Einmal mehr: Dino Kessler verzapft Mist

Hat dieser «Blick-Experte» schon mal ein Spiel der 1. Liga gesehen?

Es gibt Experten, die werden gehasst, weil sie den Nagel zu häufig auf den Kopf treffen. Sie sind zu unbequem! Doch es gibt auch «Experten», die nerven total, weil sie schlicht und ergreifend keine Ahnung haben. Die Boulevard-Zeitung «Blick» beschäftigt so einen.

Blog • • von Bruno Wüthrich

 

Blick 2 

Mit diesem Zitat zieht Kessler die tolle Arbeit, die auf der höchsten Amateurstufe im Schweizerischen Eishockey geleistet wird, in den Dreck.

 

Der HC Lugano gewann gegen den HC Sion-Nendaz 4 Vallées lediglich mit 5:2. Nix da mit 20:0. Nix da mit Fodue und Fendant vor dem Spiel. Lugano-Sportchef Roland Habisreutinger bestätigt gegenüber FANTIGER-online: «Meine Spieler waren bestimmt nicht besoffen oder angetrunken. Vielleicht waren sie aber nicht mit vollem Engagement dabei, wie manchmal in der Meisterschaft auch.» Ein Fondue sei vor dem Spiel auch nicht gegessen worden. Brisant dabei: Der «Blick» ist einer der Haupt-Förderer des zu neuem Leben erweckten «Swiss Ice Hockey Cups». Mit seiner Aussage (siehe Abbildung oben) zieht Dino Kessler, seines Zeichens Experte, und einige Zeit sogar «Chef Eishockey» dieser Tageszeitung, zumindest die erste Runde des Cups komplett ins Lächerliche. Es ist längst nicht das erste Mal, dass sich Kessler derart in die Nesseln setzt. Man erinnere sich an seine unqualifizierte Mitwirkung an der Kampagne gegen den damaligen Tigers-Geschäftsführer Wolfgang Schickli.

 

Man darf mich ruhig der Majestäts-Beleidigung bezichtigen. Denn der, um den es hier geht, gehörte einst zu den besten Verteidigern im Schweizerischen Eishockey. Er absolvierte in der NLA für Chur, Bern, Zug, Servette und Basel insgesamt 590 Spiele in der NLA, und realisierte dabei 79 Tore und 225 Assists (304 Punkte), und gewann mit dem EV Zug 1998 die NLA Meisterschaft. Auch in der Nationalmannschaft kam er zum Einsatz, spielte an A- und B-Weltmeisterschaften sowie 1992 an den Olympischen Spielen.

 

Doch wie fest «Experte» ist ein ehemaliger Spieler? Wer so lange im «Business» mit dabei war, weiss zweifellos viel darüber, und hat deshalb beste Voraussetzungen, ein Experte zu sein. Kessler hat während Jahren in vielen Teams miterlebt, was mannschaftsintern vor sich geht, er kennt verschiedene Coaches und weiss, wie unterschiedlich diese ticken, und er hat Kontakte zu vielen Verantwortlichen und Würdenträger seines Sportes. Doch um up to date zu sein, muss auch recherchieren, wer über beste Voraussetzungen verfügt. Das heisst, er sollte sich jeweils möglichst umfassend darüber informieren, welche Fakten relevant sind, damit er sich ein Urteil bilden kann. Denn der Vorteil des Experten ist es ja, einen Sachverhalt wirklich beurteilen und erklären zu können, sofern er die Fakten und Zusammenhänge kennt. Es ist unerlässlich, dass er sich diese beschafft. Im vorliegenden Fall hatte Kessler scheinbar keine Ahnung, wie gross die Differenzen zwischen der 1. Liga und der NLA sind. Sie sind gross, aber längst nicht so gross, wie Kessler meint. Er hatte sich zuvor kein Bild gemacht, bevor er seinen Stuss vom Stapel liess. Dies hätte er als Experte jedoch tun sollen. Doch er zog es vor, mit möglichst wenig Aufwand sein Expertentum zu zelebrieren. Dies ging gründlich in die Hose. Übrigens: Auch der beste Buchhalter kann eine geschickt gefälschte Bilanz nur erkennen, wenn er entweder Hintergründe kennt, oder aber Einsicht in die Belege hat.

 

Zudem: Kessler war zwar jahrelang Spieler. Doch er war nie Coach, nie Geschäftsführer, nie Sponsor oder sonst irgendetwas im Umfeld dieses Sports. Mit andern Worten: Er kennt das Business eben «nur» aus dem Blickwinkel des Spielers. Und so, wie er sich äussert, wie er den «Experten» spielt, liegt die Vermutung nahe, dass er sich für die andern Sichtweisen gar nicht interessiert. Diese sind aber relevant, wenn man Experte sein will. Denn wie inzwischen fast jeder Fan weiss, werden wesentliche Teile der Budgets durch Einnahmken generiert, für welche nicht die Spieler zuständig sind. Neben dem Eis findet bei jedem Eishockey-Unternehmen fast gleich viel statt wie auf dem Eis. Kessler interessiert sich offenbar, wie viele seiner heutigen Berufskollegen (den Sportjournalisten) lediglich für das NLA- und das Nationalmannschaftseishockey, nicht aber für die Ligen darunter. Und er interessiert sich nur für das Geschehen auf dem Eis. Es gibt Journalisten, die es als Strafe oder gar als «No go» empfinden, wenn sie von ihren Arbeitgebern zu Spielen der unteren Ligen geschickt werden. Doch wer sich nicht für die NLB oder die 1. Liga interessiert, ignoriert einen ganz wesentlichen Teil dieses Sports. Es sind deshalb fast nie die guten Journalisten, die sich nur beim Spitzensport tummeln. Davon zeugt die dümmliche Aussage Kesslers im Artikel der beiden instrumentalisierten Autoren Stephan Roth und Angelo Rocchinotti.

 

Blick 3 

Autor des Artikels war nicht Dino Kessler selbst, sondern die «instrumentalisierten» Stephan Roth und Angelo Rocchinotti

 

Das Zitat Kesslers entlarvt ihn als recherchefaulen Möchtegern-Kritiker, der sich weiterhin im Spitzeneishockey sonnen will, und der sich zu schade ist, sich umfassend zu informieren, nach der Wahrheit zu suchen oder die Spiele ausserhalb der NLA oder der Nationalmannschaft zu besuchen. Den Sachverstand (zumindest denjenigen als Spieler) macht ihm niemand streitig. Wenn er sich um alle Fakten bemüht, ist ihm ein sachverständiges Urteil zuzutrauen. Doch Kessler hat wohl seit längerer Zeit kein Spiel der 1. Liga mehr gesehen. Er hat wohl noch die 1. Liga-Teams der 1980er-Jahre im Kopf (wenn überhaupt), und hat komplett verschlafen, welche Entwicklung dieser Sport auf dieser Stufe gemacht hat.

 

Felix Bingesser ist Chefredaktor Sport beim Blick. Unverständlich, weshalb er Kessler nicht gelegentlich zu Zwecken der «Feldforschung» aus dem bequemen Bürosessel scheucht. Unverständlich, dass sich bei der früher in Sachen Eishockey einmal führenden Zeitung Blick niemand fragt, ob denn Substanz hat, was ihr «Experte» da zuweilen von sich gibt. Und ich frage mich, weshalb es bei einem der grössten Zeitungsverlage der Schweiz offenbar niemanden kümmert, weshalb die einst klare Führungsrolle in Sachen Berichterstattung über das Schweizer Eishockey verloren ging.

 

Herr Bingisser, Herr Lüchinger: Wann handeln Sie?