Innerhalb von nur 35 Kilometern

Zwei völlig unterschiedliche Eishockey-Welten

Die Schweiz ist voller Gegensätze. Dieser Umstand macht vor dem Kanton Bern nicht halt. Und auch nicht vor dem Eishockey. Ein paar Kilometer westlich, und wir befinden uns in einer völlig anderen Eishockey-Welt.

Blog • • von Bruno Wüthrich

Man kann so etwas nicht planen. Das geht einfach nicht. Es ist unmöglich. Doch wenn man es planen könnte, - es wäre genial.

Wie stellt man ein Publikum wie dasjenige in Langnau zufrieden? Ganz einfach. Man lässt es zuerst etwas leiden. Dann liefert man eine leidlich gute Saison ab, um dann schlussendlich den Ligaerhalt zu schaffen. Wenn es hoch kommt, spielt die Mannschaft recht lange um die Playoffs mit. Letztendlich hat das Publikum zwar mehr Niederlagen gesehen als Siege, aber immerhin mehr spannende oder gar gute Spiele als schlechte und einseitige. Und schon freut man sich beim Saisonende auf die nächste Spielzeit, wo sie dann kommen sollen, die Playoffs. Aber wie gesagt: planen kann man das nicht!

Ungefähr 35 Kilometer westlich von Langnau spielt der SC Bern. Normalerweise sind die Playoffs für den SC Bern kein Thema. Präziser gesagt: die Playoffs sind Pflicht, und sie werden in der Regel erreicht. In Bern sagen viele, dass die Saison erst mit den Playoffs beginnt. Auch die Berner haben die Playoffs bereits verpasst. Doch dies ist wirklich höchst selten. Die beiden letzten Saisons wurden die Mutzen Meister. Und in den letzten acht Jahren reichte es vier Mal zum Titel.

Kürzlich sagte SCB-CEO Mark Lüthi in einem Interview mit s'Positive, das wir auch auf fantiger.ch veröffentlichten, dass seinerzeit Larry Hurras in Bern gehen musste, obwohl er mit seiner Mannschaft in der Spitzengruppe unterwegs war. «Die Mannschaft spielte zu unattraktiv, es kamen ca. 5'000 Zuschauer weniger an die Spiele. Unser Publikum war nicht mehr zufrieden. Wir mussten handeln», erklärt Lüthi damals wie heute. Tatsächlich wurde Hurras im Oktober 2011 nach einer 1:2 Heimniederlage gegen die ZSC Lions entlassen. Er wurde zuvor nicht einmal gewarnt. Die Entlassung hätte er aber nur bei einem deutlichen Sieg umgehen können. Ein knapper Erfolg hätte nicht gereicht.

35 Kilometer Entfernung, zwei völlig unterschiedliche Eishockeywelten. Doch ich frage mich, wie manchen Meistertitel es in Langnau brauchen würde, bis auch bei uns der erste Trainer wegen unattraktiver, allein auf Erfolg ausgerichteter Spielweise gehen müsste. Einige mögen sich erinnern: Nach dem gewonnenen Meistertitel 1976 unter Spielertrainer Jean Cusson, der danach seinen Vertrag nicht verlängern wollte, übernahm der Kanadier Normand Beaudin das Zepter in Langnau. Auch er Spielertrainer. Nach zwei knapp verpassten Meisterschaften 1977 und 1978 (jeweils Vizemeister) wurde Beaudin wegen Erfolglosigkeit entlassen. Dies wurde jedoch damals von den Fans nicht verstanden. Aber im Vorstand des SC Langnau schien der Meistertitel dem einen oder anderen in den Kopf gestiegen zu sein.

