Hallo Ligageneräle und Klubvertreter:

Euer Gebastel kann so nicht weiter gehen

Abtrennung von National League und Swiss League vom Verband, Erhöhung des Ausländerkontingents auf zehn, Senkung der Lohnkosten - derzeit steht das Schweizer Eishockey vor einer Revolution. Doch geht die Rechnung auf? Klar ist: die Fans sind massiv dagegen.

Blog • • von Bruno Wüthrich

In ihrem "Statement der Schweizer Fanszenen zu den Reformen im Schweizer Eishockey" (im Anschluss an diesen Text), der mit einer Ausnahme auch der Haltung des "Fanclub SCL Tigers" entspricht, nehmen diverse Fan-Vereinigungen Stellung zu den Plänen, die zum Teil bereits vollzogen, und zu einem weiteren Teil ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Zu den bereits vollzogenen Plänen gehören die Abspaltung der National League und der Swiss League vom Verband SIHF, mit dem Ziel, dass sich die beiden Ligen getrennt vom Verband, aber auch getrennt voneinander, selbst vermarkten. 

Weiter wird von den Vertretern der National League in Erwägung gezogen, dass künftig in der obersten Liga zehn statt nur vier Ausländer auf dem Matchblatt stehen dürfen. Die sogenannten "Hockey-Schweizer" würden dann allerdings auch als Ausländer zählen und damit das Ausländerkontingent belasten. Mit dieser Massnahme verspricht man sich eine Senkung der Lohnkosten. Die Überlegung dahinter: In der Schweiz ist selbst mittelmässiges Personal knapp. Und was knapp ist, kostet. Von der Öffnung des Marktes für weitere Ausländer erhofft man sich also eine deutliche Erweiterung des Angebotes bei gleichbleibender Nachfrage. In einer der ersten Schulstunden in Volkswirtschaftslehre (VWL) lernen wir, dass ein grösseres Angebot die Preise drückt. Mit andern Worten: Was für Tomaten gilt, gilt auch für Eishockeyspieler.

So weit so gut, und auch so logisch. Aber auch das Logische kann dumm sein, wenn man nicht über den Tellerand hinaus denkt. Ein Beispiel fernab vom Sport:

Eine umgekehrte Massnahme

Gegen Ende der 1980er Jahre hatte man genug davon, dass die aus Sri Lanka vor dem dort herrschenden Bürgerkrieg geflohenen Tamilen in der Schweiz für billiges Geld arbeiteten. Die Tamilen galten als enorm fleissig, und trotz teilweise sehr guter Bildung waren sie sich nicht zu schade, in der Schweiz für wenig Geld Drecksarbeit zu leisten. Dies rief eine bestimmte Partei auf den Plan, die forderte, dass den Tamilen, zumindest so lange, wie sie den Flüchtlingsstatus hatten, nicht arbeiten durften. Man wollte so verhindern, dass sie den wesentlich teureren Einheimischen die Jobs weg schnappten. Die erwähnte Partei kam mit ihrer Forderung durch, und fortan durften Flüchtlinge nicht mehr arbeiten. Dies ist auch heute noch so.

Allerdings rieb man sich hinterher verwundert die Augen ob der Probleme, die dann - ach so unverhofft - auftauchten. Die Kriminalität der plötzlich ungewollt arbeitslosen, und deshalb gelangweilten und zudem finanziell kurz gehaltenen Flüchtlinge nahm zu. Im Gegenzug galten sie bei der einheimischen Bevölkerung plötzlich als faul, weil sie ja nicht arbeiteten. Aber, weil eins und eins eben immer noch zwei ergibt, und die Logik recht behielt, war das Problem mit den billigen, fleissigen Arbeitskräften, die den teureren Schweizern den Job wegschnappten, beseitigt. Einfach - und auch dies ist logisch - auf Kosten neuer, anderer Probleme.

Die Verschiebung der Probleme

Und genau so logisch wird die Öffnung des Marktes für Ausländer im Schweizer Eishockey die Löhne für die mittelmässigen Schweizer drücken. Diese Rechnung wird voll aufgehen. Versprochen! Weil logisch.

Aber die Folgen werden erheblich sein. Und eigentlich müsste jetzt sofort die besagte Partei von damals wieder auf den Plan rücken. Denn wie damals bei den Flüchtlingen werden auch jetzt wieder fleissige, aber billige ausländische Arbeitnehmer den Schweizern entweder den Job wegnehmen oder zumindest die Löhne drücken. Nur soll es diesmal gewollt sein. Die Liga-Generäle wollen dies so. Der Presse konnte man entnehmen, dass man sich sogar in Langnau zu dieser Meinung habe breit schlagen lassen.

