Gedanken zum Abgang von Heinz Ehlers:

Zeit, die SCL Tigers neu zu denken

Der Abgang von Heinz Ehlers nach dieser Saison ist für die SCL Tigers zweifellos ein herber Verlust. Kaum ein anderer Trainer versteht es wie er, aus einem Minimum an Potential das Maximum herauszuholen. Jetzt braucht es eine neue Vision.

Blog • • von Bruno Wüthrich

Die SCL Tigers haben in der letzten Saison mit einem tollen sechsten Rang nach der Qualifikation die Playoffs erreicht, und in diesen gegen den HC Lausanne über sieben Spiele eine gute Falle gemacht. In der aktuellen Spielzeit sah es ebenfalls lange nach Playoffs aus, bis dann die Langnauer gegen Ende der Saison zu schwächeln begannen. Von den letzten 13 Partien gewannen sie gerademal noch deren drei und holten sich dabei 9 Punkte, was ein Abrutschen auf Rang 11 in der Tabelle zur Folge hatte.

Doch über dieses Abrutschen wollen wir gar nicht lang lamentieren. Denn dieser 11. Rang ist ungefähr das, was dem Potential der Mannschaft entspricht, unter der Voraussetzung, dass alle 12 Mannschaften der Liga ihr Optimum herausholen. Die Tiger wurden deshalb in den letzten Wochen lediglich auf den Boden der Realität zurückgeholt. Eventuell ist dieser Realitäts-Abgleich sogar heilsam. Wir hoffen es.

Sind die SCL Tigers noch ein Ausbildungsklub?

Bis vor einigen Jahren war klar: die SCL Tigers wollen ein Ausbildungsklub sein. Sie sind es längst nicht mehr, vor allem, wenn sie sich mit der Konkurrenz vergleichen. Im Kader der Langnauer befinden sich gerade mal fünf Spieler, die 23 Jahre alt oder jünger sind. Alain Bircher (23) und Rihard Melnaksnis (20) werden nicht in der NLA eingesetzt, Stefan Rüegsegger (21) zuletzt nicht mehr. Doch er kommt wie auch Jules Sturny (23) und Loic In-Albon (22) auf über 30 Einsätze in der obersten Spielklasse. Zusammen kommen die drei Jungprofis der SCL Tigers in der bisherigen Saison auf 103 NLA-Aufgebote.

Da kommen andere Mannschaften auf ganz andere Werte. Der HC Ambri-Piotta führt 10 Spieler bis und mit 23 Jahre in seinem Kader. Gemeinsam kommen sie auf 242 Aufgebote in der NLA. Noch besser sieht es beim HC Davos aus, bei welchem insgesamt elf Nachwuchsleute auf insgesamt 309 Einsätze (wobei 33 anlässlich von Ausleihen bei anderen NL-Klubs) kamen. Auch der HC Genf-Servette bringt es bei elf Nachwuchskräften auf insgesamt 273 Aufgebote.

Zugegeben: da fehlen weitere acht Klubs, denen ich jetzt nicht zu nahe getreten bin. Wer sich dafür interessiert, kann die Vergleiche zu diesen Klubs ja selber ziehen. Meine Quellen waren hockefans.ch und eliteprospects.com. Doch aus den genannten drei Vergleichsbeispielen können wir ungefähr erkennen, was gefordert wäre, wenn die SCL Tigers ein richtiger und guter Ausbildungsklub sein möchten.

Wir müssen jedoch etwas relativieren. Einige der Nachwuchsleute, die in diesen Vergleich reingerutscht sind, müssen wir heute Als fertige Spieler betrachten, auch wenn sie noch eine grosse Entwicklung vor sich haben. Doch Spieler wie Noah Rod und Deniss Smirnovs von Genf-Servette, Dominic Zwerger von Ambri oder Benjamin Baumgartner vom HC Davos sind Stammspieler. Sie müssen nicht mehr behutsam an ihr höchstes Niveau herangeführt werden, sondern sind bereits äusserst wichtige Teamstützen.

Aber zurück zu den SCL Tigers: Es stellen sich Fragen. Was braucht es, damit die SCL Tigers mit den besten Ausbildungsklubs mithalten können? Ist ihre Vorgehensweise schlecht? Ist es falsch, junge Spieler zuerst in die Swiss League zu schicken?

Die Antwort: Nein, dies muss überhaupt nicht falsch sein. Aber es zeigt, dass es die jungen Spieler in Langnau schwer haben, in der NLA eingesetzt zu werden. Dies kann an mehreren Faktoren liegen.

  1. Die jungen Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, oder diejenigen, die sich für ihre Entwicklung die SCL Tigers ausgesucht haben, brauchen diesen Zwischenschritt über die Swiss League, weil für sie der Schritt von den Elitejunioren direkt in die NLA zu gross wäre.
  2. Der Kader der 1. Mannschaft der SCL Tigers ist nicht so gut, als dass es sich die sportliche Führung erlauben könnte, junge Spieler einzusetzen. Denn in Langnau kommen in jedem Spiel gegen 6'000 Zuschauer, und diese wollen ihr Team gut spielen und siegen sehen. Langnau muss in jeder Saison möglichst lange um die Playoffs spielen können.
  3. Das Scouting der SCL Tigers ist nicht gut genug. Zwerger und Hofer finden den Weg nach Ambri und Baumgartner nach Davos, aber sie landen nicht in Langnau. Aus welchen Gründen auch immer. Das kann durchaus am Scouting liegen oder aber daran, dass die Langnauer keine gute Adresse für Nachwuchsleute mehr sind.

