Sieg gegen Lugano:
Aber was war im Spiel zuvor in Bern?
Haben die SCL Tigers im Derby gegen Bern tatsächlich fahrlässig drei Punkte hergeschenkt? Die Statistik und die tatsächlichen Geschehnisse legen dies nahe. Aber so ganz eindeutig ist die Sache nicht.
Ein Torhüter kann aus einem Schwanzteam ein Spitzenteam machen. Der Noch-Langnauer Stéphane Charlin ist so ein Torhüter. Bild: Susanne Bärtschi
Was wäre wenn? Das ist immer eine Frage, die selten eindeutig beantwortet werden kann. Schon gar nicht im Mannschaftsport und erst recht nicht im Eishockey. Aber zuerst zu den Statistiken und zu den tatsächlichen Geschehnissen. Mit Stéphane Charlin im Tor haben die SCL Tigers inzwischen 14 von 20 Spielen gewonnen und dabei 40 Punkte geholt. Oder anders ausgedrückt: Die Tiger gewinnen bisher 70 Prozent der Spiele, in denen Charlin das Tor hütet und gewinnen mit ihm durchschnittlich 2,0 Punkte pro Partie. Soeben haben die Langnauer auch im Heimspiel gegen Lugano die drei Punkte geholt, obwohl sie dabei alles andere als gut gespielt haben. Ganz anders sieht es aus, wenn Luca Boltshauser im Tor steht. Da gewannen die Tiger von 10 Partien gerade mal eine. Will heissen, mit Boltshauser im Tor liegt die Sieg-Ausbeute bei mageren 10 Prozent, was gleichbedeutend ist mit einem Punkteschnitt von 0,4! Hochgerechnet auf die ganze Saison würde dies bedeuten, dass die Emmentaler nach 30 ausgetragenen Partien mit 12 Punkten dastehen würden. Das abgeschlagene Schlusslicht Ajoie kommt derzeit auf 26 Punkte bei ebenfalls 30 Partien.
Noch eine Gegenrechnung. Die durchschnittlich 2,0 Punkte, die mit Stéphane Charlin im Tor herausgespielt wurden, ergäben hochgerechnet 60 Punkte. Der neue Leader HC Lausanne kommt bei 31 gespielten Partien auf 59 Punkte, und lediglich die ZSC Lions, die erst 28 Partien ausgetragen haben und dabei 58 Punkte erspielten, kommen mit 2,07 auf einen noch besseren Punkteschnitt pro Partie. Diese Statistiken kann man nicht einfach ignorieren. Sie sind zu eindeutig. Am Freitag in Bern verloren die Langnauer ihr Spiel nach einem Gegentreffer vier Sekunden vor Schluss mit 4:5, nachdem sie zuvor ein 2:4 noch aufgeholt hatten. Die Gegentreffer zum 1:1 – Ausgleich der Berner und zum Ausbau der Führung zum 1:3 schienen haltbar zu sein. Auf den ersten Blich scheint also klar zu sein: mit Stéphane Charlin im Tor hätten die Tiger das Derby gewonnen. Doch so klar ist die Sache eben nicht.
Die Sache mit dem Mitteldrittel
Wir erinnern uns zurück. Die SCL Tigers hatten im ersten Drittel in Bern ihren Gegner gut im Griff. Mit dem Selbstvertrauen aus zwei „zu Null“ – Auswärtssiegen in Folge waren sie auch in Bern der Favorit. Aber im Mitteldrittel agierten sie dann viel zu passiv und mussten drei Gegentreffer zulassen. Obwohl zwei davon haltbar schienen, war die 3:1 – Führung der Berner nach 40 Minuten ok, oder wie viele sagen würden, sie war verdient. Mit Stéphane Charlin in Hochform im Kasten wäre es aber möglicherweise noch 1:1 gestanden. Mit diesem Resultat wären die beiden Mannschaften ins letzte Drittel gestartet.
Niemand kann sagen…
…was dann gewesen wäre. Hätten die SCL Tigers derart vehement den Sieg gesucht wie sie den Rückstand wettzumachen versuchten, was ja dann auch gelungen ist? Oder hätten die Berner etwas weniger im Verwaltungsmodus gespielt, weil es ja dann keine Führung zu verteidigen gegeben hätte, und man dem Heimpublikum unbedingt den Sieg hätte schenken wollen? Und hätte es, falls es da noch unentschieden gestanden hätte, den Siegtreffer fünf Sekunden vor Ende der Partie für die Berner nicht gegeben? Dies alles wissen wir nicht. Es hätte so oder so kommen können. Es wäre eine andere Partie geworden. Zumindest im Schlussdrittel.
Die Aussagekraft von Statistiken
Die Statistik über Sieg und Niederlagen bei Einsatz der beiden Torhüter sagt uns nichts darüber aus, wie denn einzelne Partien ausgegangen wären, wenn der jeweils andere gespielt hätte. Nicht der Einzelfall ist hier entscheidend, sondern die Betrachtung des Ganzen. 1:9 ist etwas ganz anderes als 20:14. Würden wir jede einzelne Partie separat betrachten, ergeben sich unterschiedliche Möglichkeiten, wie wir am Beispiel des Derbys vom Freitag gesehen haben. Aber helfen uns die Schussstatistiken oder die sogenannten „expectet Goals“ bei dieser Betrachtung weiter? Wir orientieren uns weiter am Beispiel des Derbys. Dessen Statistiken sind eindeutig. Wir können betrachten, was wir wollen, fast alles spricht für die Berner. Zum Beispiel die Schussstatistik (36:24). Einzige Ausnahme: Trotz der zwei haltbaren Gegentreffer war Boltshauser in diesem Derby statistisch betrachtet der bessere Torhüter (86,11 % Savequote gegenüber von 83,33 von Reideborn). Aber eben: da sind die beiden „Haltbaren“. Die Qualität der Abschlüsse der Berner waren nicht in jedem Fall so gut, dass dies zwingend für fünf Tore hätte reichen müssen. Da war eben etwas Hilfe des Torhüters dabei.
