Einmal mehr: Oskar nervt!

Sind Sportjournalisten korrupt?

Es ist gerade eine wunderschöne Zeit. Die SCL Tigers haben zwei Siege zum Jahresende hinter sich, und zwischendurch erfreue ich mich an TV-Übertragungen vom Spengler Cup. Wieder einmal wird mein innerer Frieden von Oskar gestört.

Blog • • von Bruno Wüthrich

Gerade hat der HC Davos gegen ZSKA Moskau den Ausgleich zum 1:1 kassiert, als das Telefon stört. Es ist Oskar. «So, du Spengler Cup – Vergötterer, auch am TV schauen?» - «Ja, du störst», entgegne ich, aber Oskar lässt sich nicht beirren. «Immerhin bist du nicht einer von den Korrupten, die sich in Davos auf fremde Kosten die Bäuche vollfressen, und dafür den Spengler Cup schön schreiben.» - «Na ja, wenn ich einen Auftrag hätte, würde ich gerne hingehen», antworte ich, und füge hinzu: «Es ist ja auch ein toller Anlass. Die ganze Schweiz schaut hin.» - «Ha !!!», kontert Oskar, «und was war gestern Abend mit den 6'500 Fans in der Ilfishalle?» Ich spürte Oskars Herausforderung. Was zum Teufel hatte der Kerl wieder im Sinn? «Diejenigen, die da waren, mussten ja deswegen nicht vollständig auf die Spiele in Davos verzichten», entgegne ich vorsichtig. «Sie konnten ja quasi die Partie vor Ort umrahmen mit den Übertragungen vom Spengler Cup auf Grossleinwand.» Aber Oskar war jetzt in Fahrt: «Ja natürlich konnten sie das. Es wurde ihnen ja auch leicht gemacht. Trotzdem zogen 6'050 NLB Hockey dem angeblichen Spitzensport in Davos vor. Was sagst du denn dazu?», fordert mich Oskar heraus. Ich sagte vorerst gar nichts, denn der HC Davos hatte gerade das Führungstor geschossen. Es waren die Schweden.

 

Ich versuchte mich wieder Oskar zuzuwenden: «Was hast du gerade gesagt?» - «Ich sagte sinngemäss, dass das Spengler Cup - Eishockey keine Sau interessiert, wenn die Meisterschaft läuft. Nicht einmal dann, wenn es nur NLB-Eishockey ist.» Das war nun starker Tobak, und das konnte ich natürlich nicht einfach so unkommentiert lassen. «Na hör mal, Oskar du Stänkerer. Der Spengler Cup ist ein Top Anlass. Nur deshalb ist auch das Schweizer Fernsehen mit einem Grossaufgebot vor Ort. Zudem äussern sich auch die ganzen Sportjournalisten begeistert. Die verstehen alle etwas davon, und sie haben auch den Vergleich zu andern Anlässen.» - «Ach so», redet sich Oskar in Rage. «Auf dieses korrupte Pack baust du deine Meinung auf. Wäre ich einer von denen, würde ich auch so reden. Die freuen sich doch alle bereits auf die nächsten gut bezahlten Gratisferien in Davos mit Eishockeykonsum. Die würden nie etwas Negatives über den Spengler Cup sagen oder schreiben, weil sich nämlich sonst Gefahr liefen, von ihren Auftraggebern nicht mehr hingeschickt zu werden.» - «Na also», entgegne ich, «die Sportjournalisten sind nicht zum Vergnügen in Davos. Die leisten dort harte Arbeit. Schliesslich wollen die Leser etwas zum Lesen haben.» - «Dass ich nicht lache», kontert Oskar, der Ahnungslose. «harte Arbeit? Sowas nennst du harte Arbeit? Täglich etwas mit der Prominenz und mit den Sportlern herumschwafeln, und dann irgendwelche Marketingtexte niederschreiben. Daneben die Beizen von Davos frequentieren und danach am Morgen ausschlafen. Das ist keine harte Arbeit!» - «Du willst mir doch jetzt nicht sagen, dass du den Sportjournalisten den verdienten Ausgang missgönnst, nachdem sie ihre Arbeit getan haben?», weise ich Oskar auf seine niedrigen Beweggründe hin. Doch davon lässt sich dieser nicht beirren. «Ich missgönne niemandem irgend etwas. Aber ich weise darauf hin, dass die lieben Chronisten allen Grund haben, beim Schönschreiben des Spengler Cups die negativen Seiten aussen vor zu lassen». Inzwischen ist die mit einem missratenen, roten Vogelnest auf dem Kopf verunstaltete Steffi Buchli vom staatlichen Fernsehsender gerade daran, mit HCD-Präsident Gaudenz Domenig darüber zu sprechen, was ein Spieler denn geleistet haben muss, um genügend verdienstvoll zu sein, damit sein Leibchen unter das Dach der Vaillant Arena gehängt wird. Domenig wusste es auch nicht, aber man gehe jetzt daran, sich dies mal zu überlegen. Er soll mal in Langnau nachfragen, die können ihm sicher genau sagen, was die Kriterien sind, und wieso die Nr. 17 nicht wegen Meistertrainer Jean Cusson oder Kult-Verteidiger Neil Nicholson, sondern wegen Daniel Aegerter dort hängt.

