Unerwartet, aber verdient:

SCL Tigers ringen dem EHC Biel einen Punkt ab

Ein toller Start und ein toller Endspurt bringen den SCL Tigers gegen den hoch favorisierten EHC Biel den ersten Punkt in dieser noch jungen Meisterschaft. Dabei glänzen Keijo Weibel und Tim Grossniklaus mit ihrem jeweils ersten Treffer in der National League.

Spielbericht • • von Bruno Wüthrich

Hier verhindert Langnaus junger Hüter Gianluca Zaetta einen Gegentreffer. Bild: Marcel Bieri

 

Gäbe es eine mathematische Formel für dieses Spiel, so würde diese lauten: ein guter Start plus ein guter Endspurt minus zwischenzeitlich den Faden verloren ergibt einen Punkt. So einfach es tönt, so wichtig ist allerdings, dass wir diese "Formel" noch etwas präzisieren.

Die SCL Tigers starteten mit wenig Kredit und nur mit einem Ausländer (Ben Maxwell) in diese Partie. Mit dem US-Amerikaner Robbie Earl und der schwedischen Neuverpflichtung Erik Brännström aus der NHL stünden zwar zwei weitere spielberechtigte Ausländer unter Vertrag. Aber Earl ist nach seiner langen Verletzung noch nicht wieder in der Form, in welcher er für die Langnauer eine Hilfe wäre. Er trainiert zwar fleissig mit, stand aber ebenso wie Brännström noch nicht im Aufgebot. Letzterer hatte nach seiner Einreise und dem Coronatest erst ein Training absolviert. Zu wenig für Coach Rikard Franzén, der keinerlei Verletzungsrisiko eingehen wollte.

Nichtsdestotrotz gelingt den Langnauern ein formidabler Start. Bereits nach 25 Sekunden drückt Keijo Weibel die Scheibe zum 1:0 über die Torlinie. Joren van Pottelberghe im Bieler-Tor ist bereits das erste Mal bezwungen. Für Weibel ist es das zweite Tor überhaupt in der National League. Sein erstes ist bereits eine Weile her. Er erzielte es am 20. März 2018 im Spiel der Platzierungsrunde gegen den HC Ambri-Piotta. Nach den Abgängen von Harri Pesonen und Eero Elo bleibt dank dem Sohn einer finnischen Mutter (deshalb der Name Keijo) das finnische Element in der Mannschaft erhalten. Von dem seit fünf Jahren in Langnau wohnenden Riggisberger werden wir noch hören.

Noch sind keine vier Minuten gespielt, als Julian Schmutz das Skore bereits auf 2:0 ausbaut. Diesmal macht der Bieler Hüter keine gute Figur. Schmutz kann dies egal sein. Dem Publikum, das gar nicht richtig weiss, wie ihm geschieht, ist es dies ebenfalls.

Leider verlieren die Langnauer nach der ebenso frühen, wie unerwarteten Führung für den Rest des Drittels komplett den Faden. Schnell ist die Führung wieder verspielt. Bereits nach 8 Minuten und Toren von Jérôme-Janis Moser (6.) und Mike Künzle (8.) steht es 2:2. Allzu schwer ist den Bielern die Aufholjagd nicht gefallen. Die Emmentaler halfen dabei wacker mit. Dass es zum Ende des Drittels immer noch unentschieden steht, hat das Heimteam den Gästen zu verdanken, welche extrem fahrlässig mit den sich bietenden Cahncen umgehen. Geht "es" so weiter, ist eine empfindliche, ja hohe Niederlage zu befürchten.

Die Pause hilft. Und "es" geht danach nicht so weiter. Die Langnauer fangen sich wieder und stellen für den Rest der Partie wieder einen absolut ebenbürtigen Gegner. Trotzdem dauert es lediglich bis zur 23. Minute, bis Jason Fuchs die Bieler erstmals in Führung bringt. Es entwickelt sich jetzt aber ein unterhatsames Spiel, in welchem beide Mannschaften zu Möglichkeiten kommen, und auch die Tiger den einen oder anderen sehenswerten Angriff vortragen. In der 40. Minute trifft Tim Grossniklaus aus dem Slot lediglich den Pfosten und verpasst den Ausgleich knapp.

Für das Schlussdrittel scheint alles möglich zu sein, Doch die Hoffnungen auf einen Punktgewinn schwinden in der 45. Minute rapide. Denn da erzielt Toni Rajala den vierten Bieler Treffer. Der Favorit wird sich wohl die Butter nicht mehr vom Brot nehmen lassen.

