Er spricht von Skandal:

Oskar regt sich über Lausanne auf

Der HC Lausanne zieht wegen des Stadion-Neubaus für zwei Jahre in ein Provisorium. Dort soll kein Sektor für Auswärtsfans zur Verfügung stehen. Darüber hat sich Oskar fürchterlich aufgeregt.

Blog • • von Bruno Wüthrich

«Hast du das gesehen?» Oskars Stimme überschlug sich fast am Telefon. Mir schwante natürlich schon Böses, als ich seine Nummer erkannte auf meinem Apparat. In letzter Zeit ruft mich der Kerl immer nur an, wenn etwas nicht in Ordnung ist. «Grüssen ist ein Luxus, gell», schnarre ich zurück. «Was soll ich denn gesehen haben?» Oskar lässt sich weder stoppen noch belehren: «Keine Zeit für Sentimentalitäten. Willst du mir etwas verklickern, dass du es nicht gesehen hast?» Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach und sagte ihm dies auch. «Das ist ein Skandal, was bist du denn für einer», faucht er mich an. «Es ist deine Aufgabe, darüber Bescheid zu wissen.» Ich ging in Gedanken die Meldungen der letzten paar Tage durch, welche die SCL Tigers betroffen haben. Meint Oskar etwa die Trennung der Tiger von Rob Schremp. Doch darüber hatte ich ja geschrieben. Das konnte nicht sein. Daneben kommt mir nur noch das tausendste NLA-Spiel von Sven Lindemann in den Sinn. Auch das hatte ich nicht vergessen. Er ist Thema in der Presseschau, ausserdem steht das Spiel ja erst bevor. «Sag mir jetzt, was du meinst. Von selbst komm ich da jetzt nicht drauf», forderte ich Oskar auf. Und der legt jetzt richtig los. «Ab sofort sind es zwei Skandale: 1.) Der HC Lausanne lässt keine Gäste-Fans mehr in seine Halle. 2.) Der Schreiberling der SCL Tigers – Fans hat keinen Schimmer davon. Kein Wunder, geht die Fankultur immer mehr baden, wenn deren Anführer von nichts ne Ahnung haben.»

«Ach so», bin ich nun einigermassen beruhigt. «Das habe ich gelesen.» «Das hast du gelesen? Das hast du gelesen?» Oskar wiederholte sich. «Und was bedeutet das nun für dich?» Zugegeben, Freude hatte ich natürlich nicht, als ich die Meldung zur Kenntnis nahm. Der Fanclub SCL Tigers fährt ja seit Jahren an jedes Auswärtsspiel der Tiger, und es würde fast einem Bruch mit der Tradition gleich kommen, wenn wir Lausanne künftig auslassen müssten. Auch wenn es nur für zwei Jahre sein würde. «Nun ja, das ist doch nicht sooo schlimm», versuche ich Oskar zu beruhigen. «Und überhaupt: Das kann noch gar nicht definitiv sein. Da wird schon noch die eine oder andere Fan-Organisation vorstellig werden.»

«Weshalb wirst du nicht vorstellig?», fährt mich Oskar an. «Das wäre doch deine Aufgabe», belehrt er mich. «Wieso soll das ausgerechnet meine Aufgabe sein? Ich habe doch mit diesem Entscheid überhaupt nichts zu tun», entgegne ich. «Und ausserdem: wann warst das letzte Mal an einem Auswärtsspiel? Würdest du jeweils mitreisen, müsste sich doch jemand an dich erinnern.» Jetzt hatte ich ihn, dachte ich. Doch da hatte ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht. «Und ob du etwas damit zu tun hast. Es sind deine Leute, die davon betroffen sind. Die haben dich dafür gewählt, dass du etwas gegen solche Entscheide unternimmst. Ob ich jeweils mitreise, wann und wie oft, tut doch hier nichts zur Sache. Es geht doch darum, dass du doch diesen Skandal nicht zulassen kannst.» Oskars Redeschwall war fast nicht zu stoppen. «Was ist denn so skandalös an diesem Entscheid?», frage ich ihn. «Der HC Lausanne zieht lediglich für zwei Jahre in ein Provisorium, wo es weniger Platz für die Zuschauer zur Verfügung haben wird. Ergo wird der Gästesektor gestrichen. Was ist denn schon dabei?» Ich gab mich betont cool, doch Oskar liess sich nicht beirren.

