«Mister Langnau» entlassen

Ruedi Zesiger wird nicht mehr gebraucht: Dem Geschäftsführer der SCL Tigers wurde gekündigt. Laut Verwaltungsratspräsident Peter Jakob schwebt der Klub «auf einer Depressionswolke».

Presse • • von Berner Zeitung, Philipp Rindlisbacher

Ruedi Zesiger wird nicht mehr gebraucht: Dem Geschäftsführer der SCL Tigers wurde gekündigt. Laut Verwaltungsratspräsident Peter Jakob schwebt der Klub «auf einer Depressionswolke». Nicht mehr viel erinnert in Langnau an die Stadioneröffnung vom 20.Oktober 2012, an die Euphorie nach dem Sieg über den damaligen Leader Servette. Trainer John Fust ist längst nicht mehr im Amt – mit Geschäftsführer Ruedi Zesiger wurde eine weitere Hauptfigur in der jüngeren Geschichte der SCL Tigers entlassen. Die Zusammenarbeit geht am 31.Mai zu Ende.

 

Aussenstehende mag die Trennung überraschen. Intern wurde Zesigers Arbeit seit geraumer Zeit kritisch beäugt. Klar ist: Nicht nur in sportlicher Hinsicht hinken die Tigers den Erwartungen hinterher. Auch was die wirtschaftliche Komponente betrifft, sind die kurzfristigen Prognosen düster. Der Verein dürfte zwar auch am Ende dieser Saison ein nahezu ausgeglichenes Geschäftsergebnis präsentieren, allerdings nur, weil Verwaltungsratsmitglieder das Defizit wohl ausgleichen werden. Ohne diese Zuschüsse resultierte wohl ein Minus von mehreren Hunderttausend Franken. Dieses hat nicht zuletzt Zesiger zu verantworten. Bis vor drei Monaten fungierte der Schangnauer als Sportchef und Geschäftsführer, nach der Anstellung Köbi Köllikers kümmerte er sich primär um die wirtschaftlichen Belange.

 

Die Rechnung geht nicht auf

Jeder unpopuläre Schritt habe seine Geschichte, sagt Peter Jakob. «Es bringt nichts, wenn wir den Materialchef auswechseln.» Der Tigers-Präsident bezeichnet sich als Freund von Zesiger; von den fünf Verwaltungsräten stärkte er ihm am längsten den Rücken. Die Frage, ob Zesiger auf die Finanzen bezogen seinen Auftrag nicht erfüllt habe, lässt der joviale Jakob unbeantwortet. Er gesteht jedoch, dass die Rechnung auch in den Vorjahren nicht aufging.

 

«Alle Klubmitglieder schweben auf einer Depressionswolke», erklärt Jakob. Durch die ausbleibenden Siege sind etwa die Einnahmen im Fanshop und an den Stadionkiosken deutlich zurückgegangen. Und die Mannschaft scheint etwas überteuert zu sein. Die Stimmung auf der Geschäftsstelle war zuletzt suboptimal, und im VR soll es Spannungen gegeben haben. Jakob: «Wir sind nicht in der Lage, Jahr für Jahr eine grosse, nicht budgetierte Summe in den Verein zu pumpen.» Zesiger, der sich vorderhand nicht äussern will, war in der Akquirierung von Sponsoren letztlich nicht erfolgreich genug. Im Langnauer Umfeld wurde in seinem Zusammenhang nicht selten vom «Mister Langnau» gesprochen. Er war lange die treibende Kraft mit viel Macht, erhielt in den Medien Präsenz. Offenbar ist er jetzt nicht mehr der richtige Kapitän.

 

Schickli als Kandidat?

Es sollte aber nicht vergessen gehen, dass es einst Ruedi Zesiger war, der das sinkende Langnauer Schiff vor dem Untergang bewahrte. Er engagierte sich stark im Aktionskomitee «Rettet den Tiger», welches 2009 ins Leben gerufen worden war. Nach der turbulenten Ära um Hans Grunder, der ein Chaos hinterlassen hatte, setzte sich Zesiger allen negativen Einflüsse zum Trotz mit aller Kraft für die Existenz des Vereins ein. Der gewiefte Kommunikator gab hierfür eine Stelle als Sportreferent von Bundesrat Ueli Maurer auf. «Ruedi hat extrem viel geleistet», bekräftigt Jakob, «vielleicht hat er zeitweise fast zu viel Energie investiert.»

 

Zu vernehmen war, dass sich Zesiger in den letzten Wochen in der Rolle des vollamtlichen Geschäftsführers nicht mehr ganz wohl gefühlt habe. «Sein Herz gehört dem Sport», sagt Jakob. Ein neuer Kopf könne nun neue Ideen einbringen. Die Suche nach einem Nachfolger ist eingeleitet worden; Wolfgang Schickli könnte zum Thema werden. Bei Kloten hat sich dieser einen Namen als Sanierer gemacht, jedoch unlängst gekündigt.

 

 

Sportredaktor Philipp Rindlisbacher berichtet über die SCL Tigers.

  

Kommentar: Der eigenen Stärke beraubt

Ruedi Zesiger ist über seine eigenen Füsse gestolpert. Er war es, der vor einigen Wochen den Verwaltungsrat mit Nachdruck von der Anstellung Köbi Köllikers als Sportchef überzeugt hatte. Zesiger war damit zwar seine kräfteraubende Doppelbelastung los – der Entscheid dürfte ihn aber den Job gekostet haben.



Als vollamtlicher Geschäftsführer ist er für die Finanzen verantwortlich – Einnahmen und Kosten entsprechen jedoch nicht den Erwartungen. Durch die Stadionsanierung sind neue Einnahmequellen erschlossen und ist das Vermarktungspotenzial der SCL Tigers erhöht worden, doch der Nutzen ist zu gering. Potente Sponsoren sind bisher keine hinzugewonnen worden.



Bei der wirtschaftlich folgenschweren Vertragsverlängerung von John Fust handelte Ruedi Zesiger etwas vorschnell, sonst hatte er als Sportchef oft ein glückliches Händchen. Der Job als «Verkäufer» ist ihm indes nicht auf den Leib geschnitten; Zesiger braucht den Kontakt zum Team. Er ist ein Alphatier und hatte im Klub den entsprechenden Status. Lange schien er unantastbar und gar einflussreicher zu sein als die Verwaltungsräte. Diese trauen ihm nun nicht mehr zu, den Verein in wirtschaftlich sichere Gewässer zu führen. Dass Zesiger in Langnau mit seiner Leidenschaft sehr viel bewirkt hat, ist unbestritten. Sein Nachfolger hat nun die schwierige Aufgabe, die SCL Tigers im Markt richtig zu positionieren.