Kann dies also tatsächlich die Lösung sein? Die Fans haben dazu eine klare Haltung. Sie wollen diese Öffnung nicht. Und sie haben recht. 

Viel mehr als im Fussball sind im Eishockey die Nationalmannschaften die internationale Aushängeschilder ihrer Länder. Die Champions League im Eishockey ist kaum mehr als ein Schatten des gleichnahmigen Wettbewerbs im Fussball. Dies erkennt man allein schon an den Zuschauerzahlen. Soll also die Schweiz im internationalen Eishockey ein Faktor bleiben (Vizeweltmeister 2013 und 2017), so muss sie weiterhin gut sein. In der Schweiz wird im Nachwuchs gut gearbeitet.

Aber wenn dies so bleiben soll, muss man den Spielern eine Perspektive bieten. Und zwar möglichst vielen einheimischen Spielern. Die Spitze ist schmal. Es braucht viele mittelmässige Spieler, damit sich daraus ein wirklich guter bilden kann. Oft entscheidet sich erst sehr spät, ob ein junger Spieler den Sprung nach ganz oben schafft. Ob er ein gut verdienender Stammspieler oder Leader in der National League mit NHL-Perspektive, oder eben nur ein mittelmässiger Spieler, also einer für den dritten oder vierten Block wird. Bisher haben in der Schweiz auch mittelmässige Spieler eine Perspektive. Sie können - zumindest während ihrer Karriere - von ihrem Sport leben.

Bei der Öffnung des Marktes für Ausländer ist dies nicht mehr sicher. An wen vergibt man die restlichen noch übrig gebliebenen Plätze, also die, die nicht von den Ausländern besetzt sind? Fördert man den Nachwuchs, geraten mittelmässige Spieler ab dem 25. oder 26. Lebensjahr bereits aufs Abstellgleis. Sie müssen jüngeren Spielern Platz machen. Das heisst, die Attraktivität des Sportes für Spieler, die sich nicht sicher sein können, ob sie den Sprung nach ganz oben zu schaffen, wird erheblich kleiner. Eine Alternative wäre, einfach künftig den jungen Spielern den Einstieg ins Profi-Eishockey noch weiter zu erschweren. Sie zum Beispiel so lange nicht einzusetzen, bis sie das Niveau von denen, die sie verdrängen, erreicht haben. Auch das kann es nicht sein. Weil sie sich so nämlich nicht entwickeln können.

Kosten werden dadurch - wir wissen es - keine gespart. Seit Jahren wird bei den Löhen Vernunft gepredigt. Seit Jahren vergeblich. Dies wird sich auch bei der Öffnung des Marktes für Ausländer nicht ändern. Es steht dann einfach mehr Geld für die wirklich guten Spieler zur Verfügung. Die Löhne für die besten Schweizer (oder für die besten Ausländer) in der National League werden allsbald die Millionengrenze (im Jahr) übersteigen. Die Klubkassen werden nicht weniger strapaziert.

Auch der Salary-Cap bringt es nicht

Die Fans fordern deshalb einen Salary-Cap. Kann das die Lösung sein? Wenn man genau nachdenkt, kommt man zum Ergebnis: Nein, auch dies ist keine Lösung.

Der Grund ist, dass es immer Wege gibt, einen Salary-Cap zu umgehen. Spieler könnten ganz oder teilweise von Privatpersonen oder Sponsoren finanziert werden. Ein Sponsor könnte biepielsweise sein offizielles Engagement etwas zurückfahren, und im Gegenzug die Bezüge eines Stars etwas aufbessern. Ein, zwei überteuerte Marketingaktionen pro Saison, und schon ist der gedeckelte Lohn eines Stars mit anderweitigen Bezügen wieder kompensiert.

Sport ist bei einigen Klubs zu einem teuren Hobby von Milliardären verkommen. Genau da liegen die Probleme. Klubs wie die ZSC Lions oder der HC Lugano wären trotz Erfolg (oder gerade wegen dem Erfolg) nicht lebensfähig, ohne die Millionenzuschüsse ihrer Besitzer. Geld spielt in diesen Klubs deshalb keine Rolle, weil sie es nicht verdienen müssen. Defizite werden ausgeglichen, bei Krisen wird personell nachgerüstet, und spätestens in der nächsten Saison sind neue, teure Stars engagiert.

