Nach dem Trainerwechsel

Jetzt liegt es an der Mannschaft

Wenn es stimmt, dass sich die Mannschaft vor Jahresfrist fast allein zum Aufstieg gecoacht hat, muss es nach dem Trainerwechsel möglich sein, dass sie sich auch fast von alleine zum Ligaerhalt coacht.

Blog • • von Bruno Wüthrich

Als vor noch nicht einmal einem Jahr der Vertrag mit Aufstiegscoach Bengt-Ake Gustafsson und seinem Assistent Peter Andersson nicht verlängert, und statt dessen Benoît Laporte als neuer Chefcoach installiert wurde, begründete man dies unter anderem damit, dass künftig das kanadische Element Einzug halten soll. Es ging das Gerücht, dass sich in der Saison 2014/15 die Mannschaft fast selbst zum Aufstieg gecoacht haben soll. Der neue Trainer sollte deshalb mehr Leadership mit sich bringen. Obwohl die Absetzung von Gustafsson/Andersson auf breites Unverständnis stiess, freute sich mancheiner insgeheim darauf, dass den Jungs jetzt jemand Feuer unter dem Hintern machen werde. Dass es einen brauche, der die Spieler bei Bedarf mit einem Tritt in den Allerwertesten antreibt, war in Langnau bereits in den 1960er-Jahren eine verbreitete Ansicht.

Offensichtlich liess Benoît Laporte den «Arschtritt-Pendel» allzusehr auf die andere Seite ausschlagen. Denn ob selbst zum Aufstieg gecoacht oder nicht: Offenbar hat das schwedische Führungsmodell in Langnau ganz gut funktioniert. Dass allerdings auch Laportes Ideen nicht schlecht funktionierten, war an der bisher überraschend guten Saison der SCL Tigers unschwer zu erkennen. Die Mannschaft befand sich zuletzt zwar in einer Krise, die den Anschein erweckte, ernsthafter Natur zu sein. Doch es war die erste. Zuvor wurden die Zuschauer in Langnau vewöhnt mit geilen Siegen und dramatischen Niederlagen, und waren deshalb bestens unterhalten. Zwischenzeitlich hatten die Langnauer zehn Punkte Vorsprung auf den prognostizierten letzten Rang. Nun droht zwei Runden vor Schluss der Klassierungsrunde der Fall auf eben diesen. Pech für Benoît Laporte? Pech für die SCL Tigers?

Hätte Laporte die Tiger ohne jede Krise durch die Saison und zum Ligaerhalt gecoacht, hätte Jörg Reber den Vertrag mit «seinem» Trainer verlängern müssen. Was wollen eine Klubführung und ein Sportchef mehr, als einen krisenresistenten Trainer? Doch eben: Die Krise kam für Laporte zum dümmst-möglichen Zeitpunkt. Die desolate Leistung der Mannschaft im Spiel in Ambri war dann der berühmte Tropfen zu viel in ein Fass, das zuletzt sehr schnell gefüllt war. So kurz vor den entscheidendsten Spielen der Saison kann keine Klubführung auf ein Aussitzen einer Krise setzen.

Hat Jörg Reber vor einem Jahr falsch gehandelt, als er Bengt-Ake Gustafsson und Peter Andersson in die Wüste schickte? Die Antwort kennen wir nicht und werden sie auch nie erfahren. Wir können auch nicht sagen, der Entscheid für Benoît Laporte sei falsch gewesen. Der Kanadier blieb länger im Amt als von den Experten prognostiziert. Dass ein Trainer seine erste Saison bei einem Klub nicht übersteht, ist keine Seltenheit. Dass der Schatten seines Vorgängers (Olympiasieger und Weltmeister als Coach, zweifacher Weltmeister als Spieler) etwas zu lang gewesen sein könnte, liess Laporte im Interview mit der Berner Zeitung nach seiner Entlassung durchschimmern. Möglich, dass Sportchef Jörg Reber diesem Umstand im Vorfeld zu wenig Gewicht einräumte.

Es bleibt zu hoffen, dass Reber mit der Installation des temporären «Notnagels» Scott Beattie eine glückliche Hand hatte. Viel kann der neue Coach nicht mehr ändern. Wie weit er der Mannschaft wieder das nötige Vertrauen in sich selbst einflössen kann, werden wir hoffentlich bereits morgen Abend im Spiel gegen den HC Lausanne erleben. Immerhin räumt Reber dem neuen Tiger-Trainer nebst der sportlichen auch viel soziale Kompetenz ein. Ein Sieg wäre Balsam auf die zuletzt geschundene Tigerseele. Ein Sieg könnte bei einer gleichzeitigen Niederlage Biels in Ambri zudem das Heimrecht in der Playout-Finalserie sichern.

Wenn es stimmt, dass sich vor Jahresfrist die Mannschaft fast selbst zum Aufstieg gecoacht hat, dann müsste es möglich sein, dass sie sich jetzt, wo der ungeliebte «harte Hund» Laporte weg ist, mit etwas psychologischer Hilfe von Scott Beattie und Jörg Reber, fast von selbst zum erfolgreichen Ligaerhalt coacht.

Klar wurde jedoch auch, dass man von der Vorstellung wegkommen muss, dass ein Coach Erfolg hat, wenn er nur hart genug ist. Es gibt zwei Hauptanforderungen. Ein Coach muss kompetent sein und zur Mannschaft passen. Ist eine dieser beiden Anforderungen nicht erfüllt, wird er scheitern.

Eine Zusatzbemerkung: Wäre Bengt-Ake Gustafsson nach einer Phase der Erfolglosigkeit gefeuert worden, hätte Benoît Laporte als sein Nachfolger ungeachtet des Stilwandels die weitaus grössere Chance gehabt, in Langnau zu reussieren. Aber der «grosse» Gustafsson war in Langnau trotz des Aufstiegs nicht gut genug. Wie soll da der «kleine» Benoît, der noch nie einen grossen Titel gewonnen hat, und zudem einen komplett gegenteiligen Führungsstil pflegt, bei der Mannschaft, deren Umfeld und bei den Fans bestehen? Mission impossible!

Diesen Umstand nicht erkannt zu haben, muss sich die Führung der SCL Tigers vorwerfen lassen.