Keine Zuschauer, verzerrter Wettbewerb, fehlende Einnahmen:

Wie können wir zum Überleben der SCL Tigers beitragen?

Die Liga steckt in der Zwickmühle: Die Fortsetzung der Meisterschaft unter Corona-Bedingungen kostet viel Geld. Nicht besser wird es bei einem Abbruch der Saison. Viele Klubs sind von der Krise schwer getroffen. Am heftigsten von allen National League Klubs trifft es die SCL Tigers.

Blog • • von Bruno Wüthrich

Zuerst mal etwas Kritik an unsere Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte. Der Verzicht auf schweizweite Massnahmen verzerrt nicht nur den Wettbewerb im Sport. Sondern er führt auch zu uneinheitlicher Behandlung unserer Bevölkerung. Denn diejenigen, die jetzt Massnahmen ergriffen haben, werden nicht einfach etwas früher als die Anderen wieder lockern können. Nein, sie werden dereinst warten müssen, bis allgemein gelockert werden kann. Und diejenigen Kantone, deren Massnahem heute immer noch recht locker sind, werden diejenigen sein, welche am Schluss dafür verantwortlich sind, dass auch in Kantonen wie dem Kanton Bern erst später gelockert werden kann. 

Ist es zu fassen: in St. Gallen darf ein Fussballspiel vor 11'000 Zuschauer stattfinden. In Bern sind jedoch keine Zuschauer mehr erlaubt. Spiele der ZSC Lions dürfen vor mehr als 7'000 Zuschauern stattfinden. Beim SC Bern, dem EHC Biel und den SCL Tigers müssen die Eishallen leer bleiben. Dabei ist der Kanton Zürich stärker von Covid-19 betroffen als der Kanton Bern. Geradezu lächerlich sind die Fallzahlen im Emmental im Vergleich zur Stadt Zürich. Oder sollen wir gleich mit Genf vergleichen?

Die Kritik in diesem Blog geht nicht an den Kanton Bern, obwohl die Regierung in unserem Kanton durchaus ebenfalls zu Kritik Anlass bieten würde. Viel mehr geht die Kritik an den Bundesrat, der aktuell äusserst schwach wirkt und sich nicht willig zeigt, das Zepter wiederum richtig in die Hand zu nehmen. In der aktuellen Lage wäre jedoch genau dies angezeigt. Einheitliche Regeln für alle! Keine irgendwie geartete Wettberwerbsverzerrungen. Entschädigungen für die Betroffenen. Solidaritätszahlungen von den Krisengewinnlern (z.B. vom Onlinehandel). 

Auch der Sport muss entschädigt werden. Brot und Spiele sind systemrelevant. Wenn das Volk murrt, kann man nicht mehr regieren. In einer Krise kann zwar durchaus eine Zeitlang auf Spitzensport verzichtet werden. Aber danach ist dieser umso nötiger. Die Sportklubs dürfen in der Krise nicht untergehen. Die Kantone und der Bund haben zuzu beizutragen, dass dies nicht geschieht. Es braucht Entschädigungszahlungen à fonds perdu.

Doch dies allein wird nicht reichen. Zumindest nicht im Fall der SCL Tigers. Das Langnauer Eishockeyunternehmen hat die Einnahmen für die Saison 2020/21 schon gemacht. Sie bestehen aus dem Verkauf der Saisonabonnemente, von den Sponsorings und aus dem Anteil, den sie von den Fernsehrechten erhalten. Weitere liquiditätsbringende Einnahmen sind ausgeschlossen. Ohne Zuschauer sowieso. 

Bei einem Saisonabbruch drohen jedoch Rückforderungen. Was geschieht mit dem Geld aus den Fernsehrechten? Wie werden die Sponsoren reagieren? Wie die Saisonabo-Besitzer? Werden zu viele Rückzahlungen gefordert, dann gute Nacht SCL Tigers.

Lohnkürzungen? - Ja, aber...

Hilft ein Lohnverzicht der Spieler? Schliesslich ist die Gesamtlohnsumme der weitaus grösste Kostenfaktor im Unternehmen SCL Tigers. So gesehen ist die Antwort klar: Ja, das würde helfen. Die Löhne der Spieler wurden - selbstverständlich im gegenseitigen Einverständnis - bereits um 15 Prozent gekürzt. Geschäftsführer Peter Müller hat angekündigt, dass wohl ein weiteres Mal mit den Spielern geredet werden müsse. Doch was sind die Folgen davon?

