Er nervt und nervt und nervt:

Oskar versteht den Verzicht auf Devos und Hazen nicht

Oskar, wer kennt ihn nicht – den grossmäuligen, nervigen Enterich ohne jeden Sachverstand. Immer wieder muss er seinen Schnabel in jede Angelegenheit stecken. Diesmal mokiert er sich darüber, dass die SCL Tigers auf die Verpflichtung der beiden Ajoie-Kanadier verzichten. Es lohnt sich nicht, weiter zu lesen.

Blog • • von Bruno Wüthrich

Liebe Leserin, lieber Leser, Du fragst dich sicher, weshalb ich diese langweiligen Gespräche mit Oskar immer wieder protokolliere. Das macht doch keinen Sinn. Und glaube mir, ich frage mich dies jeweils auch. Aber irgendwie kann ich nicht anders. Und ein bisschen Komik ist ja jeweils schon dabei, wenn das Schnabeltier anruft. Denn es hat doch durchaus seine lustige Seite, wenn es «Experten» ohne Sachverstand besser wissen wollen als die Profis.

Langer Rede kurzer Sinn – vor einigen Tagen klingelte wieder mal mein Handy. Es ist Corona-Zeit. Wir wissen es alle: Isolation, Abschottung, Langeweile. Natürlich sehe ich auf dem Display, dass es Oskar ist. Trotzdem zögere ich nicht lange und nehme ab.

«Hast du die Berner Zeitung gelesen?», schnarrt Oskar grusslos in den Apparat.

«Weshalb sollte ich?»

«Die Zeitung will wissen, dass die SCL Tigers die beiden Ajoie-Kanadier nicht verpflichten wollen.»

«Ja gut», antworte ich. «Das war ja zu vermuten.» Tatsächlich hatte ich nichts anderes erwartet.

«Wie das war zu vermuten? Geht’s noch? Das war doch eine einmalige Gelegenheit.» Oskar bemüht sich um einen sachlichen Ton. Aber er kann mich nicht täuschen. Es ist etwas im Busch. Schliesslich ist Oskar einer der grössten Tigers-Fans. Deshalb wird er unter Freunden auch schon mal «die Tigerente» genannt.

«Das sagst du», antworte ich. «Das hat man bei den SCL Tigers wohl anders gesehen. Es gilt jetzt in erster Linie, Geld zu sparen.»

«Ja, aber das regt mich auf. Mit diesem Entscheid wird doch kein Geld gespart», ereifert sich Oskar.

Abgeklärt, wie ich bin, antworte ich: «Doch, damit wird Geld gespart. Allein schon durch die Tatsache, dass jetzt – zu diesem Zeitpunkt – keine neuen Spieler verpflichtet werden, für die man Löhne bezahlen muss, wird doch Geld gespart. Das muss selbst einem Enterich einleuchten.»

«Papperlapapp», spottet das Federvieh. «Du hast schon immer zu denjenigen gehört, die nur kurzfristig denken können. Du musst nicht nur an die nächsten ein oder zwei Monate denken. Wie sieht es aus, wenn du bis Ende der kommenden Saison denkst? Hä? Sag!»

«Eehhmmm…» - weiter komme ich nicht.

«Zudem hätte man ja die Verträge so abfassen können, dass sie nicht sofort, sondern zum Beispiel erst Anfang Juli zu laufen beginnen. So etwas muss doch möglich sein.»

«So etwas ist immer möglich», halte ich dagegen. «Aber da müssen beide Parteien einverstanden sein. Weisst du denn, was die Spieler und deren Agenten wollten?»

«Nein, das weiss ich nicht», gibt die Ente zu. Aber ich weiss, dass die National League für die beiden eine grosse Chance wäre, und dass es in dieser Saison, wo es keinen Absteiger geben wird, auch für die SCL Tigers eine grosse Chance gewesen wäre, die Beiden ohne grosses Risiko zu verpflichten.»

Sie ist eben halt schon dumm, unsere Ente. Naiv, wie Oskar ist, läuft er mir in die Falle, ohne dass ich ihm eine gestellt habe: «Du gibst also zu, dass es ein Risiko gewesen wäre?»

