Lieber Peter Jakob

Bitte keine übertriebene Solidarität mit den arroganten Ligaveränderern

Es geht das Gerücht, die SCL Tigers würden aus Solidarität zu den anderen Klubs deren angestrebte Ligareform unterstützen. Dabei schaufeln sie sich möglicherweise das eigene Grab. Ein offener Brief.

Blog • • von Bruno Wüthrich

Lieber Peter Jakob

Sie verkaufen weltweit erfolgreich Ihre «Rope-Systems», oder um es in deutscher Sprache auszudrücken, Ihre Seilsysteme. Ihre Seile, Netze und Systeme genügen höchsten Anforderungen. Sie gehören zu den besten der Welt, bzw. sind die besten der Welt. Aber was denken Sie, was geschehen wird, wenn Sie die «Rezeptur» Ihrer Seile aus Spargründen verändern? Wenn Sie zum Beispiel auf Materialien wechseln, die zwar billiger sind, aber die Sicherheit nicht mehr in gleichem Masse gewährleisten können. Denken Sie, Ihre Kunden würden dies akzeptieren? Oder anders gefragt: Wie lange würde es dauern, bis die Firma «Jakob Rope Systems» ihren weltweit ausgezeichneten Ruf verloren hätte?

Ich weiss, bzw. ich bin mir sicher, dass Sie nie, unter gar keinen Umständen zu einer Veränderung Ihrer Seilsysteme Hand bieten würden, welche zu Lasten der Interessen Ihrer Kundschaft gehen würde. Sie sind bereit und stets interessiert daran, Ihre Ware zu verbessern, sie weiter zu entwickeln, vorwärts zu gehen. Aber Sie gehen sicher keine fragwürdigen Experimente ein, die, wenn sie schief gehen, ins Debakel, und zwar in Ihr eigenes, aber auch in das Ihrer Kunden führen würden. Sie sind unter anderem auch deswegen erfolgreich, weil Sie eben zum Nutzen und im Interesse Ihrer Kundschaft entwickeln und produzieren. Nur so kann ein Unternehmen aus dem beschaulichen Trubschachen weltweit erfolgreich sein.

Sie sind nicht nur ein Wirtschaftsführer. Sie führen auch das Eishockey-Unternehmen SCL Tigers. Damit sind Sie einer von zwölf Präsidenten eines Klubs aus der höchsten Schweizerischen Eishockey-Liga. Entsprechend viel oder wenig Einfluss (je nachdem, wie man dies sehen will) haben Sie auf die Beschlüsse, welche diese Liga fällt, fällen will oder fällen wird. Fatal ist nun, dass Sie – gemunkelt wird aus Solidarität zu den übrigen Klub-Bossen und zur National League insgesamt – Ihre Grundsätze, die Sie in Ihrer Firma hochhalten, einfach so über Bord werfen. Sie sind bereit, gegen die Interessen der Kunden zu stimmen. Ich verstehe das nicht. Wir, die Kunden, verstehen das nicht. Oder um es klar auszudrücken: wir finden, dass ein derartiges Verhalten einer Firma – und die National League AG ist eine Firma (!!!) – in höchstem Masse arrogant ist. Dieses Verhalten der National League AG ist an Arroganz nicht zu überbieten.

Mir Verlaub, lieber Peter Jakob, das sind doch nicht Sie! Es kann doch nicht sein, dass ausgerechnet Sie zu einem solchen Verhalten Ja sagen! Und dann noch aus Solidarität zu den andern Klubbossen oder der Liga-Generäle, die sich offenbar um die Bedürfnisse Ihrer Kunden einen Scheiss kümmern. Für welche die Fans, ob nun Sitzplatz oder Stehplatz, lediglich Manipuliermasse darstellen. Denn anders kann es nicht sein. Ein Ligageneral, ein Klub-Boss, der für diese Ligareform stimmt, kann in seinem Leben niemals mehr – ich betone, niemals mehr (!!!) etwas anderes sagen können, als dass er uns alle, die Geld in die Stadien bringen, als etwas anderes sieht, denn als Manipuliermasse.

Man geht offenbar bei der National League AG davon aus, dass sich die Lage bei den Zuschauern und Fans dann schon beruhigen werde. Das Publikum will ja schliesslich unterhalten werden. Gerade in Langnau ist ja sonst nicht viel los. Also werden die Menschen weiterhin in die Ilfishalle pilgern.

