Berner Zeitung

Der Hoffnungsträger des Emmentals

Für Seilunternehmer Peter Jakob sind die SCL Tigers das Aushängeschild des ganzen Emmentals. Die neue Ilfishalle liess er sich Millionen aus der eigenen Tasche kosten. Er kämpft gegen den Abstieg der Region.

Presse • • von Stefan von Bergen

Für einen, der ein Himmelfahrtskommando führt, wartet Peter Jakob erstaunlich entspannt vor der Ilfishalle. Er schwärmt vom «Piazzagefühl», das aufkomme, wenn sich die Fans vor dem neuen Langnauer Eishockeytempel sammelten. Nach dem Spiel gehe gegenüber im Kühni-Treff, einer früheren Pelzzurichterei, die Post ab. Im Emmental gibt es auf einmal ein Nightlife.

 

Epizentrum der Hoffnung

Die neue Ilfishalle ist das Epizentrum der Emmentaler Hoffnung. Peter Jakob ist der Hoffnungsträger. Der Inhaber der gleichnamigen, global tätigen Seilfirma in Trubschachen hat 2009 die damals überschuldeten SCL Tigers als Verwaltungsratspräsident übernommen, zusammen mit dem Verein «Rettet den Tiger». Als 2010 der Bau der Halle begann, rechnete er damit, 2 bis 4 Millionen aus seiner Firmenkasse in die Zukunft des Clubs zu investieren. «Nun sind es 17 Millionen Franken geworden, ich habe mit all meinen Grundsätzen gebrochen und bin voll ans Limit gegangen», sagt der feingliedrige Jakob ungerührt. Seine vorher schuldenfreie Firma habe sich Schulden aufgeladen. «Du kannst nur verlieren», warnten ihn Freunde angesichts des Vorhabens, mit einer neuen Eishalle dem Hockeyclub vom Land das Überleben unter den Grossen zu sichern. Ein Himmelfahrtskommando sei das. Jakob liess sich nicht abschrecken.

 

Als die Halle im Oktober eröffnet wurde, hofften Jakob und seine Crew, dass sich die Aufbruchstimmung auf das Eisfeld übertrage und von dort zurückwirke auf den Geschäftsgang. Aber die Tigers stecken in ihrer schlechtesten Saison seit 14 Jahren. Erst wurde Trainer John Fust freigestellt, dann Geschäftsführer Ruedi Zesiger entlassen. Die heute beginnenden Playout-Spiele um den Ligaerhalt startet der Club vom letzten Platz aus. «Wir sind enttäuscht», sagt Jakob, «aber wir werden nicht absteigen.»

 

Idealistische Investition

Jakob hat schon viele durch die neue Halle geführt. Aber er tut es immer noch mit Enthusiasmus. Wir marschieren durch Betonkatakomben, erklimmen Treppen und blicken in die neue Eishalle, die nun 6000 Zuschauer fasst. Jakob erläutert das in der Schweiz einzigartige «Meccano von öffentlicher und privater Initiative», das hinter dem Stadionbau steht. 40 Prozent der Umbaukosten von 30 Millionen Franken trug die öffentliche Hand, 60 Prozent zahlten private Firmen.

 

Jakobs Seilfirma baute den Nordtrakt mit Saalanlagen und Gastronomie. «Hier wird nicht Geld reingewaschen, hier kommandieren keine zwielichtigen Tschetschenen», sagt Jakob. Die beteiligten Firmen GLB, Fischer und Kühni seien in der Region bekannt. Sie haben Opfer auf sich genommen: A fonds perdu errichteten sie Stadionteile, die sie mietfrei den SCL Tigers überlassen. Auf dass diese darin Gewinne erwirtschaften.

 

Wir betreten den enormen Tigersaal. 1000 Menschen finden Platz. Die Küche kann 2000 verköstigen. Die Lüftung vertreibt jeden Fonduemief, Sicherheitsvorkehrungen, Schalldämpfung und Bühne erlauben Konzerte. «So einen Saal gab es bis jetzt in der Region nicht», sagt Jakob. Er hofft, dass der Saal Grossevents aus der 35 Zugminuten entfernten Agglomeration Bern anlockt. 2014 soll in der Ilfishalle erstmals ein Länderspiel stattfinden.