«Es wäre kein Risiko gewesen.»

«Du hast gerade selbst gesagt, ohne grosses Risiko. Also ist es doch ein Risiko», nagle ich ihn fest.

Oskar windet sich. «Ja, aber nur ein kleines. Alles, was wir tun, birgt immer ein Risiko. Selbst wenn wir uns abends schlafen legen, gehen wir ein kleines Restrisiko ein, dass wir am Morgen nicht mehr aufwachen…»

«Du willst mir doch jetzt nicht mit solchem Unsinn kommen», kontere ich. «Du hast zugegeben, dass es ein Risiko ist, und ich sage dir, dass es für die SCL Tigers derzeit nicht der Zeitpunkt ist, Risiken einzugehen.»

«Du hast ja die beiden Ajoie-Kanadier in deinem Blog selbst gefordert», hält mir der komische Vogel vor.

«Ja, aber der Pesche Müller hat mir dann erklärt, was derzeit Sache ist. Und der Pesche ist immerhin der Geschäftsführer der SCL Tigers», stelle ich die Dinge richtig.

«Du bist so ein richtiger Fanclub-Präsident. Einer, wie er im Buche steht.» Höre ich da Spott in Oskars Gekrächze?

«Was meinst du jetzt mit typischer Fanclub-Präsident?»

«Wie so ein Fanclub-Fritze eben. Wie die halt so sind. Nicht nur in Langnau, sondern in der ganzen Schweiz. Vermutlich sogar weltweit.»

«Wie sind wir denn?», frage ich. Wohlwissend, dass sich Oskar gerade keine Freunde machen wird.

«Auf der Tribüne, in den sozialen Medien, in den Beizen etc., - oder du in deinem Blog – da könnt ihr motzen und geifern, dass das Zeug hält. Aber nimmt euch mal eine Führungsperson des Klubs, von dem ihr Fan seid, zur Brust, steht ihr stramm wie ein Parteisoldat der SVP vor Christoph Blocher und bringt keinen Ton mehr über die Lippen.»

«A – Also…», stottere ich. Ich bin komplett überrumpelt.

«Ist doch wahr», wettert Oskar weiter. «Dann fehlen euch plötzlich die Argumente, euer Verstand setzt aus und ihr glaubt einfach alles, was man euch sagt.»

«So kann man das nicht sagen.» Mittlerweile habe ich mich etwas gefangen. «Aber wir sind schliesslich keine sturen Menschen. Deshalb sind wir guten Argumenten gegenüber offen. Man muss doch noch etwas lernen dürfen», nehme ich mich selbst und damit alle Fans in Schutz.

«Lernen nennst du das?», Oskar wechselt tonfallmässig vom Wettern in den Spott. «Lernen? Guten Argumenten gegenüber offen sein? Dass ich nicht lache. Weisst du was? Du bist ein Schönredner. Noch nie hat einer derart positiv formuliert, dass er nicht denken kann. Lernen! - Argumente! - Der Brüller!»

«Etwas mehr Sachlichkeit, bitte», fordere ich, nun etwas pikiert. Ich bin mir ja von diesem Vieh, das mir derzeit im Schmortopf besser gefallen würde, einiges gewohnt. Manchmal lotet Oskar meine Grenzen schon arg aus. «Wir waren beim Risiko», versuche ich, das Gespräch wieder in etwas geordnetere Bahnen zu lenken.

«Jaja». Oskar ist von seinem Redeschwall von vorhin noch etwas ausser Atem.

«Weshalb hätten denn die SCL Tigers deiner Meinung nach das Risiko eingehen sollen?» Eine Frage zum richtigen Zeitpunkt ist immer gut.

«Es wäre kein Risiko gewesen, zumindest keines, das man nicht hätte eingehen können», beharrt mein Gesprächspartner auf seiner Meinung.

«Aber was hätte es gebracht?», frage ich weiter. Wohlwissend, dass derjenige, der die Fragen stellt, das Gespräch im Griff hat.

