Berner Zeitung

1:12 - Initiative bedroht die Saläre der Fussballstars

Im Visier hat die Linke die «Abzockermanager», doch ihre 1:12-Initiative trifft auch die Profisportler.

Presse • • von Stefan Häne

 

Sie alle sind gut betucht, und doch könnte ihr Image in der Bevölkerung nicht unterschiedlicher sein: hier Manager wie Daniel Vasella, als Abzocker gebrandmarkt, dort Spitzensportler wie Roger Federer, gefeiert als Stars. Als Feindbilder im politischen Kampf eignen sich Sportidole daher kaum.

 

Das wissen auch die Jungsozialisten, die mit ihrer 1:12-Initiative sicherstellen wollen, dass das Spitzengehalt in einer Firma das Zwölffache des tiefsten Lohnes nicht überschreitet. Im Visier haben die Initianten zwar explizit die «Abzockermanager». Doch das Ansinnen, das seit dem wuchtigen Volks-Ja zur Minder-Initiative Rückenwind verspürt, zielt auf alle Spitzensaläre. Fussballspieler, aber auch die teils sehr gut bezahlten Trainer sind Angestellte ihrer Vereine, wo auch Kleinverdiener wie der Platzwart oder das Putzpersonal arbeiten. Und Einzelkämpfer wie Tennisspieler sind ebenfalls Unternehmer, schliesslich beschäftigen und bezahlen sie einen ganzen Betreuerstab.

 

Das Wort Abzocker fällt nicht

Entsprechend sanft sind die Töne, die linke Politiker gegenüber den Stars im Spitzensport anschlagen. SP-Nationalrat Cédric Wermuth kommt das Wort «Abzocker» nicht über die Lippen – weder bei Alex Frei noch bei Marco Streller, die beim FC Basel gemäss Medienberichten um die 1,5 Millionen Franken pro Jahr verdienen sollen. Und auch nicht bei Roger Federer, der es pro Jahr auf zweistellige Millionenbeträge bringen dürfte.

 

Auch andere Sozialdemokraten wirken gehemmt: Der sportbegeisterte Nationalrat Matthias Aebischer bittet um Bedenkzeit, um seine Antwort formulieren zu können. Dann sagt er, er würde nie jemanden als Abzocker bezeichnen, auch Manager nicht. Ob er die Millionensaläre für Sportler degoutant findet, darauf antwortet er nicht direkt: In den 80er-Jahren, erinnert er sich, hätten die hohen Löhne von Fussballern wie dem Argentinier Diego Armando Maradona noch Empörungspotenzial gehabt. Doch mittlerweile habe sich die Bevölkerung daran gewöhnt. Er begrüsse es daher, «dass die 1:12-Überlegungen auch auf den Sport übertragen werden».

 

Dass die Linke die Sportler schont, bestreitet Wermuth: «Ich habe für die teils sehr hohen Löhne im Sportbereich nie Verständnis gehabt.» Es sei bereits ein enormes Privileg, sein Hobby zum Beruf machen zu können. Sich eine goldene Nase damit zu verdienen, geht für Wermuth allein deshalb schon zu weit. «Spitzensportler sollen genügend verdienen, aber stets so, dass das Verhältnis 1:12 gewahrt bleibt.» Dass Federer zweistellige Millionenbeträge verdiene, sei genauso «absurd» wie Vasellas Lohn. Kein Abzocker ist Federer in Wermuths Logik, weil er sich anders als die Managerkaste den Lohn nicht selber auszahle.

 

Mehr als 1:12 beim FC Basel

Die Fussballvereine, heute meist als Aktiengesellschaften organisiert, zeigen sich überrascht, dass die 1:12-Initiative auch sie treffen könnte. Die Saläre ihrer Spieler geben sie zwar nicht bekannt, beim FC Basel räumt man aber ein, dass eine Annahme der Initiative zumindest in Einzelfällen Konsequenzen zeitigen könnte. Ein Engagement des FCB gegen die Initiative schliesst Sprecher Josef Zindel gleichwohl aus. Er weist aber auf einen für die Debatte womöglich wichtigen, «monumentalen Unterschied» hin: Topspieler wie Alex Frei erhielten hohe Gehälter bis 35, danach müssten sie sich, oft ohne Berufsausbildung oder Berufspraxis, neu orientieren. Anders die Topmanager, die bis zur Pension und teils darüber hinaus Spitzensaläre bezögen. «Übers ganze Berufsleben gesehen, verdient ein Fussballer in der Schweiz damit sicher nicht unanständig viel.»

 

Andere angefragte Clubs versichern, bei ihnen sei die Lohnschere kleiner als 1:12, etwa der FC Zürich oder die Grasshoppers. Beweise in Form von Lohnzahlen veröffentlichen die Clubs aber nicht. Wie viele Fussballprofis in der Schweiz bei einem Ja zur Initiative Lohnabstriche hinnehmen müssten, ist deshalb unklar. Geht man von Tiefstlöhnen um die 50'000 Franken in den Clubs aus, dürfte kein Spieler (und Trainer) mehr als 600'000 Franken verdienen. Szenenkenner rechnen mit nur wenigen betroffenen Akteuren. Dasselbe gilt für andere Sportarten wie etwa Eishockey. Trotzdem ist in Fussballkreisen bereits die Rede davon, Angestellte mit tiefen Löhnen auszulagern, um sicher nicht unter die 1:12-Initiative zu fallen. Eine andere Idee: Nicht der Club, sondern ein Mäzen soll künftig die Spitzenspieler bezahlen.

