Offener Brief an Belenus und die Rassisten

Blog • • von Bruno

 

Rassismus ist unterste Schublade und total uncool

 

Im Spiel gegen den EHC Biel vom vergangenen Samstag solle es rassistische Rufe und Gesten gegen den dunkelhäutigen Spieler Clarende Kparghai gegeben haben. Obwohl ich selbst nichts davon mitbekommen habe, ist nicht daran zu zweifeln, dass die Vorwürfe des Users «Belenus» auf dem Pinboard der SCL Tigers stimmen. Weil ich in seinem Beitrag direkt angesprochen werde, nehme ich über meinen Blog Stellung.SEPARATOR

 

Hallo Belenus

 

Es ehrt dich, dass du gegen Rassismus ankämpfst und uns darauf aufmerksam machst, was am Spiel gegen Biel abging. Du hast recht: Rassismus gehört nicht in ein Sportstadion. Rassismus gehört nirgendwo hin. Rassismus ist, wenn sich eine Rasse der andern überlegen fühlt (Infragestellung der Gleichrangigkeit), oder wenn eine Rasse findet, die andere gehöre hier nicht hin (Existenzberechtigung). Die Begründungen für die Theorien der Rassisten sind auf den ersten Blick diffus und nebulös, auf den zweiten Blick erweisen sie sich als völlig haltlos!

 

Es ist müssig, sich über die weltpolitischen Zusammenhänge zu unterhalten, deretwegen sich auch der grösste Rassist daran gewöhnen sollte, dass es bei uns immer mehr Menschen anderer Nationalität und/oder anderer Hautfarbe gibt und geben wird. Es hat wohl keinen Sinn, hier aufzeigen zu wollen, dass die Völkerwanderung in unsere Breitengrade unter anderem durch uns selbst verursacht ist. Und zwar nicht deswegen, weil wir die Grenzen zu wenig dicht machen, sondern weil wir es zulassen, dass bei uns gewisse Dinge geschehen, die anderswo Schaden anrichten.

 

Ein Beispiel: Wenn mit knapper werdenden Nahrungsmitteln spekuliert wird, und sich damit skrupellose Spekulanten ohne jede Gegenleistung schamlos bereichern, dann genügt es, wenn diese Verbrecher uns ein paar Biere bezahlen (was sage ich, die zahlen uns Normalos doch keine Biere, die gründen vielleicht irgendwo mehr oder weniger nutzlose Stiftungen, mit welchen sie ihre Namen verewigen). Und schon sind das Leute, die Geld haben und deshalb unsere Hochachtung «verdienen». Dass sich wegen ihnen (ein paar wenigen) in halb Afrika die Hunger- und Versorgungssituation verschärft, ist uns völlig wurscht. Aber wir wundern uns, wenn plötzlich Afrikaner bei uns auftauchen.

 

Oder ein anderes Beispiel: Konzerne schmieren die Politiker armer Länder, um an deren Bodenschätze zu kommen. Damit versorgen sie danach unsere Breitengrade günstig und scheffeln an der Bevölkerung des Ursprungslandes vorbei Milliardengewinne. Diese Bevölkerung aber profitiert in keiner Weise vom Reichtum ihres Landes und lebt weiterhin in bitterer Armut. Und wir wundern uns, wenn plötzlich Afrikaner bei uns auftauchen.

 

Ich denke, Rassismus hat zwei Hauptgründe. Die latente Angst vor dem Fremden und Unbekannten schlummert wohl in fast jedem von uns. Leider werden diese Ängste nicht abgebaut, sondern geschürt. Es gibt politisch motivierte Parolendrescher in unserem Land (und die sind nicht nur in den Parteien zu finden), denen ist es egal, ob sie «falsch» verstanden werden. Denen ist es egal, ob der Durchschnittsbüezer den Eindruck bekommt, die meisten Asylbewerber seien kriminell, oder die meisten Ausländer seien nur hier, um unsere Sozialwerke zu plündern. Um ihre politischen Ziele zu verwirklichen, ist es ihnen sogar recht, wenn durch die gewollten Missverständnisse Feindschaft und Rassismus im Lande aufkommen. Denn wenn es soweit ist - und es ist längst soweit - reklamieren die Parolendrescher, sie würden mit Volkes Stimme sprechen.