Dies ist der Umstand, der die Klubs ohne Mäzen unter Druck setzt. Und die Möglichkeiten, diesen zu umgehen, machen auch den Salary-Cap obsolet.

Das Schweizer Eishockey war bisher ein Erfolgsmodell. Das, was jetzt gerade geschieht, ist ein Gebastel. Doch nun ist genug gebastelt. In den meisten Puntken haben die Fans recht. Die Klubvertreter sollten auf sie hören.

 

Dieser Blog entspricht der offiziellen Haltung des Fanclub SCL Tigers

 

Und hier das Statement der Fan-Szenen im Schweizer Eishockey

 

Statement der Schweizer Fanszenen zu den Reformen im Schweizer Eishockey


In den Medien wurden in den letzten Wochen einige Informationen zu den geplanten Änderungen im Schweizer Eishockey publiziert. Die Corona-Pandemie und die Kriterien für den Bezug von Bundesgeldern scheinen bei einigen Vereinen nun gefühlt zehn Jahre zu spät endlich auch die Einsicht geweckt zu haben, dass die realitätsfremde Lohnspirale im Schweizer Eishockey gestoppt werden muss. Der Weg, den insbesondere die NLA einschlägt, ist für uns jedoch so unverständlich wie befremdlich, dass wir uns gezwungen sehen dazu Stellung zu beziehen.

1. Erhöhung des Ausländer-Kontingentes (NLA)

Es ist für uns absolut nicht nachvollziehbar weshalb die Clubs unter dem Vorwand, die Löhne zu senken, dieses seit Jahrzenten im Ausland bewunderte Erfolgsmodell des Schweizer Eishockeys verändern oder abschaffen wollen. Eine Erhöhung des Ausländer-Kontingentes kann möglicherweise zwar kurzfristig tatsächlich eine Senkung der Löhne zur Folge haben, die langfristigen Folgen sind aber alles andere als klar. Es ist gut möglich, dass dies viel mehr zu einer Zweiklassen-Gesellschaft in der Liga führt, bei der einige Klubs ihr Kontingent mit Top-Ausländern auffüllen und andere, um Geld zu sparen, nur «Billig-Imports» einkaufen.
Selbst wenn dies mit einer Form des Salary Cap kombiniert wird, ist nicht klar, weshalb dieser Weg gewählt wird. Ein Salary Cap führt direkt zu einer ausgeglichenen Liga und tieferen Löhnen, weshalb dann der Umweg über das Ausländer-Kontingent?
So oder so werden so die eigenen Nachwuchsspieler und damit die Identifikationsfiguren der Zukunft aus den Kadern verdrängt. Lange Vereinstreue wird noch mehr verschwinden, 10-15 Transfers pro Saison werden Alltag und die Vereine verlieren im heutzutage sowieso schon kommerzialisierten Sport einen weiteren Teil ihrer Seele. Vom Qualitätsverlust der Nationalmannschaft mal ganz abgesehen.

Forderungen

• Keine Anpassung der Ausländer-Kontingente
• Einführung einer Lohnobergrenze

2. Abschottung NLA, NLB und Verband

Durch die organisatorische, finanzielle und personelle Trennung der Ligen und des Verbands entstehen über alle drei Körperschaften gesehen unnötig hohe Kosten – genau das Gegenteil davon, was man erreichen will. Zudem ist es allzu durchschaubar, was das eigentliche Ziel ist: Die NLA-Vereine möchten den sportlichen Abstieg abschaffen und ihr Geld nicht mehr mit Nationalmannschaft und NLB teilen müssen. Mit dem fadenscheinigen Argument der Selbstvermarktung von TV-Rechten etc. wird die in jeder Sportart völlig übliche vertikale Ligastruktur aufgebrochen und plötzlich zwei Konkurrenzprodukte nebeneinandergestellt.
Für die NLB hingegen bringen die geplanten Reformen auch Chancen mit sich. Auf den Alleingang der NLA blieb der NLB fast keine andere Wahl als sich neu zu erfinden und einen eigenen Weg einzuschlagen. Einerseits ist mit den erfolgten Schritten die jahrelange „NLA-Diktatur“ endlich Geschichte. Die NLB kann sich selbst neu ausrichten, organisieren und eine nachhaltige und gesunde Liga aufbauen. Die Pläne der Initiatoren gehen zu grossen Teilen in die richtige Richtung und sind für NLB-Fans unterstützenswert. Während es zwar schön wäre, dass endlich die ungeliebten Farmteams aus der NLB verschwinden und hoffentlich mit ambitionierten Vereinen aus tieferen Ligen ersetzt werden, bedeutet dies auf lange Sicht wohl aber auch das Ende aller Aufstiegsambitionen für die Traditionsvereine der NLB.

