Die Klubs der NLA

Von Angsthasen geführt

Erneut verhinderten die Vertreter der NLA-Klubs eine dringend notwendige Reform im schweizerischen Eishockey. Sie belassen die Durchlässigkeit zwischen den zwei obersten Ligen des Landes wie sie ist. Weiterhin ist ein Aufstieg ein schwieriges und kaum planbares Unterfangen. Die Angst gewisser Klubs der NLA nagt an der Attraktivität und der Existenz der NLB.

Blog • • von Bruno Wüthrich

 

Die SCL Tigers und der SC Langenthal 1 - Bild Susanne Bärtschi

Aus dem Spiel vom 1. November. Die SCL Tigers zwingen derzeit jeden Gegner in die Knie. Bild: Susanne Bärtschi 

 

Eine Mannschaft enteilt in der NLB der Konkurrenz. Und eine Mannschaft hat in der NLA seit Jahren keine Chance auf mehr als auf Rang zwölf oder elf. Doch ob es im Frühjahr zu einem Wechsel kommen wird, ist höchst ungewiss. Man ist versucht zu sagen: Eher nicht. Denn die Lakers aus Rapperswil befinden sich im ständigen, sportlichen Existenzkampf. Sie werden in der NLA von Spiel zu Spiel getestet, immer bemüht, wenigstens ab und an mal zu gewinnen, um als Mannschaft nicht auseinander zu fallen. Ganz anders die SCL Tigers. Sie gewinnen in der NLB derzeit wann sie wollen, wie sie wollen und egal, welche und wie viele Stammspieler ihnen gerade fehlen. Mit andern Worten: Sie werden gar nicht getestet. Mit dem Franzosen Kévin Hecquefeuille, Kim Lee Lindemann, Massimo Ronchetti, Deny Bärtschi und Marc Rüegg fehlten im gestrigen Spiel gegen den SC Langenthal gleich fünf Verteidiger (nebst drei Stürmern), und die Aufstellung der Langnauer Hintermannschaft nahm schon fast groteske Züge an. Trotzdem kassierten sie lediglich zwei Gegentreffer, einen davon in Überzahl. Verfallen die Tiger nicht in den gleichen Fehler wie in der letzten Saison die Powermäuse, beginnen die ernsthaften Tests frühestens ab dem Playoff-Halbfinal, eventuell erst im Final. Und dann könnte es zu spät sein, sich noch in die Verfassung zu bringen, eine einigermassen intakte Mannschaft aus der NLB in einer Serie über sieben Spiele zu bezwingen.

 

Die Nachricht, dass die Vertreter der Klubs weder an der Anzahl der Teilnehmer an der NLA-Meisterschaft noch am Modus der Ausmarchung für den Auf- und Abstieg aus der oder in die NLB etwas ändern wollen, stammt von der letzten Woche. Sie ist also bereits alt. Doch dies spielt keine Rolle. Sie könnte auch ein, zwei, drei oder noch mehr Jahre alt sein. Denn es ist immer dasselbe. Geht es um den Auf- oder den Abstieg, so lautet der Tenor aus der NLA immer gleich: Alles bleibt, wie es ist. Zwölf Klubs mit je zwei Stimmen überstimmen neun Klubs mit je nur einer Stimme bei weitem. Dabei würde eine grössere Durchlässigkeit beiden Ligen gut tun. Weil nämlich Veränderungen immer gut sind.

 

Man verliere die Planungssicherheit, wenn man nicht wisse, in welcher Liga man in der nächsten Saison spiele, hört man die Vertreter der oberklassigen Klubs jammernd argumentieren. Man könne doch keine Mannschaft bauen, wenn man den Spielern nicht garantieren könne, dass in der obersten Liga gespielt werde.

 

Dies mag mit der jetzigen Lösung so sein. Mit der aktuellen Undurchlässigkeit der Ligen ist es tatsächlich ein Problem, mit einem NLA-tauglichen Kader in die NLB abzusteigen. Spielerverträge werden deshalb mit Ausstiegsklauseln abgeschlossen, damit ein Spieler im Falle eines Abstiegs (oder Nicht-Aufstiegs) den Klub verlassen darf oder seine neue Arbeitsstelle gar nicht erst antreten muss. Ein sofortiger Wiederaufstieg ist nur schwer möglich, kaum planbar, und zudem von Zufälligkeiten abhängig. Deshalb müssen sich Absteiger auf eine längere Phase in der NLB einrichten und drastische Budgetkürzungen vornehmen. Unsäglich, von welchen Hasenfüssen zumindest in der Schweiz die Klubs einer der härtesten (und zudem schnellsten) Mannschaftssportart der Welt geführt werden. Spielten die Mannschaften derart ängstlich wie die CEOs der Klubs diese führen, so wäre das Zuschauerinteresse etwa so gross wie beim Frauenhockey der 1970er-Jahre. Das Gleiche liesse sich vom sportlichen Gehalt sagen.

