Immer noch auf dem richtigen Weg?

DiDo und die Zufriedenheit der Langnauer

Nach 19 Spielen mit Punktgewinn erstmals wieder eine Nullnummer. Was solls? Doch so einfach ist es nicht. Derzeit bewegen sich die SCL Tigers nämlich nicht in Richtung Aufstieg, sondern geradewegs auf ein grandioses Scheitern zu.

Blog • • von Bruno Wüthrich

 

DiDomenico h05-01Puckmonopolist, Alleinunterhalter und Topscorer Chris DiDomenico (Bild: Susanne Bärtschi)

 

Kein Zweifel: die SCL Tigers verfügen in ihrem Team über das grösste Potential der NLB. Doch der Unterschied ist nicht so gross, wie uns dies der Vorsprung in der Tabelle (immer noch 13 Punkte bei einem Spiel weniger als Verfolger La Chaux-de-Fonds) glauben machen könnte. Die Langnauer hatten einfach einen guten Lauf, fanden immer wieder den Weg zum Sieg. Schier schon fatal wäre es gewesen, wenn es auch gestern Abend gegen den HCC geklappt hätte. Endlich hat es einmal nicht geklappt, ist man versucht zu sagen. Und falls die Spieler ihre Lektion aus dieser Niederlage nicht gelernt haben, dürfen sie gerne noch das eine oder andere Mal verlieren, selbstverständlich mit dem entsprechenden, sie begleitenden medialen Gewitter, das dann hoffentlich über sie herein brechen wird.

 

Was läuft falsch: Chris DiDomenico führt mit drei Punkten Vorsprung die NLB-Topscorerliste an. Mit seinen 19 Toren und 25 Assists hat er in 29 Spielen 44 Punkte realisiert. Dies macht 1,52 Punkte pro Spiel. Dies ist selbstredend ein sehr guter Wert und ist höher zu gewichten als die mehr als zwei Punkte pro Partie, die er in der italienischen Komikerliga buchte. An guten Tagen schnappt sich der Kanadier mit italienischen Wurzeln hinter dem eigenen Tor den Puck, oder luchst diesen auf seine eigene, schlaue Weise einem Gegner von der Schaufel, und trägt sie dann in Richtung gegnerisches Tor, wobei er häufig einen oder gar zwei Gegner austanzt (machmal sogar drei), und dann entweder selbst den Abschluss sucht, oder einen guten Pass spielt. Von irgend woher müssen diese vielen Skorerpunkte ja kommen. DiDo wurde nun wegen seiner Leistungen (oder noch besser, wegen seiner Punkteausbeute) mit einem Aufgebot des Team Canada an den Spengler Cup geadelt. Eine seltene Ehre für einen NLB-Ausländer.

 

Chris DiDomenico 3Waren auch schon erfolgreicher: Die Sololäufe von Chris DiDomenico (Bild: Susanne Bärtschi)

 

Eine Analyse der realisierten Punkte zeigt zudem, dass Chris DiDomenico kein Schönwetterspieler ist. Seine Tore und Assists haben fast immer einen entscheidenden Einfluss auf den Ausgang des Spiels und werden nicht erst dann realisiert, wenn die Partie bereits entschieden ist. Der Kanadier spielt leidenschaftlich, steckt viel ein, provoziert, bringt Emotionen ins Spiel. Kurz und gut: Einen Spieler mit einem so grossen Einfluss aufs Spiel, mit einem so grossen Unterhaltungswert und einer derartigen Punkteausbeute hatten die Langnauer seit Todd Elik nicht mehr.

 

Mit diesem DIDo werden die Tiger nicht aufsteigen

Doch die Medaille hat eine Kehrseite. DiDomenico monopolisiert den Puck viel zu sehr. Weil er bei seinen Sololäufen immer häufiger an einem Gegenspieler hängen bleibt, oder sich in eine Situation manövriert, wo ein guter Pass nicht mehr möglich ist, verpuffen die Langnauer Angriffe zusehends im Nichts. Letztendlich richtet es DiDo aber dann häufig doch noch. Die Tendenz ist jedoch klar. Die Gegner kennen inzwischen seine Laufwege und Spielweise und können immer besser damit umgehen. Deshalb waren die Langnauer im gestrigen Spiel gegen den HCC für den Gegner gut zu lesen. Der Sieg der Gäste war nicht nur verdient, er war auch logisch. Alles andere wäre bei genauerem Hinsehen eine Überraschung gewesen. Aus einer gesicherten Defensive spielten die Jungs von Ex Tigers-Coach Alex Reinhard gradlinig, schnell, schnörkellos und mit Zug aufs Tor. Bei La Chaux-de-Fonds waren keine Sololäufe à la DiDo zu sehen. Oft ging es für die Hintermannschaft der Tigers etwas gar schnell.