«Man muss doch an die ganze Saison denken», fängt das Schnattertier zu erklären an. «Die Tiger-Fans wären nach deren sensationellen Leistungen im Cup so richtig giggerig auf Devos und Hazen gewesen. Die Beiden sind jetzt bekannt in der Schweiz. Mit ihnen hätte man Werbung machen können für den Verkauf von Saisonabonnementen. Ihre Leibchen hätten sich gut verkauft. Ich bin sicher, einen schönen Teil von deren vergleichsweise niedrigen Lohn- und Lohnnebenkosten hätte man direkt oder indirekt recht rasch wieder eingespielt.»

«Aber das kann man doch immer noch. Es können ja trotzdem noch gute Ausländer verpflichtet werden», halte ich entgegen.

«Ja, aber mit einer geschickten Strategie hätten sich Devos/Hazen besser vermarkten lassen als andere, namenlose Ausländer der gleichen Preisklasse. Da wurde einfach eine Chance verpasst.»

Ich freue mich, dass die Diskussion inzwischen auf einer einigermassen sachlicher Ebene angelangt ist. «Seien wir doch froh, dass die Führung der SCL Tigers an ihrer eingeschlagenen Strategie der Vorsicht und der Vernunft festhält. Bisher sind wir doch damit gut gefahren», wende ich ein.

«Das stimmt so nicht. Wir – das heisst die SCL Tigers – sind damit nicht immer nur gut gefahren. Mit dieser Strategie sind wir 2013 abgestiegen. Trotzdem habe ich nichts gegen eine defensive Strategie. Das ist für mich schon in Ordnung so», erklärt Oskar. «Aber es regt mich auf, wenn eine ohnehin schon defensive Strategie noch zusätzlich defensiv ausgelegt wird.»

Mir leuchtet dieser Satz nicht ein. Deshalb frage ich nach: «Wie kann man eine defensive Strategie anders auslegen als defensiv?»

«Das Gegenteil von defensiv ist offensiv», erklärt die Ente. Bereits ist wieder ein Unterton in seiner kratzenden Stimme, der mir nicht gefällt.

«Das weiss ich selbst», werfe ich ärgerlich ein. «Aber wir reden von defensiver Strategie.»

«Eben», fährt die Ente fort. Eine defensive Strategie kann man auch offensiv auslegen. Ich erkläre es dir gerne. Wenn du den Oskar nicht hättest…» (seufzt tief)

«Hör auf mit dem Gesäusel und sage mir, was du meinst», fordere ich ihn auf.

«Also,» beginnt die zukünftige Grillente, «eine offensive Strategie wäre, wenn die SCL Tigers nun in wirklich bestandene Ausländer investieren würde, deren NLA-Tauglichkeit nicht nur erwiesen wäre, sondern die ganz bestimmt eine dominante Rolle in unserer Liga einnehmen würden und entsprechend teuer wären. Du bist mit mir einig, dass dies nicht gut kommen würde?»

«Ja, da bin ich mit dir einig», bestätige ich.

«Derzeit ist man in Langnau aber nur am abwarten. Weil die finanziellen Mittel knapp sind und die Corona-Krise vieles in Frage stellt, werden derzeit keine Entscheide getroffen. Zudem hat der neue Sportchef gerade erst seine Arbeit aufgenommen und es ist noch kein Headcoach engagiert. Dieses Abwarten, dieses Nicht-Entscheiden, dieses Verstreichenlassen von Fristen, dieser Verzicht auf die Ajoie-Kanadier, das nenne ich eine defensive Strategie noch zusätzlich defensiv interpretiert.»

«Ok, das habe ich verstanden. Mir dämmert langsam, was du meinst…»

«Da es sich bei Devos und Hazen um zwei wahrscheinlich sehr günstige Ausländer mit Potential und inzwischen einiger Bekanntheit handelt, würde ich die Verpflichtung der beiden als eine defensive Strategie bezeichen, die offensiv interpretiert wird. Unter dem Strich wäre die Verpflichtung der Beiden zum jetzigen Zeitpunkt möglicherweise günstiger, als das spätere Engagement von anderen Ausländern mit ähnlichem Potential.»

«Aber die Kosten…» weiter komme ich nicht.

