Berner Zeitung, Philipp Rindlisbacher

Heile Welt hier, Baustellen da

Über 5000 Fans sahen das erste Langnauer Heimspiel in der NLB. Nach dem 4:1-Sieg gegen Thurgau führen die SCL Tigers die Tabelle an. «Es gibt viel Steigerungspotenzial», meint Trainer Tomas Tamfal.

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4500 Zuschauer waren es am Freitag in Biel und 4800 in Rapperswil, deren 4500 am Samstag in Davos und 5000 in Lugano. Das erste NLB-Heimspiel der SCL Tigers gegen Thurgau schauten sich 5160 Interessierte an, der Abstieg hat die Zuneigung der Emmentaler zu ihrem Eishockeyverein offenbar nicht geschwächt. Diejenigen, die gesagt haben, sie würden nie mehr wieder kommen, sind natürlich wieder da. «Respekt vor diesen Fans», meinte Trainer Tomas Tamfal, «mir fehlen ein wenig die Worte.» Das Gros der Zuschauer feierte die neue Langnauer Mannschaft schon fast euphorisch, der 4:1-Erfolg gegen bescheidene und spielerisch limitierte Ostschweizer reichte dafür bereits aus. Zweimal standen fast alle Leute während mehrerer Minuten in der Ilfishalle. Nach der schier unbeschreiblichen Seuchensaison ist man dankbar für jeden Moment der Glückseligkeit – heile Welt im Emmental.

 

Besser, aber nicht überlegen

Nun ja, die SCL Tigers sind Tabellenführer, nach zwei Runden ist die Rangliste jedoch etwa so aussagekräftig wie heute eine Wettervorhersage für Heiligabend. Die Emmentaler waren sowohl gegen Ajoie (5:0) als auch gegen Thurgau die bessere Equipe, jedoch nicht derart überlegen, wie man anhand der Ergebnisse erahnen könnte. Sie traten engagiert auf und vermochten offensiv zu gefallen, in der Defensivzone aber leisteten sie sich ziemlich viele Aussetzer. Dass diese nicht bestraft wurden, lag an der Qualität der Gegner. «Wir haben viel zu viel zugelassen, Thurgau hatte eindeutig zu viele Kontermöglichkeiten», sagte Verteidiger Philipp Rytz, der in Überzahl das 1:0 erzielt hatte (6.). «In unserem Spiel gibt es noch einige Baustellen.»

 

Der Seeländer resümierte treffend: «Es ist zweimal gut für uns gelaufen.» Coach Tamfal wiederum meinte, die Siege sollten weder über- noch unterbewertet werden. «Es gibt viel Steigerungspotenzial. Klar ist, dass uns jeder Steine in den Weg legen will.»

 

Möglicher Lohnabzug

Wie gut die Tigers wirklich sind, ist schwierig abzuschätzen. Womöglich gibt das Gastspiel morgen beim Mitfavoriten SC Langenthal weitere Aufschlüsse. Die Einstellung jedenfalls scheint zu stimmen, und die Angriffsformation mit den Moggi-Zwillingen könnte sich als Trumpf erweisen. Captain Claudio Moggi erzielte gegen Thurgau das wegweisende 2:0.

 

Die Tschechen Josef Straka und Tomas Kurka vermochten sich hingegen nicht entscheidend in Szene zu setzen, Letzterer vergab einige gute Chancen. Der Ersatz für den an der Bandscheibe verletzten Juraj Kolnik bleibt wohl bis Ende Oktober in Langnau, Kolnik wiederum dürfte frühestens in einem Monat aufs Eis zurückkehren. «Nach zwei Spielen sollte man nicht über die Ausländer meckern», konstatierte Tamfal, der demnächst einige Dinge testen will. So wird auch Goalie Lorenzo Croce zum Einsatz gelangen. Remo Giovannini, die vermeintliche Nummer 1, liess sich in 120 Minuten nur einmal bezwingen; er zeigte eine erste Reaktion auf die Stimmen, welche die Goalieposition als Langnauer Schwachstelle bezeichnen.

 

Ex-Nationalspieler Philipp Rytz liess verlauten, in der NLB habe er als Verteidiger im Umgang mit der Scheibe mehr Zeit, «es geht alles ein wenig langsamer, und gegen Ende sind die Gegner ein bisschen müder». Die Nervosität dürften die Langnauer nun abgelegt haben. Goalietrainer Dusan Sidor meinte zwar, in Bestform müsse die Mannschaft erst im Februar sein. Unrecht hat er nicht – allerdings dürften die Profis an weiteren Siegen durchaus Interesse bekunden. Sie mussten vor der Vertragsunterzeichnung ein Bonus-Malus-System akzeptieren; beenden sie die Qualifikation nicht unter den besten 4, ist Lohnabzug die Folge. Die grosse, treue Anhängerschaft soll unterhalten werden. Die Fans ihrerseits verkauften am Samstag T-Shirts mit der Aufschrift «Liebi kennt ke Liga».