Die Torhüter
Gehören eigentlich die Torhüter zur Mannschaft? Was für eine blöde Frage, werden sich jetzt viele denken. Natürlich gehören die Torhüter zu ihren Teams. Aber wenn dies so ist (und es ist so!), dann frage ich mich, weshalb denn für die Beantwortung der Frage, ob ein Sieg oder eine Niederlage verdient ist, nur die Performance der Spieler zählt und die der Torhüter nicht eingerechnet wird? Am Ende steht doch die Wahrheit immer auf der Resultattafel, und wenn eine Mannschaft gewonnen hat, dann hat sie zusammen mit ihrem Torhüter ein Tor mehr erzielt als der Gegner. Und dann hat man verdient gewonnen. Vielleicht halt nicht deswegen, weil ein Topscorer drei Treffer erzielt hat, sondern weil der Torhüter eine überragende Leistung zeigen konnte. Mit anderen Worten: Zählt man den Torhüter zur Mannschaft, gibt es nur verdiente Sieger. Dann stellt sich gar nie die Frage nach Anzahl Schüssen, Spielanteilen, expectet Goals und dergleichen. Entscheiden sind nur die tatsächlich erzielten Tore. Die Statistiken können jedoch den Trainerstaffs helfen, Schwachstellen zu erkennen und zu korrigieren. Sie sind also durchaus hilfreich. Aber nicht bei der Beurteilung, ob ein Sieg nun verdient sein soll oder nicht.
Aber die Besetzung der Torhüterposition ist unglaublich wichtig. Was mit einem überragenden Torhüter möglich ist, sehen wir aktuell am Beispiel der SCL Tigers. Mit ihm im Tor sind die Langnauer ein Spitzenteam. Ohne ihn Tabellenletzter. Stéphane Charlin wechselt auf die nächste Saison hin zurück in seine Heimat. Für Sportchef Pascal Müller wird die Neubesetzung seiner Position zu einer riesigen Herausforderung. Den ob Luca Boltshauser, der zuvor schon mehrfach gute Saisons – auch in Langnau !!! – gezeigt hat, nach dieser Seuchensaison künftig mental wieder der Rückhalt sein kann, den die SCL Tigers brauchen, muss bezweifelt werden. Diese äussrst heikle Situation dürfen sie in Langnau keinesfalls unterschätzen.
Die Frage nach „fahrlässig weggeschenkt“
Der Vorwurf ist aufgetaucht. Der Sieg in Bern sei fahrlässig weggeschenkt worden. Wir haben nun gesehen, dass auch bei einem Einsatz von Stéphane Charlin alles andere als sicher gewesen wäre, dass die SCL Tigers diesen Sieg eingefahren hätten. Trotzdem ist die Frage einfach zu beantworten: Wer in dieser Situation Luca Boltshauser statt Stéphane Charlin das Tor hüten lässt, kann nicht behaupten, alles für den Sieg getan zu haben. So gesehen wurde der Sieg tatsächlich fahrlässig weggeschenkt.
Saku Mäenalanen gelingt bei seiner Rückkehr nach langer Vrletzungspause gleich ein Treffer (hier sein Shorthander zum 2:1 gegen Lugano). Bild: Susanne Bärtschi
Aufgefallen im Spiel gegen Lugano
Saku Mäenalanen ist zurück. Im vierten Spiel der Saison ausgefallen, kehrt er im Spiel 30 zurück und bucht gleich ein Tor (Shorthander zum zwischenzeitlichen 2:1) sowie einen Assist zum 1:1 - Augleich. Eine eindrückliche Rückkehr.
Auch Stéphane Charlin kann haltbare Treffer einfangen. So der Führungstreffer der Luganesi zum 0:1, wo er sich mit einem Buebetrickli erwischen liess. Aber wie alle grossen Torhüter steckt er solche "Malheurs" einfach weg und hext seine Mannschaft anshliessend trotzdem zum Sieg.
Das Selbstvertrauen der SCL Tigers ist inzwischen derart gewachsen, dass sie mit dem richtigen Rückhalt auch Spiele gewinnen, ohne dass sie dabei gut spielen. Sie sind auch in der Lage, Rückstände aufzuholen und Spiele zu drehen. Und sie kommen mit der Favoritenrolle zurecht.
Phil Baltisberger mutiert im Emmental immer mehr zum Skorer. Ihm, der zuvor in neun Saisons für die ZSC Lions total 10 Tore erzielt hat, gelangen im Tiger-Dress bereits 6 Treffer. Hinzu kommen 4 Assists. Phil ist gut im Emmental angekommen. Folgt ihm sein Bruder Chris?
Dario Rohrbach ist der Topscorer der SCL Tigers und er trägt das Flammentrikot nicht zufällig. Auch an diesem Wochenende buchte er wieder drei Punkte (1 Tor und 2 Assists gegen den SCB) und seine Auftritte sind denen eines Topscorers würdig. Ganz stark!