Klaus Zaugg hält Ausschau:
Der «Ilfis-Pestoni» bleibt und so wird es mit 10 Ausländern sein
Wie wird es sein, wenn ab der Saison 2022/23 zehn Ausländer zugelassen sind? Die Partie Langnau gegen die ZSC Lions hat uns am Dienstagabend einen Blick in die Zukunft ermöglicht. Und so ganz nebenbei zeigte sich rund um dieses Spiel, warum der Tabellen-Vorletzte SC Bern so hohe Lohnkosten hat.
Keine Polemik im Advent. Nur Fakten.
SCB-Junior Philip Wüthrich hext den SC Langenthal zum Meistertitel von 2019. Die SCB-Sportführung geruht erst im Oktober 2019 den Vertrag mit dem eigenen Nachwuchsspieler zu verlängern. Da aber ist schon die halbe Liga hinter ihm her und geschickt hat sein Agent ein Angebot der Bieler ins Spiel gebracht. Es kostet nun halt mehr.
Im letzten Frühjahr dominiert der SCB-Junior Mika Henauer in der Viertelfinalserie gegen Olten das Spiel der Langenthaler wie ein ausländischer Verteidiger. Erst im Herbst hat die SCB-Sportführung mit den Verhandlungen für eine Verlängerung begonnen. Da aber ist die halbe Liga schon hinter ihm her. Die Prolongation um drei Jahre, die im Januar offiziell verkündet wird, kostet nun halt sehr viel mehr.
Zusammengenommen verursacht das gute alte Berner Motto der SCB-Sportführung («Nume nid gschprängt, äs het gäng no glängt») dem SCB Lohn-Mehrkosten von gut und gerne 200 000 Franken.
Im Frühjahr 2017 wechselt Patrick Petrini von Ambris Novizen zu Langnaus Elitejunioren. Er unterfliegt alle Radarschirme der Scouts. Nachdem er diese Saison bei den Elite-Junioren in 15 Partien 32 Punkte gebucht hat, holt ihn Trainer Rikard Franzén in die erste Mannschaft. Aber bevor der «Ilfis-Pestoni» (Inti Pestoni ist sein grosses Vorbild) ins Schaufenster gestellt wird, verlängert Sportchef Marc Eichmann den Ende Saison auslaufenden Vertrag vorzeitig um zwei Jahre bis 2023. Diese Verlängerung darf er noch nicht offiziell bestätigen. Weil die Liga-Führung den Klubs bis Ende Januar verboten hat, Personalentscheide zu verkünden.
Patrick Petrini stürmt inzwischen im ersten Powerplay und er hat in seinen sieben ersten NL-Spielen (1 Tor/1 Assist) die Aufmerksamkeit der halben Liga erregt. Aber die interessierten Sportchefs sind abgeblitzt. Der Vertrag ist halt schon verlängert. So spart die sportliche Führung in Langnau nach dem Motto «dr Ender isch dr Gschwinder gsi» über die nächsten zwei Jahre mehr als 100 000 Franken Lohnkosten.
SCB-Manager Marc Lüthi erhofft sich mit der von ihm ins Werk gesetzten Zulassung von 10 Ausländern ab der Saison 2022/23 (sie ist nicht mehr zu verhindern) Einsparungen bei den Löhnen. Die Frage, ob seine sportliche Führung diese Einsparungen erzielen wird, steht hier nicht zur Debatte. Wir wollen im Advent nicht grübeln und nicht polemisieren.
Die SCL Tigers verlieren gegen die ZSC Lions 1:4 und diese Partie zeigt uns auf, wie die Zukunft mit den zehn Ausländern ab 2022/23 aussehen wird. Die Langnauer geloben ja, weiterhin den eigenen Nachwuchs zu fördern und sicher nicht mit zehn Ausländern zu spielen. Aber was passiert, wenn ein Klub vernünftig sein und das Ausländerkontingent nicht ausschöpfen möchte?