 

Nachdem ich den Faden zu Oskars Geschwafel wieder gefunden habe, nehme ich meine Berufskollegen (denn ein bisschen gehöre ich ja inzwischen auch dazu, auch wenn es sich der FANTIGER nicht leisten kann, mich nach Davos zu schicken) in Schutz. «Die Chronisten haben es heute nicht einfach. Sie müssen dem Sport, dem Anlass, dessen Sponsoren und zudem auch noch den Inserenten ihrer Zeitungen (oder den Werbern auf den Online-Portalen gerecht werden. Das sind hohe Anforderungen». - «Sage ich doch», ereifert sich Oskar. «Alles korruptes Pack. Früher war der Journalist nur der Wahrheit verpflichtet. Aber so ändern sich die Zeiten. Die Wahrheit ist heute nichts mehr wert. Der Leser wird betrogen und belogen.»

 

«Was bitteschön wirfst du uns denn vor? Wo haben wir die Unwahrheit gesagt?» frage ich. Oskar, nicht verlegen, kontert: «Zum Beispiel, mit den 80'000 Franken, welche die NLA-Klubs als Abgeltung für die Einnahmenausfälle erhalten, würden alle Ungerechtigkeiten ausgleichen.» - «Das stimmt doch auch», entgegne ich. «Schau doch mal das Beispiel der SCL Tigers. Die haben üblicherweise über 5'000 Zuschauer. Gegen Langenthal in der Altjahrswoche waren es 1'000 mehr. Ich behaupte, dass dadurch zwischen 40- und 60'000 Franken mehr in die Klubkasse gespült wurden, als dies sonst im Durchschnitt der Fall ist. Das wäre, so nehme ich an, bei den NLA-Klubs etwa vergleichbar. Der HCD bezahlt jedoch 80'000. Also mehr als genug. Da bleibt sogar noch etwas übrig.» - «Ach du bist halt auch nur einer von diesen Ahnungslosen!», seufzt Oskar, und ich spüre, wie geringschätzig er jetzt gerade über mich denkt. «Statt mit deinen Sportjournalisten-Kollegen solltest du mal mit Wirtschafts- und Marketingfachleuten diskutieren, und die Materie dabei von unterschiedlichen Seiten betrachten. Nicht immer nur durch die Brille des Verbandes oder des HCD. Der Wirtschaftsfachmann könnte dir erklären, was die jeweils 80'000 Franken bewirken, die jeder Klub erhält. Nämlich genau gar nichts. Denn die fliessen vollumfänglich, wenn vielleicht auch nicht sofort, in die Spielerlöhne. dafür sorgen die Agenten. Den Klubs bleibt nichts» - «Woher willst du denn das wissen,» verhöhne nun auch ich Oskar, denn er tat ja mit mir das Gleiche. Doch dieser erschien mir nun plötzlich sehr gelassen und relaxt. «Dazu müsstest du mehr von Geldmengen und Geldflüssen verstehen. Aber da müsstest du deinen getrübten Blick mal vom Eisfeld oder dem Bildschirm weg bewegen und ein Buch lesen. Aber das ist ja nicht das Hauptproblem. Viel mehr geht es um die Ungleichheiten, die sich der HCD sonst auf der finanziellen Ebene, und fast noch mehr beim Marketing verschaffen kann, während dessen seine Konkurrenz zähneknirschend untätig sein muss. Hast du dir schon mal überlegt, welche Vorteile sich der HCD durch die geschützte Ausrichtung des Spengler Cups zu diesem werbewirksamen Zeitpunkt verschafft? Hier sind die Vorteile des Einen die Nachteile des Andern. Mit welchem Geld haben denn die Davoser die Transfers von Guggisberg, Joggi oder Forster bezahlt? Etwa von den Matcheinnahmen aus der Meisterschaft?»

 

Irgendwie hat mich inzwischen ein ungutes Gefühl beschlichen. Verstehe ich tatsächlich zu wenig von dieser Materie? Sehe ich den Anlass zu sehr nur aus der Sportbrille? Lasse ich mich zu sehr von denjenigen einlullen, die Jahr für Jahr den Spengler Cup besuchen? Es ist leider nicht das erste Mal, dass mich Oskar ins Grübeln bringt. Mittlerweile ist das zweite Drittel in Davos beendet, und fast ein bisschen erfreut nehme ich zur Kenntnis, dass die Russen mit 4:3 vorne liegen. Sofort reisse ich mich am Riemen. Davos liegt in der Schweiz. Ich bin Schweizer. Da ist es nicht normal, für die Russen zu sein. Doch ich hoffe, demnächst mal die Kraft zu finden, ein Buch zu lesen.

 

Eines muss ich noch richtig stellen: «Du, Oskar, was auch immer du für eine Meinung hast: Es ist nur eine Meinung. Ich und meine Kollegen sind ganz sicher nicht korrupt. Das musst du zurück nehmen.» - «Ja, das nehme ich zurück», antwortet Oskar alles andere als kleinlaut. «Und ich entschuldige mich dafür. Aber ihr seit, sobald ihr den Blick vom Spielfeld nehmt, einfach nicht gerade sehr kompetent. Ob dies generell so ist, oder ob dies im Falle des Spengler Cups am guten Essen, dem Ausgang oder dem Ausschlafen liegt, weiss ich nicht.» Ich balle meine Faust, und innerlich kochend beende ich das Gespräch. Das letzte Drittel steht an.