Den Meister geputzt:

Die Fans tragen die Tiger zum Sieg

Der Start in die Meisterschaft ist den SCL Tigers hervorragend geglückt. Sie bezwingen den neuen Meister HC Genf Servette mit 2:1 nach Verlängerung. Erstmals seit langem sind auch die Fans der Langnauer ein Faktor. So kann es weitergehen.

• von Bruno Wüthrich

Erinnert ihr euch? Playoff-Final 2022: die ZSC Lions sahen nach einem 3:0 - Vorsprung in der Serie gegen den EV Zug schon wie der sichere Meister aus. Aber sie verloren dann die Serie noch schändlich mit 3:4. Und dann kam der Finalverlierer zum Auftakt der Saison 2022/23 nach Langnau und verlor mit 1:2 nach Verlängerung. Was für die Langnauer wie ein toller Start in die neue Spielzeit aussah, erwies sich jedoch als Schuss in den Ofen. Die Tiger verloren nämlich die nächsten sechs Spiele zum Teil ziemlich deutlich. Es war, wie wenn ein Sprinter zwar gut aus den Startlöchern kommt, aber unmittelbar danach stolpert und entscheidend an Terrain verliert. Die Langnauer legten danach eine ordentliche Saison hin, es ging ihnen aber auf der Zielgeraden die Puste aus. Auch, weil sich ihr Topscorer Marc Michaelis verletzt hatte und die Saison beenden musste. Von da weg lief nichts mehr wie zuvor. Ein schwacher Anfang und ein schwaches Ende bedeuteten trotz sonst starker Saison am Schluss lediglich Rang 13 in der Tabelle. Wie von den meisten Experten vorausgesagt.

Nun machte gestern Freitag zum Auftakt der neuen Saison gleich der neue Meister seine Aufwartung in Langnau. Und wieder gelang den Emmentalern gleich ein Coup. Mit dem genau gleichen Resultat wie ein Jahr zuvor gegen den Finalverlierer gewannen die Tiger auch gegen den amtierenden Meister. Und der Erfolg war sogar sehr verdient. Denn obwohl die Genfer das Spiel mehrheitlich dominierten, verzeichneten die Einheimischen ein Plus an guten Torchancen und schossen zudem deutlich mehr auf das gegnerische Tor. Sie mussten allerdings lange warten, bis endlich einer von ihnen traf. Einige mögen bereits mit einem frustrierenden Abend gerechnet haben, ein Abend, an welchem einfach keine Scheibe den Weg ins gegnerische Tor finden will. Was versemmelten die Tiger in der zweiten Hälfte des Mitteldrittels reihenweise – quasi im Minutentakt – für hochkarätige Torchancen. Eigentlich hätten sie in dieser Phase die Partie bereits entscheiden und sämtliche drei Punkte holen müssen. Doch es war wie verhext. Bis dann Aleksi Saarela fünf Minuten vor Schluss der Partie auf der rechten Seite durchspatzierte und aus spitzem Winkel über die Schulter von Genfs Hüter Gauthier Descloux doch noch zum Ausgleich traf. Die Führung der Genfer, erzielt durch Lausanne-Rückkehrer Guillaume Maillard bereits in der 13. Minute, hielt zuvor lange. Er kam im Slot frei an den Puck und hatte keine Mühe, zu reussieren.

In der Verlängerung war dann kein übliches Spazieren mit der Scheibe angesagt. Die Spieler gingen gleich aufs Ganze und kämpften um jede Scheibe. Kein Spieler war lange im Puckbesitz oder hatte Zeit, einen Mitspieler anzuspielen. Gleich war ein Gegner bei ihm (oder auch zwei), setzte ihn unter Druck und jagte ihm die Scheibe ab. Lediglich eine Minute war in der Verlängerung gespielt, da starteten Sean Malone und Julian Schmutz zu einem Konter, welcher Schmutz auf Zuspiel von Malone direkt zur Entscheidung abschloss.

Noch ist nicht alles so, wie es sein soll. Noch landen zu viele Zuspiele bei der Angriffsauslösung beim Gegner oder im Niergendwo (eine bereits alte Langnauer Krankheit). Noch sind zu viele Entscheidungen falsch. Trotzdem zeigten die Tiger für ein Auftaktspiel eine reife Leistung. Defensiv scheinen sie stabiler und abgeklärter. Und die Rückkehr von Julian Schmutz (ein Tor und ein Assist) hat sich bereits ein erstes Mal bezahlt gemacht. Wichtig auch, dass das Team von Coach Thierry Paterlini damit seine gute Vorbereitung mit einem erneuten Erfolg bestätigen konnte. Es ist gut, wenn man das Gefühl des Sieges gut kennt, sich fast ein wenig daran gewöhnt, und sich den Erfolg dann immer mehr auch gegen jeden Gegner zutraut. Nicht einfach deswegen, weil man ja optimistisch «sein muss» oder weil man ja als Profi «immer an den Sieg glauben und diesen wollen muss». Sondern weil man wirklich weiss: die packen wir! Egal, wer es ist. Heute Abend ist bereits der HC Lausanne fällig. Gewinnen die Tiger, herrscht im Waadtland bereits die Krise.

Aufgefallen: Die Stimmung in der emmental versicherung arena war massiv besser als auch schon. Gestern waren erstmals seit langem die Fans der zusätzliche Mann im Stadion. Das hatte zwei Gründe. Der Erste (und der ist wirklich sehr erfreulich) – es machten in der Fankurve deutlich mehr Personen bei der Stimmungsmache mit. Das war ungewohnt beeindruckend in Bild und Ton. Der zweite Grund wurde schon oft angedacht und nun endlich realisiert. Die Fans verschoben sich etwas nach oben, nahmen dafür die Trommeln weiter herunter. So verschwanden die Fangesänge und die Schlachtrufe nicht mehr hinter dem Plexiglas, sondern tönten in die Halle heraus. Gut gemacht.

Jetzt fehlt nur noch, dass auch die Zuschauer auf den Sitzplätzen jeweils wenigstens in das «Hoo hoo hopp Langnou» der Fans einstimmen, damit ein Hexenkessel entsteht. Die Ilfishalle (pardon, emmental versicherung arena) wäre prädestiniert dazu.