Die SCL Tigers zahlen ligaweit die tiefsten Löhne. Die teuersten Spieler im Kader der Langnauer sind meilenweit entfernt von den Gehältern wie sie ein Leonardo Genoni und ein Gregory Hofmann beziehen. In Langnau gibt es Spieler, die in sieben Jahren nicht so viel verdienen wie die beiden oben Genannten in einem Jahr. Hinzu kommt, dass viele Menschen - längst nicht nur im Sport - ihren Lebensstandard dem Einkommen anpassen. Dies erkennt man daran, dass viele Privatkonkurse Leute betreffen mit Einkommen zwischen 10'000 und 15'000 Franken monatlich. Wird so jemand arbeitslos, fehlt plötzlich ziemlich viel Geld für die Zahlung der teuren Mieten, Leasings etc. Obwohl auch dann das Einkommen dajenige einer normalen Arbeiterfamilie immer noch übersteigt. Schwierig wird es deshalb, weil dann plötzlich der Betrag, der verplant ist, das Einkommen übersteigt. Verplante Beträge lassen sich oft nicht einfach wegsparen. Jeder, der schon mal ein Leasing künden wollte, weiss das.

Die Spieler der SCL Tigers werden ja noch nicht einmal arbeitslos. Zumindest nicht, solange die Saison noch läuft und/oder es die SCL Tigers noch gibt. Sie sollen einfach trotzdem auf Einkommen verzichten. Dies trifft vor allem diejenigen hart, die nicht so viel verdienen, und die sich nicht nur um sich selbst, sondern noch um eine Familie kümmern müssen. Julian Schmutz war am vergangenen Donnerstag nach dem Heimspiel gegen Rapperswil anzusehen, wie sehr in die Situation und die Ungewissheit belasten. Geht es ans Eingemachte, ans Einkommen und das Bestreiten der Gegenwart, so funktioniert auch ein Spieler genau so wie jeder andere Mensch in der gleichen Situation.

Löhne kürzen? Ja - aber... - mit Augenmass. Die Spieler müssen ihre Kosten bestreiten können. In einer existenzbedrohenden Notlage oder mit allzuviel finanzieller Unsicherheit lässt sich auf die Dauer nur sehr schwer die bestmögliche Leistung abrufen. Ausserden bestehen ja Verträge. Die wurden gegenseitig unterzeichnet. Verträge sind Rechtstitel. In der Regel beinhalten sie keinerlei Lohnkürzungsmöglichkeiten, mit Ausnahme im Fall eines Abstiegs.

Rückforderungs-Verzicht

Die grösste Gefahr für die SCL Tigers besteht in den Forderungen von Vertragspartnern (Besitzern von Saisonabonnementen, Sponsoren, Fernsehrechte-Inhaber). Vertragspartner bei den Fernsehrechten sind jedoch nicht die SCL Tigers, sondern ist der Verband. Ihm obliegt es, mit MySports über die ausgehandelten und wohl bereits bezahlten Beträge zu verhandeln. Unterliegt der Verband bei den Verhandlungen oder vor Gericht, tragen in erster Linie die Klubs die Konsequenzen, ohne sich grossartig dagegen wehren zu können.

Aber auch bei den Sponsoren könnte die Sache schwierig werden. Zwar ist kaum denkbar, dass in den Verträgen mit den Sponsoren Pandemien ein Thema sind. Rückforderungen wären zumindest aus rechtlichlicher Sicht wohl schwierig. Doch wie soll irgendwann ein neuer Vertrag ausgehandelt werden können, wenn der gewünschte Vertragspartner mit den Leistungen in der Vergangenheit nicht zufrieden ist? Die SCL Tigers könnten also in Zukunft bitter bezahlen müssen, wenn sie mit ihren Sponsoren jetzt kein Einvernehmen erzielen. Rechtliche Situation hin oder her.

Bleiben nur noch die Zuschauerinnen und Zuschauer. Der Kauf eines Saisonsabonnementes ist für viele von ihnen ein rechter Betrag. In dieser, aktuellen Saison erhalten sie vergelichsweise wenig Gegenwert dafür geboten. Dafür aber können die SCL Tigers nichts. Das ist höhere Gewalt.

Ich bin zuversichtlich, dass all jene, die sich ein Saisonabonnement leisten, dies tun, weil sie sich mit den SCL Tigers verbunden fühlen. Es geht in den allermeisten Fällen nicht einfach darum, 25 oder noch mehr Mal im Jahr einem Sportevent beizuwohnen. Viel mehr geht es um die SCL Tigers. Diese sind ein Teil der Identität eines jeden Fans. Gleichgültig ob aus der Kurve oder auf einem Sitzplatz. Wir alle sind die SCL Tigers. Weil wir unsere Eishockeyaner auch nächste Saison noch sehen wollen, sollten wir - in jedem Fall (!!!) - auf die Rückerstattung unserer Saisonabonnemente verzichten.

Ohne wenn und aber !!!