Ist John Fust eine lahme Ente?

von Klaus Zaugg - Wie kann ein Trainer im Amt gehalten werden, den die meisten abgeschrieben haben? Das ist die grosse Herausforderung der SCL Tigers.

Presse • • von 20 Minuten online, Klaus Zaugg

Tigers-Trainer John Fust droht zur «lahmen Ente» zu verkommen. Bewirken kann er nichts mehr. Entlassen wird er aber aus Kostengründen auch nicht. Die beiden NHL-Ausländer sind alles andere als eine Verstärkung: Tyler Ennis steht bei 7 Spielen für Langnau und hat dabei ein Tor und eine -7-Bilanz produziert. Noch schlimmer stehts um Jared Spurgeon (l.): Dieser ist 13 Mal für die SCL Tigers aufgelaufen, hat dabei zweimal getroffen und steht bei einer -10(!)-Bilanz.

 

Im Rückblick zeigt sich, dass die Langnauer die sportliche Situation unterschätzt haben. Es sind die bitteren Früchte des Playoff-Triumphs von 2011: Eine Mannschaft, nicht talentierter als die aktuelle, schaffte sensationell auf Platz 6 die Playoffs. Ein Wunder. In allen Saisonvorschauen waren die Langnauer auf den 12. und letzten Platz gesetzt worden.

 

Der Goldrausch ist vorbei

Manager Ruedi Zesiger ist ein König Midas des Hockeys: Was er anfasste, wird zu sportlichem Gold. Er holt aus der NLB Trainer-Nobody John Fust. Der von Servette ausgeliehene Juniorentorhüter Benjamin Conz wird einer der besten Goalies der Liga und als Conz wegen der Junioren-WM fehlt, spielt Urban Leimbacher das Hockey seines Lebens. Der launische Francokanadier Pascal Pelletier läuft wie ein Örgeli und Verteidiger-Floh Jörg Reber bringt es bis in die Nationalmannschaft. Die Transfers von NLB-Spielern wie Joel Genazzi, Kim Lindemann, Federico Lardi und Sébastien Schilt erweisen sich durchwegs als Volltreffer.

 

Inzwischen geht alles, aber auch alles schief. Am Ursprung steht ein Unterschätzen der sportlichen Situation: Präsident Peter Jakob, der gut und gerne 15 Millionen in die Erneuerung des Hockey-Tempels investiert hat, spart im letzten Sommer beim Team. Er will keinen vierten Ausländer finanzieren.

 

Vom Sport- zum Baugeschäft

Aus dem Sportgeschäft SCL Tigers AG ist im Laufe des Jahres 2012 ein Baugeschäft geworden. Öffentlich verkündet Manager Ruedi Zesiger, man schaffe es auch mit drei Ausländern. Obwohl mit Simon Moser der wichtigste Feldspieler schon zu diesem Zeitpunkt verletzt ist. Seither geht alles drunter und drüber. Natürlich sind die Langnauer inzwischen bereits bei sechs Ausländern angelangt. Aber statt wohl überlegt und gezielt das Team zu verstärken, sind hastig zwei NHL-Billigspieler eingekauft worden – nicht weil sie gut sind oder prima ins Team passen. Sondern weil sie wenig kosten.

 

Die Leistungen der NHL-Stars sind miserabel: Jared Spurgeon steht bei 13 Spielen, zwei Toren und einer Bilanz von -10 (!). Tyler Ennis hat in sieben Spielen gerade mal ein Tor erzielt und eine Bilanz von -7. Dabei zeigt das Beispiel des EHC Biel, welch dynamisierende Wirkung die richtigen NHL-Verstärkungen haben können.

 

Alles läuft schief

Aber es läuft halt alles schief. Bereits während der WM im Mai erlitt Simon Moser einen schwere Knieverletzung. Er ist planmässig im November ins Team zurückgekehrt – aber nun hat er sich erneut verletzt und muss einen Knochenriss im Fuss auskurieren. Der neue Torhüter Thomas Bäumle spielt in der Vorbereitung in Hochform – und verletzt sich. Er muss durch den Tschechen Jaroslaw Hübl ersetzt werden. Nun ist Bäumle wieder gesund aber ausser Form (Abwehrquote 87,20 Prozent) und ist zuletzt gegen den SC Bern wieder durch Hübl ersetzt worden. Der Francokanadier Pascal Pelletier ist inzwischen einer der schwächsten Ausländer der Liga. Und seit der wundersamen Playoff-Saison ist den Langnauern kein guter Transfer mehr gelungen. Philipp Rytz, Martin Stettler, Robin Leblanc, Etienne Froidevaux, Adrian Brunner und Arnaud Jacquemet haben bisher die Erwartungen nicht oder bei weitem nicht erfüllt.

 

Und doch hatten die Emmentaler nach den zehn Auswärtsspielen wegen der Stadionrennovation noch Playoffchance, als sie zur Eröffnung des neuen Tempels Leader Servette im ersten Heimspiel der Saison bodigten. Sie hatten bei den Auswärtspartien den gleichen Punkteschnitt erreicht wie während der Playoff-Saison. Fast schien es, als hätte das Exil in Burgdorf (wo während der Umbauphase trainiert wurde) das Team zusammengeschweisst.

