwar kocht Renate Strahm und auch bei der Wäsche packt sie an. «Ich habe extra einen Tumbler angeschafft. Ich hätte viel zu wenig Platz, um all die Wäsche an der Luft zu trocknen.» Die Sportkleider müssen die Jungs allerdings selber waschen. Auch stellt niemand am Morgen das Müesli auf den Tisch oder schaut, dass sie aus den Federn kommen. «Fabien und Yannick sehe ich meist beim Zvieri», erklärt Renate Strahm. Bevor die beiden abends ins Training gehen, essen sie noch etwas. «‹Etwas› ist eigentlich das falsche Wort. Die beiden essen sehr viel; müssen sehr viel essen.» Die 51-Jährige berichtet, dass sie extra Trockenfleisch eingekauft hat, weil der Ernährungsberater der Spieler dies empfohlen habe. Das Nachtessen nehmen die beiden dann erst so um 23 Uhr ein, wenn sie vom Training zurückgekehrt sind. Einziger Fixpunkt, bei dem sich meist alle Mitglieder der Wohngemeinschaft treffen, ist das Znacht am Sonntag. «Es besteht kein Zwang, aber eigentlich sind immer alle da», sagt Renate Strahm. Fabien Currit kennt den Grund: «Du kochst ganz einfach gut!»


Alle müssen Rücksicht nehmen
Das «offene Haus» ist auch eine Belastung. «Ich habe eigentlich nie frei und muss auch stets auf die anderen Bewohner Rücksicht nehmen», sagt Renate Strahm. «Ich würde beispielsweise nachts nie unbekleidet rasch auf die Toilette gehen. Es könnte ja sein, dass jemand noch in der Küche ist», meint sie und lacht. Das Vertrauen unter den einzelnen Bewohnern ist gross. Zimmer werden nicht abgeschlossen, das Portemonnaie kann in der Tasche liegen. «Sie können auch meinen Compi brauchen», erklärt die Gastmutter. Vieles beruht auf der Gefühlsebene. «Sie merken schon, wenn ich meine Ruhe brauche», sagt sie. «Im Gegenzug merke ich auch, wenn mit ihnen etwas nicht in Ordnung ist. Manchmal muss ich sie etwas bremsen, wenn sie sich zu viel zumuten», sagt die Gastmutter. Auch sei sie ständig in Kontakt mit den Eltern. Wie läufts in der Ausbildung? Ist es in Ordnung, wenn die Freundin hier übernachtet? «Ich bin näher an den Jungs dran als die Eltern», sagt sie. Bevor die beiden an der Moos­eggstrasse 8 eingezogen sind, haben die Spieler und ihre Eltern sich mit Renate Strahm getroffen. Man merke sehr schnell, ob es klappe oder nicht, sagt die Gastmutter. Es sei auch wichtig, die Eltern einzubeziehen und sich immer wieder auszutauschen.


Wenn der 15-Jährige auszieht
Yannicks Vater erklärt, dass er regelmässig mit seinem Sohn Kontakt habe, um zu erfahren, wies im Sport und in der Schule laufe. «Die Elternabende am Gymnasium besuchen natürlich wir», sagt er. Während der Saison, wenn ihr Sohn fast nie Zeit findet, um die Eltern in Alpnach zu besuchen, gehen diese oft nach Langnau, verfolgen das Spiel in der Eishalle und gehen danach noch gemeinsam mit ihrem Sohn essen. «Als Yannick mit nicht einmal 16 Jahren Zuhause auszog, war das schon ein komisches Gefühl», sagt sein Vater. Bald war aber klar, dass dies eine gute Lösung ist. «Meine Frau und ich mussten nicht täglich zig Kilometer fahren, um ihn vom Training abzuholen. Auch für Yannick ist das Leben in der Gastfamilie einfacher. Er hat viel kürzere Wege und kann sich besser erholen. was sich auch in seinen sportlichen Leistungen zeigt.»


Fabien Currits Eltern, welche in der Nähe von Sion leben, haben noch einen weiteren Weg um ihren Spross zu besuchen. «Seit nun auch mein kleiner Bruder, Arnaud, bei den SCL Young Tigers spielt und bei einer Gastfamilie wohnt, haben die Eltern hier eine Ferienwohnung gemietet und kommen uns oft besuchen.»


Zwar werden die Eltern der beiden Hockeytalente arbeitsmässig entlastet, finanziell hingegen müssen sie in die Tasche greifen. Für Kost und Logis ihrer Sprösslinge zahlen sind rund 700 Franken pro Monat. «Hinzu kommen der Mitgliederbeitrag, Geld für Ausrüstungsteile und auch beim Sponsorenlauf unterstützen wir unseren Sohn», sagt Yannicks Vater.


Angenehme und schwierige Jungs
Renate Strahm, welche bis vor fünf Jahren wenig bis gar keine Ahnung von Eishockey hatte, wird nicht bis in alle Ewigkeit junge Spieler beherbergen. «Solange meine Kinder noch nicht ausgeflogen sind, funktioniert das. Dann werde ich wohl aufhören.» Wenn sie über Yannick und Fabien spricht, ist sie des Lobes voll. «Sie sind sehr angenehm und haben in ihrer beruflichen Ausbildung sehr gute Noten, was mir wichtig ist», sagt die Mutter dreier erwachsener Kinder.

 
Bei einem früheren Spieler der SCL Young Tigers lief nicht alles reibungslos ab, so dass Renate Strahm nach einem Jahr genug hatte. «In solchen Fällen geben auch die SCL Young Tigers Unterstützung. Ich hatte mehrmals mit Geschäftsführer Ivan Brägger Kontakt gehabt und Ausbildungschef Konstantin Kurashev hat sich engagiert.» Ivan Brägger erklärt, dass jeweils gegen zehn junge Spieler bei Gastfamilien leben würden. Meist gebe es keinerlei Probleme. Schwierig sei hingegen, genügend Gastfamilien in und um Langnau zu finden. «Wir haben zwar immer wieder Angebote von weiter weg», erklärt der Geschäftsführer der SCL Young Tigers, «in Langnau selber haben wir leider nur wenige.» Yannick Hänggi und Fabien Currit sind in wenigen Minuten am Bahnhof oder in der Eishalle.


Das Training in der Ilfishalle ist der nächste Programmpunkt der beiden. Aber erst gibts das Zvieri.