3. Ligazugehörigkeit: Auf- und Abstieg

Schlussendlich entscheidet dann also nur noch Geld über die Ligazugehörigkeit – eine absolute Frechheit gegenüber den Fans und insbesondere dem Sportsgeist. Auf- und Abstieg sind zentral für eine Liga, die langfristig spannend bleiben soll. Weshalb sollen denn Fans sonst noch ins Stadion gehen wenn ihr Team im Januar abgeschlagen auf dem letzten Platz liegt? Was zählt der Titel in der neuen NLB noch, wenn man nachher nicht aufsteigen kann?
Als Vergleich: Mit den Änderungen nähert sich die NLA strukturell stark der DEL an. Diese hat den Auf- und Abstieg nach 15 Jahren soeben wieder eingeführt, da das Projekt mit einer geschlossenen Liga offenbar nicht wie gewünscht funktioniert hatte.
Diese Änderungen entfremden die Fans vom Sport. Die NLA ist nicht die NHL, auch wenn gewisse Manager das offenbar gerne hätten. Es werden aktuell egoistische Entscheidungen am laufenden Band getroffen welche nur auf die Behebung der eigenen finanziellen Probleme abzielen.

Forderungen

• Es sollte für kein Geld der Welt möglich sein, sich in eine Liga einzukaufen! Dies gilt für die NLA, die NLB sowie
die MySports League. Aufstiege müssen lediglich durch sportlichen Erfolg möglich sein.
• Direkter Auf- und Abstieg, durchlässiges System von NLA bis MySports League
• Erleichterung des Aufstiegs bezüglich der infrastrukturiellen Anforderungen. Warum sollte ein Verein beispielsweise
eine Kapazität von 5‘000 Plätzen haben, um NLA spielen zu dürfen? Wir sind sicher, dass sich ein Grossteil der
Schweizer Eishockeyfans auf neue Stadien und über Abwechslung im Spielplan freut.


4. Einsetzung einer Fanvertretung bei Ligaversammlungen

Wir sind fest davon überzeugt, dass die geplanten Änderungen komplett an der Meinung einer überwiegenden Mehrheit der Schweizer Eishockeyfans vorbeigehen. Die Fans sind der wichtigste Bestandteil der Vereine. Ohne Fans kann kein Umsatz generiert und auch kein Sponsoring betrieben werden. Entsprechend sollten die Bedürfnisse der Fans bei der Strategieplanung im Vordergrund stehen oder zumindest eine prominente Rolle einnehmen.
Eine Fanvertretung bei Ligaversammlungen wäre unserer Meinung nach daher angebracht. Wie genau diese sich aufstellt und zum Einsatz kommt, ist noch nicht entschieden. Die Veränderungen im Schweizer Eishockey hängen direkt mit dieser Forderung zusammen. Deshalb muss abgewartet werden wie Ligaversammlungen zukünftig überhaupt gestaltet werden. Sobald mehr Klarheit herrscht werden die unten genannten Fanszenen dazu ein Strategiepapier erarbeiten und dies über dieselben Kanäle in den nächsten Wochen vorstellen.

Forderung

• Einsetzung einer Fanvertretung an den Ligaversammlungen

Diese, sowie die weiter oben angebrachten, Forderungen erachten wir als essentiell wichtig. Wir möchten die Liga und die Vereine darauf aufmerksam machen, dass auch in dieser speziellen Zeit eine Unterstützung der Fans (Spenden, Antrieb Saisonkartenverkauf, Verzicht auf Rückforderungen, etc.) geleistet wird. Gerne würden wir unsere Unterstützungen in jeglicher Form weiter fortsetzten, jedoch ist dies mit den geplanten Veränderungen unter Umständen nicht mehr durchsetzbar. Auch jeweilige Unterstützung in Zukunft wird von unserer Seite in Frage gestellt. Wir fordern alle Eishockeyfans dazu auf, sich uns anzuschliessen und unsere Werte und Vorstellungen einer attraktiven Eishockey-Schweiz zu vertreten.


Die Fanszenen im Schweizer Eishockey

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