Fust-Entlassung löst Probleme nicht

Nach drei weiteren Niederlagen gegen Zug (2:6, 2:7) und Lugano (0:2) ist John Fust immer noch Headcoach. Man macht es sich zu leicht, wenn man, wie viele, nur den Trainer als Schwachstelle sieht.

Presse • • von Wochen-Zeitung, Werner Haller

Bei sportlichem Misserfolg über Wochen hinweg ist es branchenüblich, dass man das schwächste Glied einer Mannschaft, den Headcoach, ersetzt. Nach 18 Niederlagen in 23 Spielen überrascht es nicht im geringsten, dass nun auch im Umfeld der SCL Tigers und in den Medien über die Entlassung von John Fust spekuliert wird. Sie sei, ist man da und dort überzeugt, nur noch eine Frage der Zeit. Das alles entscheidende Gremium in der Trainerfrage ist einzig und allein der Verwaltungsrat der SCL Tigers. Und dieser hat beschlossen, dass John Fust bis auf weiteres Headcoach bleibt. Bis auf weiteres heisst, dass die Leistungsentwicklung der Mannschaft in den nächsten fünf Spielen bis zur nächsten Länderspielpause vom 8. bis 18. Dezember abgewartet wird. Dann wird eine neue Standortbestimmung vorgenommen.

 

Der Kader als Schwachpunkt


Was auch immer geschieht, die Trennung von Fust ist mit einem noch bis 2015 laufenden Vertrag sehr kostspielig und sie allein löst die Probleme der SCL Tigers nicht. Ein Schwachpunkt ist das zur Verfügung stehende Spielermaterial. Ohne auf einzelne Spieler einzugehen, deckt ein Blick auf die gesamte Zeit unter der Führung von Fust eines immer deutlicher auf: Auf dem Weg zur ersten Playoffqualifikation in der Klubgeschichte spielte die Mannschaft mit überdurchschnittlich viel Selbstvertrauen und damit auch über ihren effektiv vorhandenen Möglichkeiten. Danach kehrte wieder der Alltag ein. Das Team vermochte den allzu hohen Erwartungen nicht gerecht zu werden und die Leistungsbestätigung blieb bis auf den heutigen Tag aus. Ein Vergleich zeigt dies mit aller Deutlichkeit:



• Saison 2010/11. Erste 44 Spiele bis zur Playoffqualifikation am 22. Januar 2011 mit einem 3:2-Sieg in Rapperswil; positive Bilanz mit 23 Siegen, 21 Niederlagen und 70 Punkten (Durchschnitt 1,59).


• Seither, das heisst die restlichen sechs Spiele der Saison 2010/11, die 50 Qualifikationspartien 2011/12 und die ersten 23 Spiele der laufenden Meisterschaft: Negative Bilanz mit 79 Spielen, 24 Siegen, 55 Niederlagen und 72 Punkten (Durchschnitt 0,91). Einziges Erfolgserlebnis: Der Gewinn der Playoutserie gegen Ambri und der Ligaerhalt.


Die Analyse im Klartext. Das in den ersten 44 Spielen der Saison 2010/11 gezeigte Niveau konnte nicht gehalten werden, weil etliche Spieler auf ihrem Leistungszenith angelangt sind und sich mit dem besten Willen nicht mehr steigern können. John Fust wird unter anderem vorgeworfen, dass sich Spieler und damit auch die Mannschaft nicht weiterentwickelt hätten. Ein Simon Moser, Joel Genazzi, Federico Lardi oder ein Alban Rexha beispielsweise beweisen das Gegenteil.


Mitten im Teufelskreis der NLA
Ob mit oder ohne Fust – die Verantwortlichen haben bei total noch 16 auslaufenden Verträgen die Chance, im Kader die nötigen Korrekturen bei den Schweizern und Ausländern vorzunehmen. Denn eines ist klar: Um den angestrebten wirtschaftlichen Profit aus dem modernisierten Ilfisstadion erzielen zu können, muss die Mannschaft der Zukunft um einiges stärker sein als die aktuelle. Doch damit sind wir bereits beim nächsten Problem: Stärker wird das Team nur mit besseren Spielern. Und die, vor allem die Schweizer, findet man nicht wie Sand am Meer. Ausserdem sind sie auch noch teuer. Die NLA ist mindestens eine Dreiklassengesellschaft mit einem sportlichen und wirtschaftlichen Teufelskreis. Und mitten drin stecken die SCL Tigers. 


Adrian Gerber als Sechster im 400er-Klub

Adrian Gerber gehört seit dem Heimspiel vom vorgestern Dienstag gegen Lugano einem exklusiven Kreis von Langnauern Spielern an – dem 400er-Klub. Der 29-jährige Stürmer ist erst der sechste Spieler, der für die Emmentaler in der NLA 400 und mehr Meisterschaftsspiele bestritten hat. Angeführt wird die Liste von Res Meyer (426 Spiele von 1972 - 88) vor Daniel Aegerter (423; 1992 - 08), dem noch aktiven Martin Stettler (415), Jürg Berger (413; 1970 - 85), Peter Lehmann (406; 1962 - 80) und Adrian Gerber (400). Das erste Aufgebot für ein NLA-Spiel zuhause gegen Davos (2:0) erhielt Adrian Gerber am 1. Dezember 2001 als 18-jähriger Elitejunior vom damaligen Headcoach Alfred Bohren. In elf Jahren sind weitere 399 Einsätze in der höchsten Liga hinzugekommen. Es gibt eine ganze Reihe von technisch talentierteren, kompletteren und torgefährlicheren Langnauer Spielern. Aber es gibt nur ganz wenige, die ihre Rolle in einem so unkonstanten Team so konstant, erfolgreich und diszipliniert erfüllen wie der schnelle Mittelstürmer der vierten Linie. Der Beweis: Seit der Rückkehr vom NLB-Klub Basel im Oktober 2009 musste Adrian Gerber bei fünf gegen fünf Feldspielern in 167 Spielen lediglich 40 Mal (= 24 Prozent) mit einer Minusbilanz vom Eis und nicht weniger als 127 Mal (= 76 Prozent) erzielte er eine positive oder ausgeglichene Bilanz. Damit ist die Nummer 61 in einem der schwächsten NLA-Teams einer der stärksten stürmenden «Verteidiger». Prädikat: Besonders wertvoll, ganz speziell für die SCL Tigers.