 

Der zweite Grund liegt meines Erachtens in der Befindlichkeit von Personen bis hin zu ganzen Bevölkerungsschichten. Es fühlt sich schlecht an, arbeitslos zu werden. Werden wir es, kann dies dazu führen, dass wir uns minderwertig fühlen. Einige (eine kleine Minderheit) brauchen dann ein Ventil, an welchem sie ihre Minderwertigkeitsgefühle ablassen können. Sie finden dieses Ventil bei den Fürsorge-Empfängern, bei den IV-Bezügern, bei Ausländern oder Asylbewerbern. Es gibt politisch motivierte Parolendrescher in unserem Land, denen ist es egal, ob sie «falsch» verstanden werden. Denen ist es egal, ob wir den Eindruck bekommen, die meisten Fürsorge-Empfänger, IV-Bezüger, Ausländer oder Asylbewerber seien Schmarotzer und Verbrecher, und seien darauf aus, uns zu betrügen, unsere Sozialwerke zu plündern, mit Drogen zu dealen oder unsere Frauen zu vergewaltigen. Um ihre politischen Ziele zu verwirklichen, ist es ihnen recht, wenn durch die gewollten Missverständnisse die Ärmsten im Lande noch mehr unter Druck kommen. Und wiederum reklamieren die Parolendrescher, sie würden mit Volkes Stimme sprechen.

 

Dabei ist es doch erstaunlich, dass diejenigen, welche die grössten Schäden verursachen, z.B. die Spekulanten, welche die Rohstoff- und Nahrungsmittelbörsen plündern, oder die mit ihren exorbitanten Gewinnanforderungen dafür sorgen, dass selbst bei Milliardengewinnen immer wieder Personal abgebaut wird (unter dem Deckmantel der Konkurrenzfähigkeit und auf Kosten der Öffentlichkeit), - dass die sogar dann völlig unbehelligt in ihren protzigen Villen leben, wenn ihr Unternehmen, - wie letzthin die UBS, - vom Staat gerettet werden muss. Keine Rückführung zu viel bezogener Gewinne oder Boni wird verlangt. Mehr noch: Es wird toleriert, dass die abzockenden Versager so weiter machen wie zuvor.

 

Was sagt uns das? Wir alle kümmern uns lieber – und zwar im negativen Sinn - um die Ärmsten und Schwächsten, statt um die Abzocker. Uns ist es wichtig, dass ein Sozialhilfeempfänger nicht 100 Franken zu viel kassiert. Aber es ist uns völlig wurscht, ob irgend ein Spekulant ein paar Millionen auf dubiose Weise und zum Schaden der Allgemeinheit abzockt. Man wird schnell als «Linker» verschrieen, wenn man die ungezügelte Spekulation anprangert. Aber ich stelle nicht die Unternehmer an den Pranger, und ich kritisiere auch nicht, dass es einem erfolgreichen Unternehmer finanziell gut geht. Im Gegenteil! Unternehmergeist soll belohnt werden, und ein Unternehmer muss auch mal unbequeme Entscheide treffen dürfen. Wir müssen klar unterscheiden zwischen Unternehmern und Spekulanten. Denn dies ist ein markanter Unterschied. Der Unternehmer ist ein Nutzenstifter! Er produziert Waren oder erbringt Dienstleistungen, und dies ist positiv. Der Spekulant aber ist in erster Linie ein Profiteur und Schmarotzer. Ich habe meine erste berufliche Ausbildung in den 1970er-Jahren genossen. Dies war eine Zeit, als die Kapitalgeber (vielfach Unternehmer oder unternehmerisch denkende Menschen) mit einer Kapitalredite von 7 – 10 Prozent vollauf zufrieden waren, denn auch damit liessen sich Millionen verdienen (damals galt ein Millionär noch etwas). Seit dem Fall der Berliner Mauer und dem Scheitern des gefürchteten Kommunismus wurden die Kapitalisten hemmungslos. Kapitalrenditen von 14 – 25 Prozent werden seither gefordert und durchgesetzt. Heute muss einer Milliardär sein, um zur Finanz-Elite zu gehören. Ein Multimillionär ist unter Milliardären ein armes Schwein! Wo aber kassiert wird, muss immer auch jemand bezahlen. Es sind die untersten Volksschichten, die das bezahlen.