 

Meiden die Stars künftig die Schweiz?

SP-Nationalrat Wermuth macht jedoch klar, dass die Initianten solche «Schlaumeiereien» nicht tolerieren würden. Er verweist auf den Initiativtext, der von «Unternehmen» spricht was unterschiedliche juristische Personen einschliesse, die nicht autonom voneinander wirtschafteten. Teile einer Holding, Managementgesellschaften, Subunternehmen oder Selbstständige im dauerhaften Auftragsverhältnis fallen damit alle unter die 1:12-Regel, wie er sagt. Explizit festgehalten ist diese Definition im Initiativtext aber nicht. Laut Wermuth wird das Parlament dies im Ausführungsgesetz zur Initiative regeln müssen.

 

Den neuen Drall im Streit um Spitzenlöhne wollen sich die Bürgerlichen im Abstimmungskampf zunutze machen; der Urnengang erfolgt wohl diesen Herbst. Fussball sei ein Lebensgefühl, speziell für Leute aus sozial schwächeren Schichten, sagt SVP-Nationalrat Jürg Stahl. «Wir werden aufzeigen, dass die 1:12-Initiative dieses Lebensgefühl bedroht.» Es bestehe die Gefahr, dass die Clubs keine Spitzenspieler mehr verpflichten könnten. Christian Wasserfallen (FDP) hofft, dass sich die von Links angefachte Moraldebatte um Löhne nun totlaufen wird. «Der Sport ist ein Beispiel mehr, mit dem wir den Leuten die Augen öffnen können.»

 

Spitzenlöhne in Frankreich

 

Wie Ibrahimovic Hollande ausdribbelte
Als François Hollande im letzten Mai an die Macht kam, traf das die Präsidenten der Ligue 1, Frankreichs höchster Fussballliga, mitten in ihrer Vorbereitungsphase für die nächste Saison. Man war gerade dabei, die Kader zu justieren, Neuzuzüge zu prüfen, zu rechnen. Die Wahl Hollandes komplizierte diese Planung ganz gehörig. Als Kandidat hatte der Sozialist verheissen, er werde alle Spitzenverdiener im Land mit einer Solidaritätsabgabe belegen – einer zeitlich begrenzten Supersteuer für Superreiche in Zeiten der Krise: Mit 75 Prozent sollten all jene Jahreslöhne taxiert werden, die über 1 Million Euro liegen.

 

In der Ligue 1 war der Katzenjammer gross. Die Clubbesitzer beschworen die Gefahr herauf, dass nun ein wahrer Exodus der grössten Talente einsetzen werde, dass der Staat so die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Liga beschädige. Von den 150 Spielern, die in Frankreich offenbar über 1 Million verdienen, so hiess es, würden wohl viele nach England oder Spanien ziehen und die ohnehin sportlich recht bescheidene nationale Meisterschaft weiter ausdünnen. Die wahre Sorge der Verantwortlichen: Sie fürchteten, ihre Stars würden dem Club schon treu bleiben, sofern der denn die Sondersteuer übernehme.

 

Das Paradebeispiel dafür lieferte der schwedische Starstürmer Zlatan Ibrahimovic, kurz Ibra genannt, vormals beschäftigt in Italien. Anfang Sommer 2012 handelte Ibra die Konditionen aus, an denen sein spektakulärer Transfer zu Paris Saint-Germain hängen sollte. Haupttraktandum war Hollandes Reichensteuer. Ibrahimovic machte den katarischen Besitzern des PSG klar, dass er nur nach Paris wechseln würde, wenn man ihn mit dieser lästigen Abgabe in Ruhe lasse. Für die Scheichs aus Katar war das eine Bagatelle: Sie sprachen ihm einfach ein Nettosalär von 14 Millionen Euro zu – das sechsthöchste in der Fussballwelt –, und da unterschrieb Ibra.



Ein Steuerexperte hat einmal ausgerechnet, wie viel die Katarer tatsächlich für den Schweden ausgeben müssten, wenn nach Entrichtung der Supersteuer netto noch immer 14 Millionen übrig bleiben sollen. Es kam eine absurde Summe heraus. Einige Minister Hollandes beglückwünschten sich schon für den Transfer Ibrahimovics, der dem Staat mehrere Dutzend Millionen Euro einbringen sollte. Nun hat aber der Verfassungsrat die Reichensteuer für verfassungswidrig erklärt. Hollande beteuert zwar, er werde eine neue Version auflegen. Doch es gibt Zweifel, dass die Steuer je kommen wird.



Und so hat nun Ibra ein astronomisches Nettogehalt für französische Verhältnisse. Die Katarer werden wohl weniger Steuern bezahlen müssen dafür als eigentlich geplant, was sie aber kaum kümmert. Und die Präsidenten aller anderen, kleineren Vereine atmen auf: Sie hätten das Geld nicht gehabt, um ihre Besten länger zu halten. Nicht wie die Scheichs. (om)