«Der Skandal ist, dass auch im Provisorium 6'700 Plätze zur Verfügung stehen werden. Dies sind 700 mehr als in Langnau. Aber für Gästefans soll es keinen Platz haben?», ereifert sich der Enterich. «Das kannst du mit Langnau nicht vergleichen», kontere ich. «Lausanne ist etwas weit vom Geschütz. Wenn da nicht gerade Genf oder Fribourg spielen, ist doch der Gästesektor fast leer. Da verkaufen sie doch die Plätze besser gleich an die Einheimischen. Da sind ihnen die Einnahmen sicherer. Ausserdem spart der LHC noch jede Menge Sicherheitskosten, wenn keine Auswärtsfans kommen.» Was mir wie ein gutes Argument vorkam, erwies sich allerdings als Bumerang:

«Genau das ist es doch», empörte sich Oskar. «Dass auch Auswärtsfans an den Spielen sind, gehört zur Schweizer Hockeykultur. Und die Lausanner wollen jetzt einfach die Sicherheitskosten sparen. Was machen die mit dem gesparten Geld? Stecken sie das in einen zusätzlichen Ausländer. Das ist doch Wettbewerbsverfälschung. Und was ist, wenn das die anderen Hockey-Organisationen plötzlich auch gut finden und die Gästesektore einfach abschaffen, um Sicherheitskosten zu sparen?» So hatte ich das noch nicht gesehen, war jedoch trotzdem nicht gleicher Meinung. «Nein, Oskar, das ist freier Markt. Jeder kann auf dem freien Markt sein Angebot so gestalten, wie er will. Ergo kann der LHC auf Auswärtsfans verzichten, wenn er das möchte.»

Oskar schnappte nach Luft. Es war bisher der Ente noch kaum je unter gekommen, dass ich die besseren Argumente hatte. «Und das nimmst du einfach so hin?», fragte er, am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Und das soll ein Vertreter der Fans sein?»

«Also in Lausanne kann ich nichts machen», entgegne ich. Aber wir könnten ja den anderen Hockey-Organisationen der NLA oder zumindes den Fanclubs den Tipp geben, bei Heimspielen ihre Gästesektoren für die Fans des HCL ebenfalls zu schliessen. Meines Wissens reisen jeweils ziemlich viele Lausanne-Fans an die Auswärtsspiele ihres Vereins. Ich könnte mir vorstellen, dass eine solche Massnahme bei den LHC-Fans nicht gut ankäme und es in Lausanne eventuell sogar zu einem Fan-Aufstand kommen würde, wenn die plötzlich bei keinem einzigen Auswärtsspiel ihres Klubs in ein Stadion eingelassen würden.»

Zu meiner Überraschung hatte Oskar mir zunehmend andächtig zugehört. Das hatte ich noch gar nie erlebt. «Du meinst, das könnte klappen?», fragte er nachdenklich. «Könnte das tatsächlich klappen?»

«Das weiss ich nicht. Aber möglich wäre es schon. Vor allem würde man in Lausanne sehen, dass solche Massnahmen anderswo nicht gut ankommen. Einen Versuch wäre es jedenfalls wert.»

«Wirst du etwas unternehmen?», fragte mich Oskar hoffnungsfroh. «Na ja», entgegnete ich, «ich werde zumindest unser Gespräch wieder schriftlich festhalten. Vielleicht liest es ja jemand, der etwas zu sagen hat, und der die Sache ähnlich sieht wie wir beide. Und vielleicht wird derjenige dann bei den andern Fan-Organisationen vorstellig. Die sind ja alle ebenfalls betroffen. Und wenn alle am gleichen Strick ziehen, müsste dies eigentlich reichen.»

Oskar wirkte nun plötzlich ganz aufgeräumt. «Danke, Bruno, du bist halt doch der Beste.» Soso, denke ich, wohl wissend, dass solche Gefühlsausbrüche bei Oskar nie lange anhalten. Wenn es hoch kommt, fünf Minuten.