Die Meisterschaft begann ohne die Tigers:

Was ist von den Langnauern zu erwarten?

Die ersten Resultate sind da. Die Prognosen für die Meisterschaft sind längst gemacht. Sie sehen die SCL Tigers grossmehrheitlich im Mittelfeld. Doch wie kommt man zu diesen «Vorhersagen»?

Langnau hat eine sehr kreative und leidenschaftliche Fankurve. Weshalb diese Leidenschaftlichkeit nicht auf die Sitzplätze überschwappt, wird zum Schluss des Artikels beleuchtet.

 

Seher sind auch die Prognostiker nicht. Deshalb wird ja auch oft gespottet, Prognosen würden nur gemacht, damit man bei deren Nichteintreten etwas zu schreiben hat. Man hat dann nämlich noch mehr zu analysieren, zu begründen und zu erklären. Das ist immer gut für die Klicks und die Reichweite, welche für ein Medienprodukt nun mal unabdingbar sind. Deshalb zuerst zu einer völlig unspektakulären, aber wichtigen Meldung.

Berner Zeitung ohne Tigers-Matchberichte

Die Berner Zeitung wird künftig auf Spielberichte verzichten und auch keine JournalistInnen mehr in die Stadien entsenden. Nach dem SC Langenthal im Oberaargau, damals noch in der Swiss League, trifft es nun auch die National League. Bereits über das heutige Derby zwischen dem SC Bern und den SCL Tigers wird kein Matchbericht mehr erscheinen. Online werden noch etwas gemacht. Was genau ist unklar. Der FANTIGER überlegt sich nun, inwieweit er einspringen kann und soll.

Die gängigste Methode der Prognosenerstellung

Doch zurück zum eigentlichen Thema: Die einfachste Art, eine Prognose, zum Beispiel über die SCL Tigers zu erstellen, ist, sich zu fragen, wer denn alles hinter und wer vor ihnen liegen könnte. Das ist manchmal gar nicht so einfach zu eruieren. Einerseits, weil sich Spieler auch entwickeln, einige machen sogar regelrechte Leistungssprünge, die nicht vorhersehbar sind, die aber eine Mannschaft verändern können. Zudem ist für Mannschaften, die eher im hinteren Teil der Tabelle vermutet werden, ein guter Start in die Meisterschaft sehr wichtig. Steigt nämlich das Selbstvertrauen, fallen Siege leichter.

Drei Gruppen

Aus Sicht der Emmentaler gibt es drei Gruppen. 1.) Die Mannschaften, welche die Truppe von Thierry Paterlini bei normalem Meisterschaftsverlauf hinter sich lassen sollte. 2.) Die Teams, bei denen man es nicht so recht weiss. 3.) Der Rest, also in diesem Fall die Guten, die, wenn alles normal läuft, vor den Tigers liegen werden.

Hinter sich lassen sollten die Tiger folgend Mannschaften: Ajoie, Kloten (hat soeben auswärts in Kloten gewonnen), die Lakers (haben Ambri auswärts bezwungen) und den EHC Biel. Die Lakers lagen bereits letzte Saison hinter den Langnauern, verloren aber mit Roman Cervenka ihren mit Abstand wichtigsten Spieler und mit David Aebischer einen wichtigen Verteidiger. Der EHC Biel lag in der letzten Spielzeit noch einen Rang vor den Emmentalern, verlor aber mit Joren van Pottelberghe, Yannick Rathgeb, Beat Forster, Tino Kessler, Mike Künzle und Luca Hischier gleich eine ganze Armada wichtiger Stammspieler, die allesamt nicht kompensiert wurden.

Zu den Mannschaften, bei denen man nicht so recht weiss, gehören: Ambri, Davos, Genf und Freiburg. Ambri hat acht Ausländer an Bord, von welchen schon fast traditionsgemäss einige sehr gut sind. Aber das Schweizer Kader ist ziemlich dünn und wurde weiter ausgedünnt. Der HC Davos hat seine Teamstützen Raphael Prassl und Dominik Egli verloren. Vor allem Letzterer wird nur schwer zu kompensieren sein. Bei Genf ist es vor allem die enttäuschende letzte Saison, welche Zweifel streut. Rein vom Kader gerechnet, müssten die Adler eigentlich weit vorne in der Tabelle stehen. Bei Gottéron ist es die Situation rund um den Coaching-Staff und die Mehrfachbelastung bei schmalem Kader, welche die Fribourger bewälitigen müssen. Das Team von Zwischen-Coach Patrik Emond muss die Meisterschaft, die Champions League und den Spengler Cup bewältigen. Dies mit altenden Leitwölfen und schmalem Kader.

Somit haben wir vier Teams, welche die SCL Tigers hinter sich lassen müssen, und weitere vier Teams, die sie, wenn es gut läuft, ebenfalls hinter sich lassen können. Das bedeutet, sie müssten eigentlich einen Rang zwischen 7 und 10 erreichen und mindestens nach Ende der Qualifikation um den Einzug in die Playoffs spielen können.