Wir können über bei den SCL Tigers über das Potential diskutieren, oder über die fehlenden Ausländer, oder darüber, dass ein Klub mit einer eher kleinen Halle mit üblicherweise grosser Auslastung von Corona besonders stark betroffen ist. Aber über eines können wir beim gestrigen Spiel bestimmt nicht diskutieren: über den Kampfgeist und die Moral in dieser Mannschaft. Denn sie lässt sich durch die vermeintliche Entscheidung nicht beirren und fightet unverdrossen weiter. Dieser Kampfgeist wird in der 51. Minute belohnt, als Ben Maxwell dem Puck von hinter dem Tor "eine Chance gibt" und den Anschlusstreffer via Schlittschuh von Stefan Ulmer erzielt. Spätestens jetzt spüren die anwesenden Zuschauerinnen und Zuschauer, dass an diesem Abend tatsächlich etwas möglich ist. Nicht einmal eine Strafe gegen Julian Schmutz kann am "Biss" dieser Mannschaft und am Glauben an den Erfolg etwas ändern. Und als Gianluca Zaetta zum Ende der 58. Minute sein Tor verlässt, tragen die Langnauer Sorge zum Puck, spielen für einmal gutes Powerplay, bis Tim Grossniklaus von der blauen Linie abzieht und den umjubelten Ausgleich erzielt. Auch für ihn ist es das erste Tor in der National League. Er holt damit nach, was ihm zum Ende des Mitteldrittels vegen seines Pfostenknallers noch verwehrt bleib. Sein erstes Tor wird ihm als ein sehr wichtiges lange in Erinnerung bleiben.

Denn er sichert seiner Mannschaft damit ihren ersten Punkt in dieser noch jungen Meisterschaft und damit den Glauben daran, dass etwas möglich ist, wenn man nur will. Dies sieht auch Team- und Verteidigerkollege Yannick Blaser so: "Nach unserem Durchhänger im ersten Drittel haben wir den Glauben an uns nicht verloren, weiterhin an uns geglaubt und ein gutes Spiel gezeigt. Wichtig wird jedoch künftig sein, dass uns diese Leistung über die vollen 60 Minuten gelingt. Die Partie hätte nach dem Startdrittel trotz unserer frühen Führung auch entschieden sein können".

Der siegbringende Treffer für die Bieler gelingt 35 Sekunden vor Ablauf der Verlängerung mit einer schönen Einzelleistung dem erst 20-jährigen Jérôme-Janis Moser. Der junge Verteidiger trägt wegen der verletzungsbedingten Abwesenheit von Danien Brunner das Topscorer-Dress, bucht in diesem zwei Tore und einen Assist und wird das Dress wohl ein paar weitere Spiele tragen. So gesehen ist dieser 10.10.2020 in Langnau vor allem ein Abend, an welchem die jungen Spieler zu glänzen vermögen. Gut so. Vor allem die Langnauer sind extrem darauf angewiesen, dass die Nachwuchsleute, die wegen der besonderen Situation zu viel Einsatzzeit kommen, sich entwickeln und entsprechend performen. Ein weiterer junger Spieler sollte ab kommender Woche ebenfalls weiterhelfen können. Denn da dürfte Erik Brännström zu Einsatz kommen. Yannick Blaser dazu: "Erik wird uns mit seinen Skills viel helfen können. Er wird vor allem dafür sorgen, dass von hinten mehr kommt." Dass von hinten etwas kommt, dafür hat an diesem Abend Tim Grossniklaus gesorgt.

SCL Tigers - EHC Biel 4:5 n.V. (2:2, 0:1, 1:1)

Ilfishalle, 2085 Zuschauer. SR: Hebeisen/Piechaczek, Gnemmi/Burgy. Tore: 1. (0.25) Weibel (Maxwell, Blaser) 1:0. 4. J. Schmutz (Lardi) 2:0. 6. Moser 2:1. 8. Künze (Cunti, Nussbaumer) 2:2. 23. Fuchs (Ulmer) 2:3. 45. Rajala (Kreis, Moser) 2:4. 51. Maxwell (Erni, Berger) 3:4. 59. (58.50) Grossniklaus (Glauser, F. Schmutz) 4:4. 65. (64.25) Moser 4:5. Strafen: 3-mal zwei Minuten gegen die SCL Tigers, 4-mal zwei Minuten + 1-mal 10 Minuten (Fey, Bandencheck) gegen den EHC Biel.

SCL Tigers: Zaetta; Leeger, Glauser; Lardi, Erni; Blaser, Guggenheim; Huguenin, Grossniklaus; Weibel, Maxwell (E TS), Berger; J. Schmutz, F. Schmutz, Sturny; Dostoinov, Diem, Neukom; Kuonen, In-Albon, Andersons.

EHC Biel: van Pottelberghe; Forster, Rathgeb; Moser (TS), Kreis; Fey, Lindbohm (E); Ulmer, Sartori; Rajala (E), Pouliot (E), Hügli; Künzle, Cunti, Nussbaumer; Hofer, Ullström (E), Fuchs; Tanner, Gustafsson, Kessler.

Bemerkungen: SCL Tigers ohne Punnenovs, Schilt, Salzgeber (alle verletzt), Melnalksnis, Rüegsegger, Bircher (alle Farmteam), Earl (überzählig), Brännström (noch nicht im Aufgebot). EHC Biel ohne Brunner Lüthi (beide veretzt). 40. Pfostenschuss Grossniklaus. 57.55: Timeout SCL Tigers. SCL Tigers ab 57.55 bis 58.50 ohne Torhüter.