Transfers und Potential der SCL Tigers

Muss Sportchef Jörg Reber noch handeln?

Ein Ausländer muss noch her. Dies ist bekannt. Doch reicht dies bereits, dass die SCL Tigers die Spielzeit 2016/17 schadlos überstehen? So richtig viel stärker als letzte Saison scheinen die Tiger nicht. Direkte Konkurrenten haben mehr aufgerüstet.

Blog • • von Bruno Wüthrich

Es schleckt keine Geiss weg: Gesamthaft gesehen war die letzte Saison wirklich geil. Tolle Spiele, viele Emotionen, den Ligaerhalt mit etwas Glück aus eigener Kraft geschafft, die Ilfishalle meistens ausverkauft, oder wenn nicht, so doch gut gefüllt, zudem die SCL Tigers mit einem bombastischen finanziellen Ergebnis. Alles ist gut. Alles ist bestens. Den Tigern kann nichts mehr passieren.

Die SCL Tigers der Vergangenheit sind vergleichbar mit einem Autofahrer, der mit schwachem Motor eine steile Passstrasse hoch fährt, und der nie weiss, ob der Sprit oder die Tauglichkeit des Gefährts reichen wird, um oben anzukommen. Auf dem mühsamen und beschwerlichen Weg ist das Überholen von anderen Fahrzeugen schier unmöglich.

Jetzt sind die SCL Tigers aber auf die Autobahn eingebogen. Das Überholen wäre jetzt möglich. Doch sie haben den Tempomat eingeschaltet und fahren mit 90 km/h auf der Normalspur. Das Gaspedal wird nicht gedrückt, obwohl 120 km/h erlaubt sind, und Bussen erst ab ca. 126 km/h verteilt würden. Die Gefahr, auf der Autobahn überholt zu werden, ist deshalb beträchtlich. Die Möglichkeit, so andere zu überholen, dagegen minimal. Und die nächste Ausfahrt kommt bestimmt. Muss Jörg Reber handeln, damit die SCL Tigers die nächste Ausfahrt nicht nehmen müssen?

Verabschiedung vom Ausbildungsklub?

Für all jene, die meinen, ein guter, hoffnungsvoller Elite A – Junior bräuchte nur eine Chance, und schon wäre er ein NLA-Spieler, ein kleiner Vergleich: Vor Beginn der Saison 2010/11 spielte der amtierende Elite A – Schweizermeister HC Davos ein Freundschaftsspiel beim späteren Amateur-Schweizermeister Huttwil Falcons. Also ein Elite A – Spitzenteam gegen ein 1. Liga Spitzenteam. Logisch, dass die Junioren motiviert waren bis in die Fingerspitzen. Doch sie hatten keine Chance und verloren mit 0:5. Wären die Huttwiler effizienter gewesen, hätte das Ergebnis noch deutlich höher ausfallen können. Daraus ist ersichtlich, dass die Differenz zwischen Elite A und NLA beträchtlich ist, und der Weg bis zur NLA-Reife, sofern das Talent überhaupt so weit reicht, oft über die NLB gehen muss. Es gibt eben nicht so viele Simon Moser oder Reto von Arx.

Doch wer sind eigentlich die besten Ausbildungsklubs in der NLA? Wo schaffen die meisten jungen Spieler den Sprung in die oberste Spielklasse? Sicher nicht in Ambri! Sicher nicht in Biel! Und sicher auch nicht in Langnau! Weil es sich nämlich diese Teams im Kampf um die Playoffs oder um den Ligaerhalt gar nicht leisten können, junge Spieler einzusetzen. Das kann sich nur leisten, wer ein wirklich starkes Kader hat. Zum Beispiel die ZSC Lions, der SC Bern oder der HC Davos. Diese Vereine können es sich wegen ihres beträchtlichen spielerischen Potentials problemlos leisten, junge Spieler einzusetzen, und trotzdem genügend oft zu gewinnen. Wenn jedoch Mannschaften, die nur durchschnittlich besetzt sind, ihre Plätze an junge, noch unfertige Spieler vergeben, gewinnen sie zu wenig oft. Die Playouts sind dann garantiert, und wenn die mentale Verfassung der Mannschaften nach all den Niederlagen nicht mehr stimmt, droht der Abstieg.

Haben sich, - wie es den Anschein macht, - die SCL Tigers dafür entschieden, ihr Team nur unwesentlich zu verstärken? Wenn ja, hätten Junioren in Langnau schlechte Karten.

Wie stark ist die Mannschaft wirklich?

Um es vorweg zu nehmen: Die SCL Tigers haben gute Transfers getätigt. Pascal Berger und Flurin Randegger (beide vom Meister SCB) können wahrlich keine Flops sein. Raphael Kuonen kennen wir in Langnau bereits. Er brauchte eine Weile, um in der NLA anzukommen, suchte sich jedoch nach seinem Abgang aus dem Emmental (aus der NLB) wohl den falschen Klub aus (Lugano). Er hat jedoch in Rapperswil nochmals einen Entwicklungsschritt getan. Auch Yannick Blaser, Roland Gerber und Philippe Seydoux können durchaus Verstärkungen sein.

