Den Zenit bereits überschritten?

Die beiden letzten Auftritte der SCL Tigers geben zu denken!

Die SCL Tigers haben uns in vielen Heimspielen bestens unterhalten. Zufriedene Zuschauer und relativ wenig Kritik sind die Folge. Doch die beiden Spiele gegen Lugano und Lausanne waren unterirdisch und werfen Fragen auf. Geht es mit dem Tiger jetzt bergab?

Blog • • von Bruno Wüthrich

Da war die Welt in Lausanne noch einigermassen in Ordung. Lukas Haas und Yannick-Lennart Albrecht bieten den Lausannern (im Vordergrund Ex-Tiger Etienne Froidevaux) Paroli. Bild: Susanne Bärtschi.

 

Vier Punkte Vorsprung auf den Tabellenletzten, dazu noch ein Spiel weniger bestritten: Dies trägt viel zur Beruhigung in Langnau bei. Denn schliesslich waren die SCL Tigers die meiste Zeit in dieser Meisterschaft auf dem letzten Rang klassiert. Und immerhin waren mit dem 6:0 gegen den HC Davos, dem 7:0 gegen den EHC Biel und dem 4:2 nach 0:2 – Rückstand sowie dem 6:5 n.P. (beides gegen den SC Bern) auch richtig geile Siege dabei. Die beiden Niederlagen gegen den HC Lugano (1:4) und den Lausanne HC (3:6), in welchen die Langnauer beide Male nicht den Hauch einer Siegchance hatten, müssen jedoch zu denken geben. Zu denken geben muss auch, dass gegen die Kloten Flyers, immerhin ebenfalls ein möglicher Playouter, noch kein einziges Pünktchen ergattert werden konnte. Miserable Karten deshalb im Kampf um den vorzeitig den Klassenerhalt sichernden 10. Rang. Von den Playoffs reden wir schon gar nicht mehr. Der 10. Rang liegt 11 Punkte entfernt. Dies entspricht vier Siegen, während die 10-platzierten Klotener keinen einzigen feiern dürfen. Die Playoffs sind 13 Punkte entfernt. Gut – wer 11 Punkte aufholen kann, für den sind auch 13 nicht unmöglich. Doch die Langnauer sind derzeit weit von der Verfassung, überhaupt etwas aufholen zu können, entfernt. Derzeit spricht vieles dafür, dass Laportes Mannschaft ihren Zenit bereits überschritten hat.

Kommt hinzu, dass die Verbesserung vom letzten auf den zweitletzten Rang auch ein wenig der fürchterlichen Krise zu verdanken ist, in welcher sich der EHC Biel gerade befindet. Die Seeländer, nach fünf Meisterschaftsrunden noch stolzer Tabellenzweiter, scheinen das Verlieren gelernt und das Siegen verlernt zu haben. Ob der EHCB aus dieser Baisse wieder heraus finden wird, und ob dies mit oder ohne Kevin Schläpfer sein wird, steht in den Sternen. Doch unmöglich ist es nicht. Derzeit haben die Langnauer gegen den EHC Biel auch wegen den bisherigen Direktbegegnungen (5:2 und 7:0) deutlich die Nase vorn. Doch in einer sich immer mehr als wahrscheinlich zeigenden Playout-Finalserie hat dies nichts zu bedeuten. Das schlimmste Szenario: Die Bieler fangen sich gemeinsam mit Kevin Schläpfer auf, der kultige Baselbieter findet seine Hockeygott-Aura wieder und erreicht damit für die entscheidenden Spiele sein Team. Man braucht kein extremer Schwarzmaler zu sein, um zum Ergebnis zu kommen, dass dann für die Emmentaler die Ligaqualifikation drohen könnte.

Der derzeitige Tigers-Coach Benoît Laporte hatte von Beginn weg einen schweren Weg vor sich. Sein Vorgänger Bengt-Ake Gustafsson, seines Zeichens Olympiasieger, Weltmeister und schwedischer Meister als Coach (seine grossen Erfolge als Spieler lassen wir mal aussen vor), war für die Langnauer trotz des realisierten Aufstiegs in die NLA nicht mehr gut genug. Gustafsson war jedoch wegen des Aufstiegs bei den lange Zeit ebenfalls kritischen Fans zuletzt sehr geschätzt, und im weiteren Umfeld verstanden nur sehr wenige seine Ersetzung. Völlig klar, dass ein Nachfolger mit der Zeit nach sehr strengen Massstäben gemessen werden würde.

Kommt hinzu, dass die Schweizer Vergangenheit Laportes mit dem Kofferschmiss in Ambri halt abfärbt. Da hilft es wenig, dass der Kanadier in Hamburg offenbar seht geschätzt war und dass sein Abgang nach vierjähriger Tätigkeit bedauert wurde. Dass er zudem mit einem Kader anzutreten hat, das rein vom Potential her gesehen halt nicht für mehr als Rang 11 oder 12 gut ist, hilft ihm mit der Zeit auch nicht mehr weiter. Vor allem dann nicht, wenn das Team wie in den letzten Spielen zu stagnieren, oder gar Rückschritte zu machen scheint.

Es ist bemühend zu sehen, wie das Team derzeit agiert. Schleichende Angriffsauslösung, Scheibenverluste zur Unzeit, überhastete Aktionen, mangelhafte Puckannahme und Fehlpässe (oder Pässe in den Rücken statt in den Lauf), sowie die Angst, im Slot auch mal direkt in den Abschluss zu gehen sind derzeit das tägliche Brot. Hinzu kommen zum Teil unnütze Strafen (wobei diese zum Teil vorangegangenen schweren und nicht mehr anders zu korrigierenden Fehlern geschuldet sind). Eine gute Form sieht anders aus. Fortschritte ebenfalls. Die derzeitige Tabellensituation und die letzten Auftritte geben zur Sorge Anlass.

Benoît Laporte hat des derzeit nicht einfach. Er hatte es in der ganzen bisherigen Saison nicht einfach. Bisher konnte er aber immer auf ein kämpferisch auftretendes Team verweisen und hat zudem das Heimpublikum sogar bei Niederlagen meistens bestens unterhalten. Doch jetzt müssen Punkte her. Ein innert kürzester Zeit derart dramatisch anwachsender Rückstand auf die angestrebten Ränge geht an der Psyche der ganzen Mannschaft nicht spurlos vorbei. Weitere Spiele wie die beiden letzten werden auch die bisher zufriedenen Zuschauer nicht mehr lange bieten lassen. Dass die zuvor gut unterhaltenden Auftritte der Mannschaft könnten dann rasch vergessen werden, und die Stimmung könnte dann umschlagen. Dieser Umstand ist zwar tragisch und auch irgendwie ungerecht, doch gleichzeitig auch normal.

Die Situation ist vor allem hausgemacht. Die grossen, möglicherweise zu grossen Fussstapfen, in welche der mit seiner schwierigen Schweizer Vergangenheit belastete Laporte zu treten hatte, wurden offenbar bei aller sorgfältigen Abwägung der Umstände im Vorfeld zu wenig berücksichtigt. Zumal auch bei einer Ersetzung von Laporte der nächste Coach ebenfalls noch die Fussstapfen Gustafssons vor sich hätte. Dies wäre nur dann anders gewesen, wenn Gustafsson irgendwann wegen sportlicher Erfolglosigkeit entlassen worden wäre.

Die Verantwortlichen in Langnau (inkl. Benoît Laporte) sind derzeit wirklich nicht zu beneiden. Gespannt warten wir auf die weitere Entwicklung.