 

Die wahren armen Schweine finden wir nicht bei den Multimillionären, die es erdulden müssen, dass die Milliardäre auf sie herab blicken. Die armen Schweine finden wir da, wo wir auch die Rassisten finden. Rassisten haben keine Ahnung von den Spielen der Mächtigen. Es ist genauso wie im dritten Reich: Da hatte die einfache Bevölkerung auch keine Ahnung, was ablief, und diejenigen, die Ahnung hatten, dachten, dies müsse so sein. Sie waren froh, ging es mit ihnen selbst nicht weiter abwärts. Sie waren froh, ging es anderen noch dreckiger, als ihnen selbst.

 

Ich stelle mir vor, dass es kein gutes Gefühl ist, ein Rassist zu sein. Wie kann es ein gutes Gefühl sein, sich minderwertig zu fühlen? Wie kann es ein gutes Gefühl sein, Ventile zu brauchen, um sich wenigstens einen kleinen Moment lang besser zu fühlen? Wie kann es ein gutes Gefühl sein, nicht zu verstehen, was da auf der Welt abläuft. Es ist ein Scheissgefühl, von oben getreten zu werden, selbst dann, wenn man versucht, die Tritte nach unten weiter zu geben. Ein Rassist fühlt sich als ein Niemand, der wohl nie herausfinden wird, was er tun muss, um ein Jemand zu sein. Rassist zu sein ist nicht cool und liegt auch in keinem Trend. Rassisten sind Abfallprodukte unserer Gesellschaft. Das sieht man daran, dass es mehr davon gibt, je schlechter es der Gesellschaft geht. Wenn es mit der Wirtschaft aufwärts geht, gibt es weniger davon. Geht es abwärts, nimmt ihre Zahl zu. Rassisten sind Rassisten, weil sie Schuldige brauchen, aber nicht erkennen können, wer die Schuldigen sind.

 

Du, Belanus, möchtest, dass wir einschreiten, wenn in einem Stadion rassistische Rufe, Äusserungen oder Gesten gegen Spieler oder andere Zuschauer gemacht werden. Du hast sicher recht mit deiner Forderung. Aber wir sind alles auch Konsumenten. Wir bezahlen den Eintritt in die Stadien, um Eishockey zu sehen und unser Team zu unterstützen. Es kann nicht unser Ziel sein, wegen einigen Rassisten das halbe Spiel zu verpassen. Viel mehr verspreche ich mir davon, den Rassisten klar zu machen, dass es völlig uncool ist, ein Rassist zu sein, und dass sich ein Rassist gleich selbst zu einem Randständigen der Gesellschaft macht. Dies geht jedoch nicht so gut in den Fussball- und Eishockeystadien. Dies geht auch nicht mit oberlehrerhaften Getue. Am besten geht das, indem wir dafür sorgen, dass es weniger Menschen gibt, denen es schlecht geht.

 

Dies soll kein Aufruf sein, bei Rassismus weg zu sehen. Fanclub-Präsidenten müssen mit ihren Mitgliedern sprechen, wenn sich diese falsch verhalten. Und in krassen Fällen muss man einschreiten oder betroffenen Personen helfen. Clarence Kparghai ist nicht das erste Mal mit Rassismus konfrontiert. Er spielte zuvor in Davos und war dort sogar mit Rassismus von «eigenen» Fans konfrontiert. Er kann dies jedoch kompensieren mit der Wertschätzung, welche er von vielen wegen seiner ausgezeichneten Leistungen auf dem Eis erhält. Aber es gibt viele von Rassismus Betroffene, die haben keine Kompensation durch Wertschätzung. Abseits vom Blick der Öffentlichkeit geschehen Dinge, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen, und neben denen wir, wenn sie passieren, vorbei gehen, ohne einzuschreiten. Hier müssen wir den Hebel ansetzen. Und bei der Aufklärung.

 

Freundlich grüsst dich

 

Bruno (der Schreiber)