Mit Verlaub, lieber Peter Jakob, das kann weitgehend schon stimmen. Aber es muss nicht. Und bereits ein Einbruch um zehn bis zwanzig Prozent würde sich in Langnau fatal auswirken. Denn dieser Rückgang müsste ja dann jemand finanzieren. Mehr noch: man müsste nicht nur das Defizit decken. Es wären dann auch zusätzliche Investitionen und Massnahmen notwendig, um wieder auf das ursprüngliche Level zurückzufinden. Denken Sie wirklich, dass Sie da unter dem Strich Geld sparen? Mit Verlaub – aber das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

Denn Sie werden nie wieder behaupten können, die SCL Tigers würden die Ausbildung junger, einheimischer Talente im Auge haben. Ihr Hinweis, die SCL Tigers seien ein Ausbildungsklub oder würden zumindest anstreben, einer zu werden, wäre dann an Lächerlichkeit kaum mehr zu überbieten. Und selbst wenn Sie gar nicht beabsichtigen, dereinst zehn Ausländer anzustellen, so frage ich mich, weshalb Sie denn unter diesen Umständen nicht aus Überzeugung gegen die Ligareform stimmen. Dann würden sich mir (und hoffentlich auch Ihnen) folgende zwei Fragen aufdrängen: 1.) Was ist in diesem Fall wichtiger – die Überzeugung oder die Solidarität? Und 2.) Solidarität überhaupt zu wem: Zu den anderen Klub-Bossen, die unmittelbar nach dem definitiven Fällen der Beschlüsse darüber sinnieren, wie sie diese künftig umgehen können, oder zu den Kunden und Fans, die das Geld in die Stadien bringen?

Lieber Peter Jakob: Die Fans wollen keine zehn Ausländer! Wir sind Fans von «unseren» Ausländern. Sie sind oft unsere liebsten Spieler. Dies aus zwei Gründen: 1.) Vier sind nicht zu viele, sondern genau richtig. 2.) Heute gehören die Vier jeweils zu den besten unserer Mannschaft. Und dann gibt es noch einen dritten Grund, den wir nicht unterschlagen wollen. Vier wirklich gute Ausländer fördern die Leistungskultur von Mannschaften wie den SCL Tigers. Sie sind Vorbilder, vor allem auch für junge Nachwuchsleute, für die es ja vor allem deswegen Platz in der Mannschaft hat, weil es nicht zu viele Ausländer sind, die ihnen die Plätze wegnehmen. Es hat also nichts mit Rassismus zu tun, dass wir nicht mehr Ausländer wollen, sondern einzig und allein damit, dass wir für unseren eigenen Nachwuchs optimale Bedingungen wollen.

Wir alle wissen es: für die Fällung solcher Entscheide ist in der National League AG eine einfache Mehrheit unter den zwölf Mitgliedern nötig. Nur noch eine einfache Mehrheit. Wäre noch der Verband (SIHF) zuständig, würde für eine Änderung mit dieser Tragweite eine Dreiviertel-Mehrheit nötig sein. Zudem würden die Vertreter der Swiss League mitstimmen. Auch deshalb ist wohl diese Ligareform gegen den Willen der Kunden nurmehr schwierig zu verhindern.

Trotzdem, lieber Peter Jakob, finde ich es äusserst fatal, dass Sie – aus meines Erachtens falscher Solidarität – «mit der Meute bellen», und nicht klar Stellung beziehen gegen dieses neue Konstrukt, das sich Liga-Reform nennt, und das keinesfalls im Interesse der SCL Tigers sein kann.

Wir wissen es: Die SCL Tigers haben in der höchsten Spielklasse des Schweizerischen Eishockey einen äusserst schweren Stand und die wohl schwierigsten Bedingungen der Liga. Trotzdem wird die Welt nach Einführung dieser fatalen Beschlüsse für die Langnauer nicht mehr die gleiche, sondern eine nochmals viel schwierigere sein. Und das Schlimme daran ist, lieber Peter Jakob, dass Sie dann ja nicht werden vor die Fangemeinde hinstehen und sagen können, man hätte Ihnen diese Reform aufgedrängt.

Denn Sie selbst hätten ja dann dazu Ja gesagt.

Ich finde, und mit mir viele Fans, dass Sie gut daran tun, diese Liga-Reform abzulehnen. Mehr noch: Sie haben mit Walter Frey von den ZSC Lions zumindest einen potenten Mitstreiter. Versuchen Sie gemeinsam, zu retten, was noch zu retten ist. Ich weiss, ein beinahe aussichtsloses Unterfangen. Aber eben nur beinahe. Denn was noch nicht definitiv beschlossen ist, ist noch verhandelbar.

Zumindest können Sie dann vor die eigene Fangemeinde und Ihre Sponsoren hinstehen und sagen, Sie hätten alles versucht. Weil sie es sich eben gewohnt sind, mit erfolgreichen Produkten behutsam umzugehen. Und weil Ihnen die Förderung von Nachwuchsleuten am Herzen liegt. Und es würde Sie wiederum eine gewaltige Welle der Solidarität und der Hilfe tragen, wenn diese wieder mal nötig werden sollte.

Die Ligareform könnte schneller als gedacht dazu führen, dass Sie diese Hilfe und Solidarität nötig haben.

Ich wünsche Ihnen, Ihrer Familie, den SCL Tigers und der Jakob Rope Systems im Namen aller Fans ein gefreutes 2021.

Bruno Wüthrich

 

PS: In diesem Brief kam nur die Regelung mit den Ausländern zur Sprache. Die weiteren Änderungen sind zum Teil ebenso fatal.