Nach oben oder nach oben?

Wegweiser

Warum starteten die SCL Tigers so stark in die neue Meisterschaft? Was sind die Hintergründe? Und was mag das bevorstehenden Wochenende mit den Spielen gegen Ambri und in Davos bringen?

Blog • • von Bruno Wüthrich

Erstmals seit dem Aufstieg im Frühjahr 1998 gelangen den SCL Tigers in den ersten drei Meisterschaftsspielen der Saison in der obersten Spielklasse zwei Siege. Es ist also beinahe schon ein historisch guter Saisonstart, den die Langnauer aufs Parket, pardon, aufs Eis legen. Das Erstaunliche dabei: die beiden Siege gegen Aufsteiger SC Rapperswil-Jona Lakers und Meister ZSC Lions kamen auf überzeugende Weise zustande. Zwar zog der Meister am vergangenen Dienstag bestimmt nicht seinen besten Tag ein und ist noch nicht – wie zum Beispiel der SC Bern – vollständig in der neuen Meisterschaftssaison angekommen. Doch das mit Stars bespickte Ensemble der Zürcher benötigt auch in dieser Verfassung nur einen kleinen Anstoss, einen kleinen Fehler, oder ein kleines Nachlassen ihres Gegners, um in Fahrt zu kommen. Doch das Team von Coach Heinz Ehlers hat nichts dergleichen zugelassen. Ergo liefen die Bemühungen der Stars (und sie waren bemüht!) ins Leere.

Dass die Tiger in dieser Startphase der Meisterschaft gut drauf sind, war bereits beim Spiel gegen die Lakers ersichtlich. Eigentlich lief es doch gut für den Aufsteiger. Den frühen Rückstand aus der ersten Minute kehrten sie noch in den ersten 20 Minuten mit einem Shorthander und einem Treffer in Überzahl in einen Vorsprung. Es schien, als seien nicht nur die Zuschauer verwundert über die Performance, welche die Lakers aufs Eis zauberten. Doch die SCL Tigers verloren die Ruhe zu keinem Zeitpunkt und gingen nach 60 Minuten völlig verdient mit 5:2 als Sieger hervor.

Pech war im zweiten Spiel bei Titelanwärter SC Bern im Spiel. Bereits in der zweiten Minute kam Andrea Glauser hinter dem eigenen Tor zu Fall, verlor so den Puck und kam dann zu spät, um vor dem Tor zu helfen. Der SC Bern, bereits in sehr guter Verfassung, liess sich nicht nur für dieses Tor nicht zwei Mal bitten. Die Berner lagen so bereits früh in Führung und konnten, quasi mit der zweiten guten Chance im Spiel, 30 Sekunden vor Ablauf des Startdrittels auf 0:2 erhöhen. Die Partie war bereits gelaufen. Wie schwer es ist, gegen die Berner ein Tor zu erzielen, erfuhren jedoch nicht nur die Langnauer. In den drei Startspielen mussten die Berner insgesamt nur einen einzigen Gegentreffer entgegen nehmen.

Neue“ SCL Tigers auf und neben dem Eis

Was ist denn anders in Langnau? Weshalb gelang dieser gute Saisonstart? Dieser kam ja, wie wir feststellen, keineswegs zufällig zustande. Tatsächlich verfügen die SCL Tigers über deutlich mehr Potential als in früheren Spielzeiten. Erstmals in ihrer Geschichte leisten sich die Emmentaler gleich von Beginn weg fünf ausländische Arbeitnehmer. Dieser Umstand dokumentiert zum Teil den neuen Geist, der in der ganzen Organisation steckt. Zudem ist das Team ausgeglichener besetzt. Es fällt nicht mehr auf, wenn die vierte Linie auf dem Eis ist, denn auch sie kann Spiele entscheiden. In Zürich lenkte diese Linie mit den beiden ersten Toren das Geschehen früh in die richtigen Bahnen und mutierte so zu den Matchwinnern. Für die Ausgeglichenheit spricht auch, dass die Langnauer, die wie der SC Bern bisher neun Tore erzielten und damit in der Rangliste der erzielten Tore auf Rang vier liegen, ihren besten Punktesammler auf Rang 18 der Skorerliste finden. Es ist mit Samuel Erni ein Verteidiger. Er erbt das Topscorer-Shirt von Andrea Glauser, einem andern Verteidiger. Noch kein Langnauer hat mehr als drei Punkte auf dem Konto. Noch keiner hat mehr als ein Tor geschossen, und nur drei der neun Tore wurden durch Ausländer erzielt. Aaron Gagnon und Chris DiDomenico stehen noch ohne Torerfolg da. Dies spielt alles derzeit keine, oder nur eine untergeordnete Rolle. Für das Selbstbewusstsein von DiDo oder auch von Gagnon wäre es natürlich gut, wenn auch diese beiden möglichst bald ihre ersten Tore erzielen könnten.