 

Man mag jetzt argumentieren, dass die SCL Tigers, welche im Frühjahr 2013 abstiegen, derzeit in der NLB ganz gut leben, sich auch in der zweiten Saison nach dem Abstieg über 5'000 Zuschauer pro Spiel freuen dürfen, den Wiederaufstieg mit Vehemenz anstreben und die Liga fast mehr dominieren, als es für die Erreichung ihrer Ziele gut sein kann. Doch nicht überall ist Emmental, wo die Bevölkerung Eishockey-verrückt ist, zumindest so lange sie sich noch nicht allzu sehr ans Siegen gewöhnt hat. Im Voraus zu wissen, wer am Ende Sieger sein wird, kann langweilig werden. Zum gestrigen Derby gegen den SC Langenthal kamen nicht einmal 4'900 Zuschauer. Ein hoher Wert, gewiss. Aber nicht für ein Derby. Zum Vergleich: Bei den drei Heimspielen der letzten Saison gegen diesen Gegner empfingen die Langnauer durchschnittlich 5'756 Zaungäste, ein Derby war gar ausverkauft. Und auch beim ersten Aufeinandertreffen dieser beiden Mannschaften in der aktuellen Saison kamen 5'614 Zuschauer. Doch zu diesem Zeitpunkt war der Sieger nicht bereits im Voraus klar (war er gestern ebenfalls nicht, aber dies hatte mit den Personalsorgen der Langnauer zu tun, deren Umfang dem Publikum vor dem Spiel nicht klar war). Das Argument, dass es sich beim gestrigen um ein Donnerstags-Spiel gehandelt habe, verfängt nicht so recht. Auch in der letzten Saison fand eines der Derbys an einem Donnerstag statt.

 

Die 2008 abgestiegenen EHC Basel Sharks hörten im Frühjahr dieses Jahres auf zu existieren. Niemand wollte den defizitären Betrieb in der NLB finanzieren. Doch man braucht gar nicht Absteiger zu sein, um in der NLB in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. Dass die NLB derzeit nur neun Teams stellt (eigentlich sollten es zwölf sein), hat mit der ungenügenden Attraktivität und den – als Folge davon – fehlenden Einnahmen zu tun. Einen Vertreter haben allerdings der Verband und die Klubvertreter gemeinsam auf dem Gewissen. Unter fadenscheinigen, nicht nachzuvollziehenden Gründen wurde den Huttwil Falcons 2011 der sportlich einwandfrei realisierte Aufstieg verweigert. Doch vor Basel zogen sich auch bereits (Sierre, Martigny und Chur) mangels Finanzen aus der NLB zurück oder gingen gar Konkurs.

 

Die NLB hat ein Attraktivitätsproblem. Der schwierig zu realisierende Aufstieg verhindert notwendige Investitionen, und wenn als einzige Veränderung zur Vorsaison lediglich der Rückzug einer Mannschaft aus finanziellen Erwägungen steht, macht dies die Meisterschaft auch nicht interessanter.

 

Angst ist bei Entscheidungen von Tragweite oft ein schlechter Ratgeber. Dies könnten die Lakers aus Rapperswil, der HC Ambri-Piotta oder der EHC Biel dereinst zu spüren bekommen, wenn es sie trotzdem erwischt. Die Gefahr eines Abstiegs ist mit der aktuellen Durchlässigkeit zwar geringer. Doch wenn das, was nicht eintreffen soll, dann doch eintrifft, wird es zur Katastrophe.

 

Ganz anders bei grösserer Durchlässigkeit zwischen den Ligen. Die NLB würde dank der Möglichkeit zum Aufstieg klar attraktiver. Zudem gäbe es ständig Wechsel bei den Teilnehmern der Meisterschaften beider Ligen, was Abwechslung brächte. Zu vermuten ist, dass bei grösserer Durchlässigkeit bereits in den vergangenen Jahren heute auch die NLB-Meisterschaft mit zwölf Mannschaften bestritten würde. Gefordert ist deshalb ein Modus, der die Interessen beider Ligen, sowohl der NLA als auch der NLB berücksichtigt, und welcher nicht von der Angst der Oberklassigen geprägt ist. Die Möglichkeiten einer Auf-Abstiegsrunde zwischen einer noch zu definierenden Anzahl Vertretern aus beiden Ligen, oder aber ein direkter Auf- und Abstieg müssen möglichst rasch auf den Tisch. Dies mag zwar aus der Sichtweise einiger Klubs als unverantwortlich erscheinen. Doch aus der Sichtweise des gesamten NL-Eishockeys ist das Belassen der Modalitäten, so wie sie sind, das einzig Unverantwortliche. Es geht nicht um einzelne Klubs und deren unfähige CEOs, sondern um die Sportart als Ganzes.

 

Doch zugegeben:  Die Sichtweisen ändern sich, je nachdem, in welcher Liga eine Mannschaft spielt. Vor ihrem Abstieg haben auch die Vertreter der SCL Tigers jeweils ängstlich gegen jede weitere Öffnung zwischen den Ligen gestimmt. Jetzt haben sie den Salat.