 

Sämtliche Playoffchancen verspielt

Aber im neuen Tempel ist die Mannschaft innert kurzer Zeit zerbrochen wie eine billige Uhr: Nach dem Sieg gegen Servette haben die SCL Tigers noch eines von acht Spielen gewonnen (ein «Gratis-Sieg» gegen die Lakers) und sämtliche Playoffchancen verspielt.

 

Inzwischen ist den Langnauern bewusst geworden, dass sie wohl doch ein Sport- und nicht ein Baugeschäft sind. Noch im Frühjahr ist die Anstellung eines Sportchefs zur Entlastung von Geschäftsführer Ruedi Zesiger als unnötig, weil zu teuer, verworfen worden. Nun haben die SCL Tigers mit Köbi Kölliker doch ein Sportchef angestellt. 14 Verträge laufen aus, darunter von so wichtigen Spielern wie Thomas Bäumle, Simon Lüthi, Kim Lindemann, Federico Lardi und Joel Genazzi. Es braucht einen Sportchef. Sonst haben die SCL Tigers nächste Saison kein NLA-Team mehr.

 

Fust auf Sheddens Spuren

Noch wichtiger ist die Rettung des «Renten-Vertrages» mit John Fust. Ohne Not ist der Vertrag mit Trainer John Fust noch vor der Weihnachtspause 2011 vorzeitig bis ins Frühjahr 2015 verlängert worden. Der Trainer muss nun aus wirtschaftlichen Gründen im Amt bleiben. Seine Entlassung würde diese Saison fast eine Million kosten.

 

Damit blüht auch den Langnauern das «Shedden-Experiment»: Das Festhalten an einem umstrittenen Trainer durch alle Böden hindurch. In Zug war es ein voller Erfolg. Doug Shedden steht inzwischen bereits in seiner fünften Saison und hat Kultstatus (daher die Bezeichnung «Shedden-Experiment»). In Bern ist es mit Antti Törmänen auch auf recht guten Wegen. In Ambri ist es mit Kevin Constantine hingegen gescheitert.

 

Die Situation in Langnau ist anders als in Zug, Bern oder Ambri. John Fust hat – ähnlich wie Kevin Constantine – ein taugliches System eingeübt. Aber anders als Constantine ist er bei den Spielern nicht unbeliebt. Wird Fust gefeuert, ist kein «Gottseidank-Zwischenhoch“» zu erwarten. Der Unterschied zu Zug und Bern: Fust steht nicht in seinem ersten, sondern bereits in seinem dritten Amtsjahr. Die Hoffnung ist gering, dass sich das Team und der Trainer zusammenraufen.

 

Fust wird eine «lahme Ente»

Es ist, wie es ist. Die SCL Tigers müssen einen Trainer im Amt halten, an den fast keiner mehr glaubt. Es ist wie im Märchen mit des Kaisers neuen Kleidern. Keiner wagt es zu sagen, dass der Kaiser keine Kleider mehr trägt. Dass der Fust wahrscheinlich keine Chance mehr hat, dieses Team weiterzuentwickeln und seine Zukunft in Langnau hinter sich hat. Aber es ist inzwischen auch fast allen klar, dass eine Entlassung von John Fust die Probleme auch nicht löst. In dieser Situation ist Langnaus Trainer drauf und dran, eine «lame duck» zu werden. Eine lahme Ente. Der Ausdruck kommt aus der Politik und steht in der Regel für einen Präsidenten, der nichts mehr bewegen kann.

 

Alleine findet der Playoff-Held von 2011 jedenfalls nicht mehr aus der Krise wie im Vorjahr, als er eine Serie von zehn Niederlagen überstand. Aus wirtschaftlichen Gründen (Zuschauerrückgang) können es sich die Langnauer nicht leisten, die restlichen 31 Qualifikationsspiele bloss als Playout-Vorbereitung zu bestreiten. Ein bisschen rocken und rollen muss es schon noch. John Fust braucht die Hilfe des neuen Sportchefs, der Spieler und der Hockeygötter. Scheitert er in Langnau, heisst es in seinem «Karriere-Leiterlispiel»: Zurück auf Feld eins. Zurück in die NLB. Aber wenn er es schafft, dann steigt er auf Augenhöhe mit den Titanen Kevin Schläpfer und Arno del Curto.

 

Es fehlt ein Todd Elik

Im Frühjahr 1998 stiegen die Langnauer mit Trainer Köbi Kölliker in die NLA auf. Kölliker gewann in der ersten NLA-Saison bloss 7 von 45 Qualifikations-Partien, blieb im Amt und rettete die Mannschaft im 7. Spiel der Liga-Qualifikation auswärts in Chur nach einem 0:2-Rückstand durch ein 7:2.

 

Der Unterschied zwischen der aktuellen Mannschaft und dem Team von 1999: Die Substanz ist ähnlich knapp, aber mit Todd Elik hatten die Langnauer damals einen charismatischen ausländischen Leitwolf. Er buchte in diesem 7. Spiel in Chur sechs Assists und ein Tor.

 

Die Situation ist sportlich jetzt gefährlicher als in der ersten NLA-Saison nach dem Wiederaufstieg. Weil die Langnauer keinen Ausländer mehr haben, der seine Mitspieler «eliktrisieren» kann.