Das bringt mich zu der Frage, was denn Erfolg im Kopf der Menschen anstellt, wenn sich dieser (zu) oft einstellt. Verliert man die Bescheidenheit? Neigt man zur Arroganz? Was ist es, dass in Bern 5'000 Zuschauer weniger kommen, obwohl mehrheitlich gewonnen wird? In der Tat ist ein Einbruch von 5'000 Personen pro Spiel auch für einen Klub wie den SCB dramatisch. Da muss sich natürlich der Geschäftsführer etwas einfallen lassen, denn sonst kommt das nicht gut. Aber es ist doch erstaunlich, dass in Bern selbst Siege und eine Rangierung in der Spitzengruppe nicht reichen, und 35 Kilometer östlich kommt das Publikum auch nach Niederlagenserien.

Erstaunlich dabei ist zudem, dass es sich beim SCB nicht ausschliesslich um städtisches Publikum handelt. Das SCB-Land erstrecke sich vom Oberland, am Emmental und am Seeland vorbei bis an den Baregg, wollen Lüthis Leute heraus gefunden haben. Aus der Stadt Bern und ausserhalb dieses Gebiets würden nur etwa 15. Prozent der Zuschauer stammen. Das heisst: Der SCB hat wie die SCL Tigers ein vorwiegend ländliches Publikum. Und trotzdem ist da ein derart grosser Unterschied bei der Erwartungshaltung. An der Mentalität kann es nicht liegen. Im Oberland und im Oberaargau sind die Menschen ähnlich gepolt wie die Emmentaler, wenn es nicht gerade um Eishockey geht.

Haben etwa die jeweiligen Führungen der SCL Tigers in den letzten Jahrzehnten das Publikum zur Anspruchslosigkeit «erzogen»? Hat man uns die Bescheidenheit eingetrichtert? Oder liegt es an den Genen? Ist es ein Virus, der in den Hügeln des Emmentals stecken geblieben ist und sich nicht weiter verbreitet?

Das mit der anerzogenen Anspruchslosigkeit und der eingetrichterten Bescheidenheit kann tatsächlich etwas für sich haben. An den Genen oder an einem Virus liegt es selbstverständlich nicht. Doch das Gute daran ist, dass die Tiger-Fans wissen, was sie an diesem Klub haben. Dass es nicht selbstverständlich ist, dass ein Ort wie Langnau in einer Gegend wie dem Emmental einen Klub wie die SCL Tigers hat. Doch irgendwie wäre ich halt schon gespannt zu sehen, was heraus kommen würde, wenn wir unsere Ansprüche ein wenig höher schrauben würden. Nicht zu viel auf einmal. Aber doch immer «es Birebitzeli». Das würde auch die Sponsoren freuen. Und die, die es werden könnten, würden eine grössere Anziehungskraft verspüren.

Am kommenden Samstag gastiert der SCB in der Ilfishalle. Es ist davon auszugehen, dass SCB-Coach Kari Jalonen dieses Spiel überstehen wird. Er wird wohl sogar nach einer hohen Niederlage in Langnau weiterhin Trainer des SCB bleiben. Und in Langnau? Hier ist es nach drei Siegen in den letzten vier Spielen zum Glück ruhig geworden. Wobei: So richtig laut wurde es noch nicht. Das Volk begann noch nicht zu murren. Das Vertrauen in Heinz Ehlers ist nicht nur in der Klubführung gross. Dem Dänen wird viel zugetraut. Ehlers gelang es, die Mannschaft nach dem schlechten Start aufzufangen, zu stabilisieren und zum Siegen zurück zu führen. Für mich keine Überraschung. Denn erstens ist Heinz Ehlers einer, der das kann, und zweitens darf er in Langnau erfolgsorientiert coachen. Er darf defensiv spielen lassen, wenn dies den Sieg bringt. Und wenn es ihn einmal nicht bringt, warten wir auf das nächste Spiel. Ehlers wird übrigens Larry Hurras Gefühle recht gut kennen. Denn im Sommer 2016 wurde er in Lausanne entlassen. Der LHC wollte einen Trainer, der attraktiver spielen lässt...