Aus der Sicht eines Tigers-Fan:

Weshalb es beim SC Bern nicht gut kommen konnte

Die SCL Tigers sind dort, wo wir sie vermutet haben. Auf Rang 12. Dabei bereiteten sie in einigen Spielen durchaus Freude. Deshalb getrauen wir uns, mal einen Blick über den Tellerrand zu schielen und wenden uns unserem Kantonsrivalen zu. Da kam es zum Trainerwechsel. Wohin also, SCB?

Blog • • von Bruno Wüthrich

Man möge mir diesen Blog verzeihen. Aber hier in Langnau ist gerade rein gar nichts los. Weil es beim SC Bern gerade gehörig rumpelt, schauen wir mal 35 Kilometer westwärts. Es ist ja nicht weit. Und derzeit sehr interessant. Machen wir also eine Ausnahme.

Der SC Bern landete im Frühling dieses Jahres den Marketing-Coup des Jahrzehnts. Er verpflichtete mit Florence Schelling die erste Frau im Schweizer Männereishockey auf höchster Stufe. Wir analysieren, weshalb dies nicht gut kommen konnte.

Florence Schelling muss niemandem mehr etwas beweisen. Sie war eine der weltbesten Torhüterinnen (wenn nicht sogar die beste). Mehr noch, sie spielte auch im Männereishockey auf der dritthöchsten Stufe (damals 1. Liga) und bewährte sich. Dies ist deutlich mehr, als die Grossmehrheit der Eishockey spielenden Männer je erreichen. Und es hat wohl viel mit fehlendem Mut zu tun, dass man Florence nicht wenigstens mal in einem Testspiel auf Stufe NLB eine Einsatzchance im Profi-Männereishockey gegeben hat. Was, wenn eine Frau sogar die Profis abgetrocknet hätte? Das hätte dann gar nicht gut ausgesehen. Möglicherweise war dieses Risiko zu hoch.

Selbstredend, dass eine Frau, die auf dieser Stufe Eishockey gespielt hat, auch etwas von diesem Metier versteht. Dies ist völlig indiskutabel. Und wer sich bei den Männern so weit vorarbeitet, hat Talent und weiss auch, wie man traineirt. So jemand weiss, was es braucht, um richtig gut zu werden. Und zwar unabhängig davon, ob nun bei den Frauen oder den Männern.

Hat deshalb Marc Lüthi alles richtig gemacht, als er Florence Schelling als neue Sprtchefin des SC Bern verpflichtete? Über die Verpflichtung selbst will ich mich nicht äussern. Und zwar aus gutem Grund. Schelling hatte bisher noch gar keine richtige Gelegenheit, sich zu beweisen. Deshalb ist sie schwierig zu beurteilen. Die Resultate sprechen eine klare Sprache gegen sie. Aber in diesem Fall helfen sie uns nicht weiter.

Ich bin kein SCB-Insider. Ich kann nur beurteilen, was ich von aussen sehe, höre oder lese. Davon kann einiges erfunden sein, anderes kann einer falschen Beurteilung unterliegen. Dies alles müssen wir berücksichtigen. Aber es ergibt sich ein Bild.

Der SC Bern hat sich soeben von seinem Trainer getrennt. Zwar soll es genau umgekehrt gewesen sein. Doch dies spielt keine Rolle. Keine Spur von Überraschung. Das Bedauern, das ausgesprochen wurde, gehört zur Rhetorik. Das muss so sein, weil es sich so gehört. Hätte man kommuniziert, dass sich der Klub getrennt hat, hätte man dem Coach für seine Verdienste (oder immerhin für seine Arbeit) gedankt. So gehört sich das.

Wer auch immer für Don Nachbaurs Verpflichtung verantwortlich war, ist eigentlich unerheblich. das letzte Wort bei einer derart wichtigen Personalie hat beim SC Bern immer Marc Lüthi. Aber verkauft wurde die Trainer-Akquise als Werk Schellings. Dies war der erste Fehler. Bei einer von oben befohlenen Billiglösung für einen normalerweise extrem anspruchsvollen Klub kann man nicht dem neune Sportchef oder der neuen Sportchefin die Schuld geben. Schelling ist wie erwähnt die erste Frau auf einem derartigen Posten. Lastet man ihr als Folge ihrer ersten Amtshandlung einen derartigen Schnitzer an, hat sie eigentlich schon verloren. Die Billiglösung Nachbaur wurde - dessen bin ich überzeugt - befohlen. Schelling badet dies, und vor allem die Kommunikation danach, jetzt aus.

Ein krasser Fehlentscheid war auch, Florence Schelling aus dem Nichts heraus zur Sportchefin zu machen, ihr aber gleichzeitig noch ihren Vorgänger zur Seite zu stellen. Ich präzisiere: Nicht dass Alex Chatelain ebenfalls immer noch an Bord ist, ist der Fehler, sondern die gegenwärtige offizielle Hierarchie.

Besser wäre gewesen, wenn Schelling in ihrer ersten Saison zur Stellvertreterin des immer noch verantwortlichen Alex Chatelain gemacht, und ihr damit sozusagen ein Lehrjahr ermöglicht worden wäre. Die ehemalige Schweizer Nationaltorhüterin hätte sich einarbeiten können, die Spieler hätten sie besser kennengelernt, und sie wäre in diesem Jahr zu den Kontakten gekommen, die sie als Sportchefin dringend braucht. Sie hätte sich den nötigen Respekt zu einem Zeitpunkt erarbeiten können, in dem sie noch nicht für alles verantwortlich gemacht worden wäre.

Lüthi hat nicht nur zu wenig bedacht, dass - gerade im Männereishockey - die Anforderungen an eine Frau wohl noch höher sind, als sie dies bei einem Mann wären. Er hat ebenfalls nicht bedacht, dass sich auch die Spieler, Funktionäre und die Agenten erstmal an eine Frau gewöhnen müssen. Das wird schwierig, wenn diese Frau - was zu Beginn nicht überrascht - noch Schwächen zeigt. Insbesondere in der Kommunikation machte Schelling zuweilen markante Fehler.

Don Nachbaur ist weg. Damit wurde ein Fehler korrigiert. Die Fehler, die mit Florence Schelling (nicht mit ihrer Verpflichtung !!!) gemacht wurden, lassen sich nicht einfach so korrigieren. Natürlich könnte man sie einfach entlassen. Man könnte sich darauf berufen, dass "es halt nicht gepasst habe". Man könnte sich höflich für die geleistete Arbeit bedanken und dann mit einem neuen Sportchef zur Tagesordnung übergehen.

Aber dies geht nicht ohne Gesichtsverlust. Vor allem nicht, wenn die Presse für einmal ganz genau hinschaut. Denn bei einer Entlassung von Schelling würden die eigenen Fehler einfach unter den Teppich gekehrt. Die Sportchefin wäre dann ein Bauernopfer.

Wobei - ich sehe nicht, wie man dies jetzt noch verhindern könnte. Allein mit Machtworten Lüthis lässt sich diese Situation nicht mehr retten. 

Diese Zeilen sind mit allergrösstem Respekt geschrieben. Ich verneige mich vor Florence Schelling.