Dass bei den Langnauern vor allem die Schweizer die Tore erzielen, ist ein gutes Zeichen. Denn es zeigt, dass der Druck, Tore erzielen zu müssen, nicht nur auf einigen wenigen Spielern lastet. Das macht die Mannschaft für ihre Gegner unberechenbarer. Wenn es derzeit die Schweizer sind, denen die Tore gelingen, können sich die Ausländer mit der in Langnau neuen Situation anfreunden. Weil Coach Heinz Ehlers fünf spielfähige Söldner zu Verfügung stehen, hat er sich entschieden, zu rotieren. Nur Harri Pesonen und Chris DiDomenico haben bisher alle drei Spiele absolviert. Weil niemand so genau weiss, ob der Trainer irgendwann nicht mehr rotieren will, sieht sich jeder Söldner mit der Tatsache konfrontiert, dass sein Stammplatz nicht gesichert ist. Zudem hat im System Ehlers jeder auch seine defensive Rolle gewissenhaft zu erfüllen. Deshalb ist erneut nicht auszuschliessen, dass sich in der Skorerliste der National League keine Langnauer (und damit auch keine Tiger-Söldner) in den vordersten Positionen wiederfinden werden. Trotzdem, oder gerade deswegen, verfügen die Langnauer über fünf starke Ausländer.

Der neue Geist

Ich erwähnte im Zusammenhang mit der Verpflichtung von fünf Ausländern den neuen Geist, der in der Organisation steckt. Dieser neue Geist ist an einem andern Beispiel noch viel deutlicher ersichtlich. Ort des Geschens: Schaukäserei Affoltern. Dort hielten die SCL Tigers am 13. September dieses Jahres einen Anlass für die Sponsoren und die Presse ab. Dabei referierte der neue Sportchef Marco Bayer über die sportlichen Erwartungen, Geschäftsführer Peter Müller präsentierte die neue Dachmarke „Eisstark“ und informierte über das Tatzenderby vom 2. Januar 2019. VR-Präsident Peter Jakob geigte dem anwesenden Denis Vaucher, seines Zeichens Direktor der National League über die Entwicklung bei den Spielerlöhnen die Meinung, und Simon Schenk präsentierte das „Hockey Country“ und das, was damit gemeint, gepland und bereits aufgegleist ist. Wir konnten uns ja alle in der Presse darüber informieren.

Wichtig ist jedoch, auf welche Weise diese Präsentation stattfand. Früher – so machte es dem Schreibenden jeweils den Eindruck – waren solche Präsentationen entweder Pflichtübungen oder aber One-Man – Shows (Zesiger) mit vielen Worten, aber ohne wesentlichen Inhalt. Dies war in Affoltern völlig anders. Ohne dabei die Bescheidenheit im Auftreten zu verlieren, schienen die Vertreter der SCL Tigers die Lust entdeckt zu haben, ihre Organisation zu präsentieren. In einem nicht pompösen, aber würdigen Rahmen wurde den Sponsoren und den Medienvertretern etwas geboten. Und zwar fürs Auge, für die Ohren, für die Geschmacksnerven und für das gute Gefühl. Dieser für die SCL Tigers bisher so ungewohnte Auftritt macht Mut und entfacht Zuversicht. Zuversicht darüber, dass man in Langnau zu begreifen beginnt, wie man dafür sorgen kann, dass dieses vorbildlich geführte Sportunternehmen sowohl auf, als auch neben dem Eis besser wahrgenommen wird. Denn diese Erkenntnis ist wichtig, wenn es darum geht, im immer härter werdenden Kampf um Sponsorengelder erfolgreich zu sein.

Wegweisendes Wochenende

Die SCL Tigers stehen sportlich vor einem wegweisenden Wochenende. Heute Abend gastiert der HC Ambri-Piotta in der Ilfishalle, und morgen Samstag geht es in die Berge Graubündens zum HC Davos. Sowohl die Leventiner als auch die Davoser sind Mannschaften, welche die Langnauer in der Qualifikation hinter sich lassen müssen, wollen sie die Playoffs schaffen. Gleich beide Spiele zu verlieren, wäre dafür ein schlechtes Zeichen. Doch das Team von Heinz Ehlers verfügt derzeit sowohl über das Potential als auch über das Selbstvertrauen, um gegen beide Gegner eine realistische Chance zu haben. Möglichst viele Punkte aus diesem Wochenende könnten dafür sorgen, dass die Tiger sich in den nächsten Wochen über dem Strich halten können. Und wir wissen aus der Saison 2010/11 noch ganz genau, was es bedeuten kann, wenn es einer Mannschaft wie den SCL Tigers zu laufen beginnt.