Diesmal lediglich eine «normale» Saison

Ende Saison kehrt also Heinz Ehlers den SCL Tigers den Rücken. Dies ist Frustration und Chance zugleich. Frustration deswegen, weil sich die Klubführung im sportlichen Bereich nach hinten lehnen und abwarten konnte. Der Heinz richtet das dann schon, schien die Devise zu sein. Nach dem überraschenden sechsten Rang in der Qualifikation der letzten Saison sah man sich wohl etwas zu sehr auf der sicheren Seite. Zwar schien die Mannschaft leicht verstärkt, doch leider zu wenig, um den Rückgang von einer überragenden auf eine normale Saison personell abfangen zu können. Der sechste Rang der letzten Saison ist im Vergleich zur Normalität um drei bis vier Ränge zu hoch ausgefallen. Es war also eine Ausnahmesaison, die man am besten auch so sieht. In der aktuellen Spielzeit wurden die Langnauer – im Gegensatz zu 2018/19 - von schlechten Serien nicht verschont. Auch die Verletzungshexe schlug zu. So konnte beispielsweise Alexei Dostoinov nur 21 von 50 Partien antreten, die meisten davon gesundheitlich angeschlagen. Als er für die letzten drei Partien der Qualifikation endlich völlig gesund ins Team zurückkehrte, sah man sofort, wie wichtig er für die Mannschaft ist. Schwer ins Gewicht fiel auch der gleichzeitige Ausfall der beiden Verteidiger-Cracks Yannick Blaser und Sebastian Schilt.

Wir dürfen aber den Leistungsrückgang nicht an den Verletzungen festmachen. Das wäre fatal. Denn Verletzte gab es in der Saison zuvor ebenfalls. Die Spielzeit 2019/20 wird einfach als eine derjenigen Saisons in die Geschichte eingehen, in welcher die Langnauer gemäss ihrem Leistungspotential performten. Das Sieger-Gen war irgendwie verschwunden, die Disziplin oftmals ebenfalls.

Eine neue Vision muss her

Die SCL Tigers müssen ehrgeiziger werden. Eine gelegentliche Playoff-Qualifikation genügt nicht. Ebenfalls nicht genügend ist es, ein Bisschen den Nachwuchs zu fördern. Es braucht den Anspruch, ein Mittelfeldteam der National League zu stellen mit regelmässigen Playoff-Qualifikationen. Und es braucht den Willen, innerhalb von überschaubarer Zeit eine der besten Organisationen der Nachwuchsförderung im schweizerischen Eishockey zu stellen. Damit ist gemeint, dass es gelingen muss, regelmässig eigene Junioren in der National League zu platzieren, aber auch, eine gute Adresse für auswärtige Nachwuchsspieler zu werden. Und zwar nicht nur für solche, die sonst keinen Klub finden, der sie fördert, sondern für solche, welche die SCL Tigers als Sprungbrett für ganz nach oben, also an die Spitze der National League oder gar in die NHL betrachten.

Keine Ausreden

Natürlich – ich höre es schon, wie einmal mehr erklärt wird, dass für die Realisierung derart utopischer Forderungen das Geld fehle. Dass Langnau einfach nicht die Mittel habe, um mit einer solchen Kelle anrichten zu können.

Aber einerseits verlangt niemand den Meistertitel und auch nicht den Playoff-Final. Verlangt wird eine bessere Rolle in der Qualifikation und ein gelegentliches Husarenstück (sprich Halbfinalqualifikation) in den Playoffs. Dass dies nicht kostenneutral möglich ist, liegt auf der Hand. Aber Visionen, welche professionell verfolgt werden, lassen sich besser verkaufen als der «Courant normal», welchen die SCL Tigers seit Jahren fahren, und aus welchem sie nur ein Trainer mit ausserordentlichen Fähigkeiten und unter Nichtberücksichtigung der jungen Spieler gelegentlich einmal herausholen kann.

Die SCL Tigers dürfen sich nicht begnügen mit Bemühungen, die fairsten Fans zu haben. Die haben wir sowieso, und dies bleibt auch so, wenn sie etwas «gepflegt» werden. Wir brauchen gezielte und erfolgreiche Nachwuchsförderung gleichzeitig mit sportlichem Erfolg. Das heisst, keine Genügsamkeit bei Ligaerhalt, sondern regelmässige Qualifikation für die Playoffs. Um beides – erfolgreiche Nachwuchsförderung und regelmässige Playoff-Qualifikation – erreichen zu können, sind nebst vier sehr guten Ausländern auch zwei bis drei überdurchschnittliche Spieler mit Schweizer Lizenz nötig, die Spiele entscheiden können. Nur so können im vierten und möglicherweise sogar im dritten Block Nachwuchskräfte eingesetzt werden, ohne den Sieg gleich freiwillig an den Gegner abzutreten.

Heinz Ehlers geht und deshalb braucht es einen neuen Trainer. Aber noch vorher brauchen wir eine neue Idee für den Verein, eine Vision davon, was wir, und wie wir es erreichen wollen. Damit dann gleich von Beginn weg der richtige Mann ausgesucht werden kann.

Dazu notwendig ist auch Führung aus dem Verwaltungsrat. Das oberste Gremium sollte sich nicht überall einmischen. In der Causa DiDomenico könnte die Einmischung eventuell falsch gewesen sein. Doch die Wahl des neuen Trainers ist in der aktuellen Situation von so entscheidender Bedeutung, dass man diese nicht allein dem Sportchef überlassen kann.

Heinz Ehlers war für vieles der richtige Mann. Er hat gezeigt, dass bei richtiger Führung Ausserordentliches möglich ist. Wenn die Verantwortlichen der SCL Tigers dies nicht nur auf den Sport, sondern auf die ganze Organisation adaptieren, so ist ein erster Schritt bereits getan.

Es sagt niemand, es sei leicht in Langnau.