Doch eben: Es gehen ja auch Spieler weg. Und die muss man beim Vergleich alte Mannschaft vs. neue Mannschaft ebenfalls in Betracht ziehen. Und da stechen halt vor allem die Abgänge von Kévin Hacquefeuille, von Anton Gustafsson und von Tobias Bucher ins Auge. Mit Kevin Clark muss wohl auch der zweitbeste Tigers-Skorer das Emmental verlassen. Doch Clark ist eben «nur» ein Skorer, und seine Skorerwerte reichten eben nur in Langnau zu einem Spitzenplatz. Andererseits waren seine Zweikampfwerte schwach, offensichtlich ist dies der Grund, weshalb Sportchef Jörg Reber nicht mehr auf ihn setzen will. Doch auch Clarks Skorerwerte müssen erst einmal ersetzt werden. Ob Rob Schremp für entscheidende Akzente sorgen kann, wird sich weisen müssen. Bei den Portland Pirates in der AHL skorte der Amerikaner in 75 Partien 42 Mal (21 Tore, 21 Assists), was einen Wert von 0,56 Skorerpunkte pro Spiel ergibt.

Die Frage bleibt: sind die SCL Tigers nun stärker oder schwächer als letzte Saison. Vergleichen wir nur das Potential der letztjährigen Mannschaft mit derjenigen der kommenden Saison, und gehen davon aus, dass noch ein guter bis sehr guter vierter Ausländer kommen wird, so ist die Mannschaft der kommenden Saison sicher etwas stärker.

Aber wir können auch noch einen andern Vergleich starten: Vergleichen wir nämlich die Transferbilanzen unserer direkten Konkurrenten, so sieht es etwas anders aus. Der EHC Biel dürfte entscheidende Schritte nach vorne gemacht haben. Mit Jonas Hiller ist ein Toptransfer gelungen. Findet der Torhüter zu seiner alten Stärke zurück, könnte er die Seeländer weit nach vorne hexen. Im Kampf gegen den letzten Tabellenplatz wird neu Ambri, das mit Inti Pestoni seinen mit Abstand stärksten Schweizer Spieler verliert, der Gegner der SCL Tigers sein.

Sollen die SCL Tigers Daniel Steiner und Peter Guggisberg holen?

Im Umfeld der SCL Tigers hat man immer wieder Mühe mit Spielern, welche die Nachwuchsabteilungen in Langnau durchliefen, und später die Gegner verstärkten. Sie werden von vielen als «Verräter» gesehen. Die Gebrüder von Arx können davon ein Liedchen singen. Daniel Steiner und Peter Guggisberg sind auch solche Reizfiguren.

Doch mit Verlaub: Dies ist natürlich völliger Blödsinn. Denn erstens ist Eishockeyspieler heute ein Beruf, und jeder kann – wie in jedem Beruf üblich – seine Stelle wechseln, so oft er will. Ein Schreiner oder ein Bankkaufmann gilt auch nicht als «Verräter», nur weil er die Stelle wechselt. Zudem haben die Wechsel von Steiner und Guggisberg ihre eigenen Geschichten.

Wenn einer mit 19 Jahren, wie 2004 Peter Guggisberg, zu einem Titelkandidaten wie dem HC Davos wechseln kann, ja, wenn einem jungen Spieler derart viel Honig um den Mund geschmiert wird, wenn er quasi jeden Tag bearbeitet wird, so möchte ich denjenigen sehen, der diesen Avancen widerstanden hätte. 99 Prozent von all jenen, die heute Verräter schreien, hätten unter ähnlichen Voraussetzungen ebenfalls gewechselt. Der Wechsel hat den SCL Tigers zudem 375'000 Franken in die Kassen gespühlt. Die Ausbildungskosten sind damit mehr als nur bezahlt.

Bei Daniel Steiner liegt der Fall insofern anders, als dass «Dänu» in Langnau seine Karriere neu lancierte, und das Emmental danach wieder verliess. Doch er hat in Langnau nie enttäuscht. In der bisher einzigen NLA-Playoff-Saison der SCL Tigers war Steiner einer der wesentlichen Faktoren. Doch «Sportchef» Ruedi Zesiger, - in Sachen Eishockey (als Sport auf dem Eis) ein Ahnungsloser, - wusste seine Qualitäten nicht zu würdigen, und engagierte zu völlig überrissenen Konditionen Robin Leblanc. Für «Dänu», der damals zu äusserst günstigen Konditionen in Langnau spielte und deshalb ein schon fast sensationelles Preis-Leistungs – Verhältnis bot, lag nach der Verpflichtung Leblancs die verdiente Lohnaufbesserung nicht mehr drin. Zu würdigen wusste man seine Leistung dafür in Lugano, wo Geld seit jeher in Hülle und Fülle vorhanden ist. Auch hier: Unter ähnlichen Voraussetzungen hätten 99 Prozent der Verräter-Rufer ebenfalls gewechselt. Mit Geld kann man nicht nur bezahlen, sondern auch seine Wertschätzung ausdrücken. Im Fall von Steiner haben Zesiger & Co eben dessen Wert für die Mannschaft nicht richtig eingeschätzt. Der Bock liegt bei der damaligen Geschäftsführung in Langnau und bestimmt nicht bei Steiner.

Ergo stellt sich die Frage, ob es sich die SCL Tigers in der aktuellen Situation leisten können, Daniel Steiner und Peter Guggisberg nicht zu holen, wenn diese zu vernünftigen Konditionen zu haben wären. Steiner skorte in der letzten Saison in 56 Spielen 27 Mal (17 Tore, 10 Assists), was einem Wert pro Siel von 0.48 entspricht. Oder anders ausgedrückt. Steiner skorte in jedem zweiten Spiel. Bei Peter Guggisberg, der leider etwas verletzungsanfällig ist, sind es in 42 Spielen 21 Punkte (9 Tore, 12 Assists). Auch er buchte in jedem zweiten Spiel einen Punkt.

Ein Bisschen mehr Potential könnten die Langnauer schon noch vertragen. Denn im Vergleich zu den direkten Konkurrenten um die letzten Playoff-Plätze haben die Tiger den entscheidenden Schritt noch nicht gemacht.