 

Im Restaurant sitzen wir unter den Schwarzweissfotos der Hockeygötter, die 1976 Langnaus einzigen Meistertitel errangen. Das Stadion, rechnet Jakob vor, beschert der Region über hundert Teilzeitjobs und ein Restaurant, das die Saison des Hockeyclubs in den Sommer verlängert. Über dem Saal entsteht ein Fitnesscenter. Ob das Geschäftsmodell funktioniert, lässt sich nach drei Monaten noch nicht sagen.

 

Die Rettung des Emmentals

Für Jakob geht es um mehr als Eishockey. Weil die SCL Tigers der stärkere Emmentaler Magnet seien als der Käse, reagierte er zusammen mit regionalen Unternehmern, als 2009 der Verein «Rettet den Tiger» gegründet wurde und die Gemeinde ein in 10 Jahren rückzahlbares Darlehen gewährte. Jakob spürte: «Hilft man jetzt nicht, dann sind die Tigers unwiederbringlich weg.» Die Rechnung der Unternehmer, die sich für den Stadionbau massiv in Unkosten stürzten, war einfach: Gespielt wird an mindestens 27 Spieltagen, aber der Club muss auch in den übrigen elf Monaten Geld verdienen.

 

Warum tut sich Jakob dieses Himmelfahrtskommando an? Es geht ihm ums Emmental. Um dessen Wiederbelebung. Jakob erzählt mit dem Aussenblick des polyglotten Unternehmers von der Trubschachener Käsefirma Mauerhofer, dem ersten Käseexporthaus der Schweiz. Der noch lebende Seniorchef sei einst ein Jahr lang nach Mexiko geschickt worden, um weltgewandt zu werden. Jakob sieht seine Firma, die in Vietnam kühn eine Produktionsanlage errichtet hat, in dieser Tradition. Heute existieren die einst traditionsreichen Emmentaler Käseexporthäuser nicht mehr. Jakob und die Biskuitfirma Kambly halten in Trubschachen die Stellung. Zwischen dem Dorf und Hasle hat sich in den letzten 20 Jahren keine neue Firma mehr angesiedelt. «Das östliche Emmental ist wie die Leventina, der Transportverkehr zur Gotthardroute fährt ohne Halt vorbei», sagt Jakob. Das Emmental ist bei der Steuerkraft der zweitschwächste der zwölf Berner Kantonsbezirke.

 

Mit der Strukturkrise des ländlichen Raums allein könne man das nicht rechtfertigen, findet Jakob: «Wir schlafen im Emmental.» Früher habe man das arme benachbarte Entlebuch belächelt. Heute siedelt es Firmen an, fusioniert Gemeinden, vermarktet sich mit dem neu gegründeten Biosphärenreservat, an dem sich die Emmentaler nicht beteiligen. «Im Emmental hört das räumliche Denken am Ortsschild auf», findet Jakob.

 

Nicht auf reichen Götti warten

Er rät dem Emmental, nicht in einer Empfängerhaltung zu verharren. Kopfschüttelnd erzählt er, dass die Feuerwehren von Trub und Trubschachen beim Zusammenschluss der benachbarten Feuerwehren nicht mitmachten. Und dass neue Strassen deshalb geteert würden, «weil sie ja der Kanton zahlt». Das Emmental dürfe nicht auf einen Götti warten, der zahle, es müsse ich selber helfen, findet Jakob.

 

Er erzählt von der Wirkung verrückter Projekte: der Jungfraubahn oder des Guggenheim-Museums, das die spanische Industriestadt Bilbao neu belebt hat. Jakob hat es öfter besucht und sich dort inspirieren lassen: «Man muss mit einer verrückten Vision ein Risiko eingehen, statt zu fordern und zu jammern.»

 

Dürfen nun die SCL Tigers auf keinen Fall absteigen, weil sonst Jakobs Vorwärtsstrategie bedroht ist? «Wir steigen nicht ab», spricht er sich wieder Mut zu. Selbst in der B-Liga könnte der Club mit seiner neuen Infrastruktur Geld verdienen. Erst wenn das Geschäft in 2 Jahren nicht laufe, müsse man «in den Spiegel schauen». Beim Hinausgehen dreht Jakob Lichtschalter ab. Jeder Franken zählt im Überlebenskampf der Tigers und des Emmentals.