Guter Sportchef oder schlechter Sportchef?

Der Leistungsausweis von Jörg Reber

Die Analyse von Experte Klaus Zaugg fällt vernichtend aus. Doch aus der Nähe betrachtet lässt sich der Leistungsausweis von Jörg Reber als Sportchef der SCL Tigers durchaus sehen.

Blog • • von Bruno Wüthrich

Ob die SCL Tigers tatsächlich das kleinste Budget der Liga haben, wissen wohl nicht einmal die SCL Tigers selbst. Denn was die einzelnen Klubs jeweils angeben, lässt sich nicht kontrollieren. Keine neutrale Stelle hat Einsicht in die Bücher der Klubs. Zumindest keine, die dann die Zahlen nach der Kontrolle auch vergleichen könnte.

So weit so gut. Allgemein wird angenommen, dass es die SCL Tigers sind, die in der National League das kleinste Budget haben. Bestritten wird dies von niemandem. Vielleicht auch deswegen, weil das kleinste Budget zu haben nicht unbedingt zur Attraktivitätssteigerung eines Klubs beiträgt. Doch weil es nicht bestritten wird, und wir es nicht kontrollieren können, gehen in diesem Artikel auch wir davon aus, dass es so ist, wie es allgemein angenommen wird: Die SCL Tigers haben das kleinste Budget der Liga. Punkt!

Unter Sportchef Jörg Reber schlossen die SCL Tigers die beiden letzten Saisons jeweils auf dem 9. Schlussrang ab. Was unter der Annahme des kleinsten Budgets mehr als ehrenwert ist. Wir können jetzt darüber fabulieren, wessen Verdienst denn dieses gute Abschneiden ist. Doch es schleckt keine Geiss weg, dass der Sportchef damit etwas zu tun hat. In der Summe all seiner Aktivitäten muss Jörg Reber deutlich mehr richtig als falsch gemacht haben. Denn der 9. Rang aus der Saison 2016/17 wurde nicht nur bestätigt, was allein schon als Erfolg zu werten ist. Sondern dieser erneute 9. Rang der Saison 2017/18 ist sogar noch mehr wert als jener eine Saison zuvor. Die SCL Tigers schnupperten lange an der Qualifikation für die Playoffs. Einzig und allein weil sie ausgerechnet in den wichtigsten Spielen gegen Servette und Kloten ihre Leistung nicht abzurufen in der Lage waren, scheiterten sie an ihrem hoch gegriffenen Saisonziel. Das Abrufen einer Leistung in wichtigen Zielen gehört nur bedingt ins Aufgabengebiet eines Sportchefs.

Jörg Reber hat seit seinem Antritt als Sportchef ein neues Leistungsdenken in die SCL Tigers gebracht. Endlich war nicht mehr einfach nur der Ligaerhalt als Saisonziel gut genug. Es sollte mehr sein. Und tatsächlich: in den Spielen der Qualifikation geht es ja nur insofern um den Ligaerhalt, weil dieser in der Regel nur bei einer Qualifikation für die Playoffs definitiv gesichert ist. Ergo geht es in diesen Spielen in erster Linie darum, sich nach vorne zu orientieren. Jörg Reber machte jeweils unmissverständlich klar, wo er hin will: nämlich in die Playoffs. Trotz kleinstem Budget scheiterte er an dieser Zielsetzung nur äusserst knapp. Das neue Leistungsdenken ist denn auch Rebers grösste Leistung als Sportchef. Damit hat er das Langnauer Eishockey-Unternehmen weiter gebracht. Das kleinste Budget zu haben, gilt seither nicht mehr als Entschuldigung. Trotzdem ist es natürlich eine Erklärung.

Möglicherweise war aber Jörg Reber etwas zu ehrgeizig darin, mit den tatsächlichen Budgetvorgaben derart hohe Saisonziele verfolgen zu wollen. Es gibt bei den SCL Tigers einen Verwaltungsrat, der seit Kindesbeinen glühender Fan dieses Klubs ist, und der es in seinem Leben zu Einkommen und Vermögen gebracht hat. Besagter Verwaltungsrat kann bei Anfrage oft gar nicht anders, als zu helfen, wenn das Budget für die Verpflichtung eines Spielers nicht ganz reicht. Es ist aber gut vorstellbar, dass es Jörg Reber zutiefst zuwider war, diese «Geldquelle» anzuzapfen. Es könnte deshalb sein, dass der Sportchef damit nicht nur die eine oder andere Gelegenheit ausliess, einen Spieler zu verpflichten, der unter normalen Umständen nicht ins Budget passte, und damit auch gleich – natürlich ungewollt – den mit einem glühenden Fanherzen ausgestatteten Verwaltungsrat «bestrafte». Denn ebenfalls gut vorstellbar, dass sich das «nicht helfen dürfen» für diesen Verwaltungsrat fast ein wenig wie eine Strafe angefühlt haben könnte.

Wenn man bei Spielern, die bei andern Klubs unterschrieben und diese danach weiter brachten, wie beispielsweise Jonas Hiller, Beat Forster oder Jason Fuchs bei Biel oder Dominic Zwerger bei Ambri nachfragt, weshalb sie denn in Biel und Ambri und nicht in Langnau gelandet sind, dann erhält man häufig zur Antwort, sie seien aus dem Emmental gar nicht angefragt worden.

Damit wir uns richtig verstehen: eine Anfrage genügt natürlich nicht und in den meisten Fällen haben die andern Klubs eben die längeren finanziellen Spiesse und auch die grösseren Aussichten auf Erfolg als die SCL Tigers. Doch ohne Anfrage bringt man keinen Spieler dazu, sich mit einer Mannschaft zu befassen. Eine Anfrage hat aber häufig Gespräche zur Folge, während derer man sich auch näher kommen kann. Wenn dann zwischen Budget und der Lohnforderung noch eine Differenz besteht, gibt es ja da noch diesen Verwaltungsrat. Der wird zwar auch nicht immer helfen können und wollen. Aber eine Anfrage lohnt sich auch da immer.

Wie sagte schon meine Grossmutter: Fragen lohnt sich immer.

Insgesamt aber dürfen und müssen wir Jörg Reber ein gutes Zeugnis ausstellen. Die erzielten Ergebnisse sprechen eine deutliche Sprache, wenn man die jeweiligen Budgets dagegen hält. Wir müssen aber mit einem weinenden Auge auch erwähnen, dass bei Ausnützung sämtlicher Möglichkeiten auch noch mehr möglich hätte sein können.

Wie es dann heraus gekommen wäre, werden wir nie erfahren.

Trotzdem finde ich es persönlich fast ein Bisschen schade, dass Jörg Reber nicht mehr Sportchef ist. Sein Nachfolger wird es nämlich erstmal besser machen müssen, was alles andere als leicht sein wird.