Nach einem 0:3 - Rückstand:

SCL Tigers besiegen die ZSC Lions auch auswärts

Was für ein Sieg für die SCL Tigers in Zürich! Die Emmentaler schlagen die ZSC Lions im Hallenstadion nach einem 0:3 - Rückstand mit 4:3 nach Penaltys. Eine wichtige Rolle spielten dabei die Nachwuchsspieler.

Spielbericht • • von Bruno Wüthrich

Was für ein Spiel! Was für ein Sieg! Wenn eine konsequente Nachwuchsförderung Früchte trägt, dann ist es diejenige der SCL Tigers in dieser Saison. Unglaublich, was Rikard Franzén mit seinen Nachwuchsleuten zustande bringt. Aber alles der Reihe nach.

In der zweiten Drittelspause schien ich zu wissen, was ich schreiben, wie ich über die Partie zwischen den grossen ZSC Lions und den kleinen SCL Tigers berichten will. Oft genügt es ja, wenn man genau rapportiert, welche Szenen in eine Wende oder eine Neiderlage geführt haben, oder sonstwie entscheidend waren. Ich hätte darüber zu berichten gewusst, dass sowohl das Start- wie auch das Mitteldrittel ein paar Sekunden zu lang gewesen sind. Natürlich nur für die Langnauer, und wirklich nur ein paar Sekunden. Fünfzehn im Startdrittel, um genau zu sein. Und elf im Mitteldrittel. Sekunden vor der ersten Sirene verlor Anthony Huguenin an der eigenen blauen Linie die Scheibe. Justin Sigrist schneppte sie sich, zögerte nicht, und bezwang Ivars Punnenovs auf der Stockhandseite zum 0:1 aus Sicht der Emmentaler. 

Ende des zweiten Abschnitts. Wiederum dauerte es nur noch Sekunden bis zur Sirene. Tim Grossniklaus verliert an der Bande auf der Höhe der eigenen blauen Linie den Puck an Garrett Roe, dieser bedient Sven Andrigetto, der sich die Möglichkeit nicht entgehen lässt. 0:3, und damit die definitive Entscheidung. Denn so viel ist klar: Das beste Heimteam der Saison würde sich den Dreitorevorsprung gegen das schlechteste Auswärtsteam in den letzten 20 Mintuen nicht mehr nehmen lassen. Zwei Fehler in psychologisch ungünstigen Momenten: das hat schon starke Mannschaften umgehauen.

Selbstverständlich hätte ich auch die Zeit um die 25. und 26. Minute erwähnt. Weil da klar geworden ist, weshalb die Zürcher Löwen ein Spitzenteam sind und die Langnauer Tiger eine Mannschaft, die am Tabellenende zu finden ist. Denn zwischen zwei Topchancen der Emmentaler, die beide nicht verwertet wurden, erzielten die Gastgeber das 0:2. Dabei spielt Kaj Suter (er ist der jüngere Bruder des letztjährigen Ligatopscorers Pius Suter) die Scheibe genau auf den Stock von Marco Pedretti, welcher direkt abzieht. Ivars Punnenovs kann sich nicht schnell genug verschieben. Dieses Tor, so schien es, zeigte ganz klar die Differenz in der Geschwindigkeit und Präzision der Zürcher und der Langnauer. Und auch wenn der 0:3 - Rückstand nach 40 Minuten wegen der beiden Gegentreffer nur Sekunden vor den jeweiligen Drittelsenden unglücklich erschien, so war er ganz gewiss nicht gestohlen. Obwohl, die eine oder andere sehr gute Tormöglichkeit hatten die Tiger eben schon. Es hätte, bei optimalem Spielverlauf auch besser aussehen können für die Gäste. So aber schien es, als wäre es das höchste der Gefühle, wenn die Niederlage in Zürich nicht allzu hoch ausfallen würde.

Während ich mir also schon die Worte überlegte, wie ich die Niederlage der Langnauer beschreiben könnte, damit sie einigermassen objektiv bei der Leserschaft ankommen würde, ohne dass ich die Mannschaft allzu harsch kritisiere, was nicht angemessen gewesen wäre ob der gebotenen Leistung, schoss mir der Gedanke durch den Kopf: wenn ich je wetten würde, dann wäre jetzt ein guter Zeitpunkt.  Bei einem 0:3 - Rückstand zu diesem Zeitpunkt auf einen Sieg der Tiger zu wetten, würde eine hohe Quote bringen. Ich wette nie. Auch diesmal nicht. 