«Ach die Kosten, die Kosten. Immer die Kosten. Meinst du, ein Eishockeyunternehmen wie die SCL Tigers kommt ohne diese Kosten durch die Saison. Diese Kosten entstehen sowieso.»

«Aber die Situation ist doch äusserst heikel», gebe ich zu bedenken. Es drohen Rückgänge bei den Einnahmen auf allen Ebenen. Bei den Sponsoren, bei den Zuschauern, beim Catering, beim Merchandising, überall. Da musst du einfach bei den Kosten sparen. Das ist alternativlos!

«Chutzemischt!», gibt sich Oskar unbeeindruckt. «Alternativlos ist rein garn nichts. Noch nie war etwas alternativlos. Das ist eine dümmliche Aussage von dümmlichen Politikern, die vom noch dümmlicheren Teil des Volkes jeweils geglaubt wird». (Die Ente macht sich wirklich gerade gar nicht beliebt. Aber da ist Oskar selber schuld. Ich gebe nur wieder, was er gesagt hat. Er ist übrigens weder stimm- noch wahlberechtigt. Zum Glück! Aber dies nur nebenbei.)

«Was wäre denn deine Alternative?», frage ich deshalb.

«Bisher gelang es den Verantwortlichen nicht, bei den Fans Hoffnungen auf die neue Saison zu schüren», gibt der Besserwisser zu bedenken. «Der Erfolgstrainer ist weg, mit Harri Pesonen ist nur ein spielfähiger Ausländer an Bord, es wurden keine Transfers mit Substanz getätigt, der Playoff-Torhüter spielt neu in Ambri – wie will man unter diesen Voraussetzungen Saisonabonnemente verkaufen?»

«Also sooo schlecht ist die Mannschaft dann auch wieder nicht. Und immerhin gibt es ja in der kommenden Saison keinen Absteiger», gebe ich zu bedenken.

«Ja, aus rein sportlicher Sicht kann nichts passieren», gibt mir die Ente recht. «Aber wenn es keinen Absteiger gibt, und wenn die Playoffs früh verpasst werden und zudem vor der Saison nur wenige Saisonabis verkauft worden sind, dann drohen ab Saisonmitte Spiele mit fast keinen Zuschauern. Ohne Abstieg droht am Tabellenende gähnende Langeweile.»

«Umso mehr müssen die SCL Tigers doch sparen. Ist doch logisch.» An diesem Einwand kommen wir einfach nicht vorbei. Da bin ich mir sicher.

Nicht so Oskar: Ich weiss, dass die Mittel durch die Krise ohnehin schon arg geschrumpft sind», erklärt der Gefiederte. Aber wenn man den Fans und den Sponsoren bereits so früh, also bereits vor der Saison, die Hoffnung auf Erfolg nimmt, und wenn dann wegen des fehlenden Abstiegs während der Spielzeit am Tabellenende noch die Spannung fehlt, dann werden die gesparten Kosten durch die zusätzlich entgangenen Einnahmen mehr als nur aufgefressen. Zumindest hätte man der fehlenden Hoffnung mit dem Engagement von Devos und Hazen bereits früh etwas entgegensetzen können. Den Verkauf von Saisonabonnementen und das Merchandising hätte diese Verpflichtung auf jeden Fall angekurbelt.»

«Aber die SCL Tigers können immer noch investieren, wenn klar ist, wann und wie die Meisterschaft gestartet wird», mache ich einen Erklärungsversuch.

«Absolut richtig. Aber zwei Ausländer mit einem derartigen Hoffnungsfaktor, wie ihn Devos und Hazen mitbringen würden, wirst du später auf dem Markt zu diesen Preisen möglicherweise nicht mehr finden.»

Das Gespräch versandet anschliessend ein wenig. Wir sind dann irgendwann drauf gekommen, dass unsere Positionen zu unterschiedlich sind, um auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Und schliesslich – das wollen wir nicht vergessen – handelt es ich bei Oskar um einen Enterich. Es wäre ja himmeltraurig, wenn man in Langnau plötzlich darauf hören würde, was ein provokatives Federvieh den lieben langen Tag so von sich gibt. Wir lassen es deshalb auf sich bewenden. Das Beste ist, das Grossmaul jeweils einfach zu ignorieren.