 

Leider ist Chris DiDomenico in der Zwischenzeit nicht mehr der einzige Sololäufer der Mannschaft. Er hat seine Mitspieler mit diesem Virus angesteckt. Kaum ein Akteur der Tiger, der nach der Annahme der Scheibe nicht erst versucht, einen Gegenspieler auszuspielen, bevor er die Scheibe weiter spielt. Dies aber hemmt den Spielfluss, birgt unnötige Risiken und führt gegen einen potentiell gleich starken Gegner ins Verderben. Die Scheibe landet letztendlich viel zu häufig auf der Schaufel eines Gegenspielers.

 

Aufgrund ihrer individuellen Klasse werden die Langnauer auch weiterhin den Grossteil ihrer Spiele gewinnen. Kaum denkbar, dass diesem Team der erste Rang in der Qualifikation noch zu nehmen ist. Die grosse Frage ist jedoch, wie sich eine Mannschaft weiter entwickeln soll, die a) so häufig gewinnt, und sich b) damit zufrieden gibt.

 

Genau diesen Anschein der Selbstzufriedenheit erweckt diese Mannschaft auf den aufmerksamen Beobachter (einzelne Ausnahmen wie beispielsweise Sven Lindemann ausgenommen). DiDos Mitspieler geben sich zufrieden mit dessen Quasi-Alleinunterhaltung, vor allem, wenn sich jeder auch selbst einmal beim «Austöggele» eines Gegenspielers profilieren, oder dies zumindest versuchen darf. Im Spiel vom Sonntag gegen den HC Thurgau sprang zwar mit seinen drei Treffern und einem starken Auftritt Thomas Nüssli in die Bresche und die Tiger gewannen immerhin zwei Punkte. Zwei Tage später reichten die zwei Tore von Sven Lindemann nicht mehr für einen Punktgewinn. Gerade bei der Niederlage gegen La Chaux-de-Fonds darf man sich fragen, was denn herausgekommen wäre, wenn DiDomenico den Puck jeweils eher abgespielt hätte, statt unzählige Male mit seinen Dribblings am Gegner hängen zu bleiben? Beherrschen die Tiger das schnelle, direkte Spiel überhaupt noch? In den letzten Partien war davon kaum je etwas zu sehen.

 

In den Playoffs werden die Spiele noch intensiver, noch härter, und dem Gegner wird die Spielweise von Langnau und insbesondere von Chris DiDomenico noch besser bekannt sein. Diese eigenbrötlerische Vorgehensweise in der Offensive (defensiv sind die Langnauer durchaus ein Team !!!) muss ändern. Denn dann, wenn es wirklich zählt, ist damit kein Blumentopf mehr zu gewinnen.

 

Die SCL Tigers brauchen auf die Playoffs hin noch einen starken, ausländischen Stürmer, der einerseits Chris DiDomenico unter Druck setzt, und der zudem als taktische Variante sowohl mit DiDo, oder an seiner Stelle eingesetzt werden kann. Der Kanadier muss lernen, ein Leader zu sein, indem er seine Mitspieler mehr einbezieht, und nicht indem er den Grossteil der Arbeit alleine machen will. Der Rest des Teams muss sich aus der Komfortzone heraus wagen, sich vermehrt an der Arbeit beteiligen wollen, und dies bei DiDo auch einfordern. Die Langnauer werden nur aufsteigen, wenn sie nicht nur defensiv, sondern auch offensiv ein Team sind. Gemeint sind dabei alle Blöcke.

 

Aus der überfälligen Niederlage gegen den HCC müssen die richtigen Schlüsse gezogen werden. Die nächsten beiden Spiele bestreiten die SCL Tigers zudem ohne ihren Topscorer. Eine Gelegenheit, das einfache und schnelle Spiel zu üben. Anschauungsunterricht haben die Langnauer soeben ehalten.