Es wird immer wieder genau das passieren, was wir im intensiven Spiel der SCL Tigers gegen die ZSC Lions gesehen haben. Die Langnauer treten nur mit zwei Ausländern an (Marcus Nilsson, Ben Maxwell). Sie nützen also nur das halbe Ausländer-Kontingent. Die Zürcher schöpfen hingegen die reglementarischen Möglichkeiten voll aus und schicken vier Ausländer aufs Eis, die zu den besten der Liga gehören (Maxim Noreau, Garrett Roe, Marcus Krüger, Fredrik Pettersson).
Die SCL Tigers spielen eine grosse Partie. Sie überstehen auch dank Ivars Punnenovs (93,48 % Fangquote) die gegnerische Druckphase im Mitteldrittel (9:23 Torschüsse) unbeschadet und sind dazu in der Lage, im Schlussdrittel nochmals zuzusetzen (19:16). Sie machen alles richtig. Das Spielkonzept stimmt. Jeder kämpft aufopfernd.
Zu Beginn des Schlussdrittels steht es nach wie vor 0:0. Aber die Langnauer laufen längst am Limit. Sie stehen auf dünnem Eis. Sie geben alles. Aber das ist nicht genug. Am Ende einer grandiosen Leistung steht eine ehrenvolle 1:4-Niederlage. Der Schwede Frederik Pettersson (im Powerplay zum 1:0) und der Amerikaner Garrett Roe (in Unterzahl zum 2:1) entscheiden die Partie in den Spezial-Situationen. Die zwei letzten Treffer erzielt Sven Andrighetto. Einer der teuersten Schweizer der Liga.
Wenn ein Spiel auf des Messers Schneide steht, dann entscheiden in der Regel eben doch die teuren ausländischen Stars. Dafür werden sie engagiert. Kommt dazu, dass die ZSC Lions die einzigen der Liga sind, die alle vier Ausländerpositionen erstklassig besetzt haben. Sie verfügen über das notwendige sportliche Know-how und Geld und haben dieses Geld klug investiert.
Wer sein Ausländer-Kontingent nicht auszuschöpfen vermag oder nicht ausschöpfen will – sei es, um den Schweizern eine Chance zu geben, sei es aus Vernunft – zieht gegen jene den Kürzeren, die alle Ausländer-Lizenzen einlösen. Die Grossen haben die Mittel, um das Kontingent auszuschöpfen. Die Kleinen haben diese Mittel nicht.
Die neue Ausländerregelung wird ab der Saison 2022/23 die aktuelle Ausgeglichenheit der Liga unerbittlich zerstören und die Vernünftigen sportlich und finanziell ruinieren: Entweder sie rüsten nach (wofür das Geld fehlt) oder sie bleiben vernünftig und erleiden eine ehrenvolle Niederlage nach der anderen bis im Stadion immer mehr Sitze leer bleiben. Die neue Ausländerregelung macht die Grossen noch grösser und die Kleinen noch kleiner. Da helfen keine flankierenden Massnahmen.
Beim Sport geht es um Sieg und Niederlage. Nichts kann einen Sieg ersetzen. Ohne das Erfolgserlebnis eines gewonnenen Spiels kann der fähigste Trainer die Mannschaft auf Dauer nicht zusammenhalten. Auch dann nicht, wenn doch alle wissen, dass es einfach nicht möglich ist, mehr herauszuholen.
Die bange Frage ist dann: wie viele Niederlagen erträgt die Autorität eines Trainers? Wie viele Niederlagen kann eine Mannschaft verkraften, ohne eine Verlierer-Mentalität zu entwickeln? Wie viele Niederlagen braucht es, bis auch die treuen Fans und die loyalsten Sponsoren unruhig werden? Und was kostet es eigentlich bei 10 Ausländern, wenn Fehleinkäufe während der Saison laufend durch Neuverpflichtungen korrigiert werden müssen? Bei vermeintlichen Spitzenklubs, deren sportliche Führung schon heute nicht einmal mehr dazu in der Lage sind, zwei erstklassige ausländische Spieler zu rekrutieren?
Wir wollen auch da nicht grübeln und polemisieren. Es ist Advent.