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HCD-Präsident will Schiri-Chef absetzen

Die Schiedsrichter- und Führungskrise im Schweizer Eishockey eskaliert. HCD-Präsident Gaudenz Domenig fordert die Entmachtung von Schiedsrichter-Chef Reto Bertolotti.

Presse • • von Klaus Zaugg

Verschwörungstheorien, Coaches, Sportchefs und Ligageneral Ueli Schwarz in den Schiedsrichter-Garderoben. Hinter den Kulissen des grossen Playoff-Theaters geht es drunter und drüber.

Einflussreiche Persönlichkeiten sind nun zur Einsicht gelangt, dass es so nicht weitergehen darf. HCD-Präsident Gaudenz Domenig wird am Mittwoch bei der Sitzung des Verbands-Leistungssportkomitees die Absetzung von Schiedsrichterchef Reto Bertolotti fordern. Dieses Komitee hat zwar nicht die Kompetenz, Personal zu feuern oder anzuheuern. Aber der dazu befugte Verwaltungsrat von Swiss Ice Hockey (früher Verband) wird eine solche Forderung nicht ignorieren und zügig handeln.

 

Nachfolger soll bereitstehen

Gaudenz Domenig ist eines der politischen Alphatiere der Liga. Wenn er sich so aus der Deckung wagt, dann ist er sich seiner Sache ziemlich sicher. Er sagt gegenüber 20 Minuten Online, er könne sich vorstellen, für sein Anliegen unter den Klubs eine Mehrheit zu finden. «Ich habe seit längerer Zeit das Gefühl, dass ich nicht der einzige bin, der mit der Schiedsrichterabteilung unzufrieden ist.» Das Gerücht, es stehe bereits ein Nachfolgekandidat für Reto Bertolotti bereit, mag er weder bestätigen noch dementieren. Das alles bedeutet: Es wird sehr, sehr eng für Reto Bertolotti. Der ehemalige internationale Spitzenref (über 800 Nationalliga-Partien) führt die Schiedsrichterabteilung als Nachfolger von Godi Stauffer seit 2005. Aber gegen eine Mehrheit der Klubs kann er sein Amt so wenig ausüben wie ein Trainer gegen die Mehrheit der Spieler.

 

Der Präsident des HC Davos begründet seinen Vorstoss mit der Führungsschwäche Bertolottis und differenziert: «Damit ich richtig verstanden werde: Wir haben an und für sich gute Schiedsrichter. Es ist auch keine Strukturänderung notwendig. Aber wir brauchen eine starke Führung der Schiedsrichterabteilung. Dann können die Schiedsrichter ihre Unabhängigkeit wahren, sie geniessen wieder mehr Respekt und es braucht keine Eingriffe mehr von oben.»

 

Pläne wurden nicht umgesetzt

Der Wirtschafts-Anwalt moniert das Fehlen einer klaren Linie und nennt ein Beispiel. «Vor der Saison wird verkündet, man werde keinerlei Reklamationen der Coaches tolerieren. Dagegen ist nichts einzuwenden. Dann machen einige trotzdem, was sie wollen und werden nicht bestraft. Aber in den Playoffs gibt es auf einmal doch Strafen wegen Reklamierens.» Domenig verlangt auch den Aufbau einer Datenbank. «Damit auf Verschwörungstheorien mit Statistiken klare Antworten gegeben werden können. Dann haben wir Zahlen, die zeigen, ob ein Klub von einem Schiedsrichter tatsächlich benachteiligt wird und es ist möglich, korrigierend einzugreifen.» Er habe dies schon seit längerer Zeit angeregt. Passiert sei nichts.

 

Dem HCD-Vorsitzenden missfällt zudem, dass Reto Bertolotti nicht mit Kritik umgehen könne. «Jeder macht Fehler. Auch die Schiedsrichter. Das gehört dazu. Aber wenn wir aus Fehlern lernen und besser werden wollen, dann muss es möglich sein, auf Fehler hinzuweisen. Die Bereitschaft, Fehler einzugestehen, ist unter der aktuellen Führung der Schiedsrichterabteilung nicht gross.»

 

Der Frontal-Angriff auf den Schiedsrichterchef ist auch deshalb brisant, weil der Zusammenhalt unter den Unparteiischen sehr gross ist. Die aktiven Schiris werden weitermachen. Aber unter den Inspizienten und Ausbildnern könnte es zu einer Solidarisierung mit dem Chef und zu einer Rücktrittswelle kommen.