Die neue Stärke der SCL Tigers

Selbstverständlich hat diese neue Ausgangslage nicht nur mit den Gegnern, sondern auch mit der eigenen Stärke der SCL Tigers zu tun. Sportchef Pascal Müller hat nämlich äusserst geschickt transferiert. In der Defensive sind mit Phil Baltisberger und Claude-Curdin Paschoud viel Routine und Wasserverdrängung hinzugekommen. In der Defensive dürften die Tiger also klar stärker sein als bisher. Vorne sind mit Joshua Fahrni (21) und Dario Allenspach (22) zwei Talente zugezogen, die sich in Langnau weiter entwickeln wollen. Allenspach hat letzte Saison in Zug bereits 11 Skorerpunkte beigetragen. Er wird seine Produktion im Emmental mindestens verdoppeln. Auch Joshua Fahrni hat in der Saison 21/22 beim SC Bern als 18-Jähriger bereits 13 Skorerpunkte beigetragen, bevor dann in Bern – ein schweizweit bekanntes Manko des SCB – nicht mehr genügend auf das eigene Talent gesetzt wurde. Fahrni wird im Emmental wieder aufblühen. Ein Vorteil ist auch, dass die Langnauer keine namhaften Abgänge zu verzeichnen hatten und dass die Ausländer alle geblieben sind. Harri Pesonen und Saku Mäenalanen litten letztes Jahr stark unter Corona und dürften in dieser Saison deutlich stärker sein (bei Pesonen wissen wir ja, wie er ist, wenn er gesund ist, bei Mäenalanen haben wir es gegen Ende der Saison ebenfalls gesehen). Gespannt dürfen wir auch auf die weitere Entwicklung der Talente Jiri Felcman (19, 193 cm, 90 kg) und Oskars Lapinskis (22, 180 cm, 80 kg) sein. Der tschechische U-20 – Internationale Felcman gilt inzwischen als Hockeyschweizer und hat sämtliche Vorbereitungsspiele der SCL Tigers bestritten. Er ist also eine valable Alternative und könnte sich bald zum Stammspieler entwickeln. Oskars Lapinskis beim Gegner oft unter die Haut gehende Spielweise haben wir bereits kennengelernt.

Der Faktor Publikum

Jahre- ja fast jahrzehntelang hat sich das Langnauer Publikum gerühmt, das treuste der Liga zu sein. Und eigentlich stimmt dies heute noch, denn kein anderes Publikum ist so genügsam wie dasjenige in der Ilfishalle (pardon, Emmental Versicherung Arena). Aber was ist denn das Tigers-Publikum sonst noch? Ist es leidenschaftlich? Mutiert es in wichtigen Szenen zum sechsten Spieler auf dem Eis?

Das ist, mit Verlaub, viel zu selten der Fall. Der FANTIGER kennt die Publikums von sämtlichen Stadien in der National League. Bezüglich Leidenschaftlichkeit und Anfeuerung stehen wir leider an letzter Stelle. Um es mit anderen Worten ganz klar zu sagen: Das ist ungenügend! Die Mannschaft der Emmentaler muss es in den Heimspielen immer selbst richten. Vom Publikum kommt vergleichsweise praktisch nichts. Dies hat zwei Gründe: 1.) Von den Sitzplätzen kommt überhaupt nichts! Kein anderes Sitzplatzpublikum ist so passiv wie das der Langnauer. Anderswo würde man sagen, die haben alle Stöcke im Allerwertesten und können deshalb gar nicht anders. Ein Mysterium, weshalb man an der Ilfis einfach nicht aus sich heraus kann.

Etwas besser ist es in der Fankurve. Trotzdem ist auch hier nicht alles, wie es sollte. Und hier finden wir auch einen der Gründe, weshalb das Feuer der Leidenschaft nie auf die Sitzplätzer übergreift. Wir sind also bei 2.). In der Fankurve muss man dringend viel mehr – und ausschliesslich – auf die Spielsituationen eingehen. Und zwar nicht erst verspätet, sondern immer so rasch als möglich. Die Stimme am Megaphon muss immer ganz genau wissen, worauf es jetzt – genau in dem Augenblick – ankommt. Die Lieder, die gesungen werden, sind nicht wichtig. Es sind halt Lieder. Nicht mehr und nicht weniger. Wichtig ist die richtige Anfeuerung zur rechten Zeit. Darauf, und nur darauf kommt es an.

Und noch was: Wenn die gegnerischen Fans zu hören sind, gilt es, diese zu übertönen. Und zwar sofort. Nicht erst nach einigen Minuten. Die Gastmannschaft sollte eigentlich ihre Fans nicht zu hören bekommen.

Zwei Aufgaben also, welche die Kurvenfans in Langnau lösen sollten und auch lösen können. Sie können das, da bin ich mir sicher! Hier geht es nicht um Leidenschaftlichkeit. Denn diese ist vorhanden. Es geht nur um das Wie.

Und auf den Sitzplätzen dürfte man ruhig mal etwas aus sich herauskommen. Wir sind alle Langnau. Wir sind alle an etwas beteiligt. Wir alle wollen unser Team möglichst oft gewinnen sehen, und ein Sieg ist umso schöner, wenn man selbst etwas dazu beigetragen hat.