Was dann folgte, hätte kaum jemand für möglich gehalten: Noch war im Schlussdrittel keine Minute gespielt, da servierte Ben Maxwell seinem jungen Teamkollegen Keijo Weibel die Scheibe per Traumpass auf die Kelle, und der 20-Jährige verwandelte das Zuspiel abgezockt zum Anschlusstreffer. Und irgendwie spürte man nach diesem Treffer sofort, dass nun noch etwas möglich sein würde für den Underdog. Optisch dominierten zwar immer noch die Zürcher. Aber sie waren längst nicht mehr so zwingend wie in den ersten 40 Minuten. Dafür hatte plötzlich alles, was die Mannschaft von Coach Rikard Franzén machte, Hand und Fuss. In der 52. Minute übernahm Patrick Petrini von Alexei Dostoinov, zog unwiderstehlich in Richtung gegnerisches Tor, legte auf für Pascal Berger: 2:3! Derzeit läuft es dem Langnauer Captain. Aber was für ein Auftritt des 19-jährigen Patrick Petrini. Es war bereits sein siebter Skorerpunkt im 14. Spiel in der National League. Das ist phänomenal. Und sein achter Skorerpunkt würde noch folgen. Noch in diesem Spiel.

Was sich nämlich je länger desto deutlicher angekündigt hatte, wurde Tatsache. Die SCL Tigers nahmen 97 Sekunden vor Ablauf der regulären Spielzeit Ivars Punnenovs zugunsten eines sechsten Feldspielers aus dem Tor und riskierten alles. Mit Erfolg. Von Patrick Petrini über Marcus Nilsson gelangte die Scheibe zu Yannick Blaser. Der Blocker der Nation schlenzte die Scheibe von der blauen Linie aus zum Ausgleich ins Zürcher Tor. Zu spielen waren noch 53 Sekunden.

Würden die Langnauer erneut kurz vor Drittelende einen Gegentreffer kassieren. Nein! Sie brachten das Resultat nicht nur über die ersten 60 Minuten, sondern auch noch über die Verlängerung. Und sie gewannen danach auch das Penaltyschiessen. Und zwar erneut nach einem Rückstand. Dabei sorgten Patrick Petrini und Toms Andersons, beide auf coole Art und Weise für ein ausgeglichenes Resultat, bevor Marcus Nilsson zur Entscheidung einnetzten.

Ist der Sieg der Langnauer gestohlen? Nein! Er war aufgrund der gezeigten Leistung im Schlussdrittel verdient. Denn bereits in der 54. Minute fehlten wohl nur Bruchteile eines Millimeters zum Ausgleich. In Überzahl traf jedoch Marcus Nilsson nur den Pfosten. So wartet er weiterhin auf den ersten Treffer aus dem Spiel heraus. Dass er den entscheidenden Penalty versenkte, dürfte ihm aber gut tun. 

 

ZSC Lions - SCL Tigers 3:4 n.P. (1:0, 2:0, 0:3)

Hallenstadion Zürich, keine Zuschauer. SR: Stricker/Piechascek, Gnemmi/Burgy. Tore: 20. (19.45) Sigrist 1:0. 26. Pedretti (K. Suter, Morant) 2:0. 40. (39.49) Andrighetto (Roe) 3:0. 41. (40.48) Weibel (Maxwell, Huguenin) 3:1. 52. Berger (Pedrini, Dostoinov) 3:2. 60. (59.07) Blaser (Nilsson, Pedrini) 3:3. Strafen: 3-mal zwei Minuten gegen die ZSC Lions, 2-mal zwei Minuten gegen die SCL Tigers.

ZSC Lions: Waeber; Marti, Noreau; Geering, P. Baltisberger; Berni, Morant; Andrighetto, Roe, Pettersson; Hollenstein, Sigrist, Wick; Bodenmann, D. Diem, Simic; Pedretti, Schäppi, K. Suter.

SCL Tigers: Punnenovs; Blaser, Leeger; Huguenin, Erni; Grossniklaus, Lardi; Buchli; J. Schmutz, F. Schmutz, Neukom; Nilsson, Maxwell, Weibel; Dostoinov, Pedrini, Berger; Andersons, Salzgeber, Sturny; Melnalksnis.

Bemerkungen: ZSC Lions ohne Blindenbacher, C. Baltisberger, Prassl (alle verletzt), Capaul (krank), Krüger, Rossi, P. Suter, Trutmann (alle abwesend). SCL Tigers ohne Kuonen, Schilt, N. Diem, Glauser (alle verletzt), Earl, Zaetta, Bircher (alle überzählig), Rüegsegger, In-Albon, Guggenheim (alle Partnerteams). 54. Pfostenschuss Nilsson. SCL Tigers von 58.23 bis 59.07 ohne Torhüter.