Zusammenhalt, und nicht Kopflosigkeit ist gefragt

Noch ist kein Monat vergangen, seit die SCL Tigers ihr erstes Spiel in der sanierten Ilfishalle gegen den Leader Genf Servette mit 3:2 gewannen. Seither lief vieles schief, und die ersten phantasievollen «Krisenmanager» fordern bereits den Kopf von Tiger-Coach John Fust. Wie kann denn das sein?

Blog • • von Bruno Wüthrich

Um es vorweg zu nehmen: Auch FANTIGER, und insbesondere der Schreibende ist kein Krisenmanager. Dass es beim aktuellen Kader der SCL Tigers zu Krisen kommen würde, war indes voraus zu sehen. Eine Saison wie 2010/11, in welcher ein ganzes Team meilenweit über seinen Verhältnissen spielte, können selbst die kühnsten Optimisten nur alle paar Jahre erwarten. Die tiefen, aber realistischen Erwartungen wurden in der sensationellen Playoff-Saison um ein Vielfaches übertroffen. Aber die daraus resultierenden, zumindest in der Fangemeinde viel zu hohen Erwartungen wurden bereits in der letzten Saison bei weitem nicht mehr erfüllt.

 

Erweist sich deshalb die Playoff-Saison im Nachhinein als fatal? Nein! Denn dieser sensationelle, kaum zu wiederholende Effort eines Teams, dessen Potential unter normalen Umständen dafür nie ausgereicht hätte, trug wesentlich dazu bei, dass wir in Langnau die Sanierung der Ilfishalle realisieren konnten. Dieser Erfolg trug jedoch zu einer Verklärung der sportlichen Situation bei. Trotz Beteuerung einer realistischen Erwartungshaltung schienen regelmässige Erfolge plötzlich auch mit kleinem Budget möglich. Die Verträge mit Mike Iggulden, und aus Kostengründen auch mit Benjamin Conz und Daniel Steiner würden nicht verlängert. Verändert wurde damit nicht nur das Potential, sondern auch die Chemie des Teams. Dass sich der Amerikaner Robert Esche als Nachfolger von Conz im Tor der Langnauer zumindest in der ersten Saisonhälfte als Flop erwies, war Pech. Dass mit einem starken Torhüter über die ganze Saison mehr möglich gewesen wäre, bewiesen die Tiger nach der Weihnachtspause. Trotzdem: Es wurde wiederum verkannt, dass auch in der letzten Saison ein Effort vollbracht wurde, der so nicht erwartet werden konnte. Der problemlose Ligaerhalt in nur vier Spielen gegen einen sich leidenschaftlich wehrenden HC Ambri-Piotta war deutlich mehr, als allgemein erwartet werden durfte. Denn potentiell hatten die Emmentaler nicht das stärkere Team als die Leventiner. Eher im Gegenteil: Den Tigers wurde auch in der letzten Saison von den Experten der 12. Rang vorausgesagt.

 

Was ist nur mit den Teamleadern los?

Bei Simon Moser wissen wir es. Bei Lukas Haas und Sandro Moggi ebenfalls. Diese drei wichtigen Spieler im Teamgefüge der Langnauer wurden durch Verletzungen zurück geworfen, und konnten ihre normale Leistungsfähigkeit in dieser Saison aus verständlichen Gründen noch nicht voll ausschöpfen. Aber was zum Teufel ist mit Pascal Pelletier und Kurtis McLean los? Dringender als jetzt wurden sie noch nie in ihrer Karriere gebraucht. Am Willen fehlt es sicherlich nicht. Trotzdem ist ihre Leistung derzeit ein einziger Hohn. Chancentod und Fehlpässe statt Leadership. Verunsicherung total statt Reisserqualitäten. Die beiden sind ein einziger Reinfall. Wenn die Leader im Team nicht funktionieren, ist der Coach verloren. Es ist wie fast überall im Leben. Schwächelt der Leader, ziehen die andern nach. Erfolglosigkeit ist ansteckend. Und zwar von oben nach unten. Rennen zwei drei Viertlinienspieler ihrer Form hinterher, ist dies für ein Team nicht so tragisch. Ganz anders sieht es aus, wenn die Leader ausser Form sind. Im Schweizer Eishockey werden die Spieler aus dem Ausland meistens als Teamleader geholt. Starke Ausländer sind vor allem für Teams mit kleinen Budgets enorm wichtig, denn kleine Organisationen können sich im beschränkten Schweizer Markt nur sehr wenige Leader mit Schweizer Lizenz leisten. Bei den Emmentalern erfüllten bisher nur Mark Popovic und Jaroslav Hübl die Erwartungen. Pelletier und McLean liegen weit darunter.

 

Die Rolle der Lockouter aus der NHL

Tyler Ennis und Jared Spurgeon sind zweifelsfrei die besten Spieler im Ensemble der SCL Tigers. Aber vergleichen wir sie mit dem Lockoutern der Konkurrenz, so hinken auch sie hinterher und sind sogar mit ein Grund dafür, dass die andern Teams den Langnauern derzeit davon eilen. Der NHL-Lockout hat die Langnauer im Vergleich mit der Konkurrenz schwächer gemacht. Vor allem dem EV Zug und dem EHC Biel verleihen die Verstärkungen aus Übersee Flügel. 36 Punkte realisierten die fünf ausländischen Feldspieler der SCL Tigers zusammen gerechnet. Zum Vergleich: Auf 89 Punkte kommen die Ausländer des EHC Biel, und 66 Punkte sind es in Zug. Rechnen wir beim EVZ auch noch Damian Brunner und Raphael Diaz, die beiden Verstärkungen mit Schweizer Pass aus der NHL dazu, kommen wir sogar auf sagenhafte 120 Punkte. Und gar die Ausländer von Ambri realisierten bisher 62 Punkte. Das sind die Fakten, die den Unterschied ausmachen.

 

Ernüchterndes Fazit

Die Führung der SCL Tigers ist derzeit in sportlicher Hinsicht vom Pech verfolgt. Der Entscheid, nur mit drei Ausländern antreten zu wollen, wurde durch die Umstände von selbst korrigiert. Dass die ausländischen Teamleader nicht funktionieren, war in dieser Krassheit nicht vorauszusehen, und dass ihre Unterform die Mitspieler mit in den Keller reisst, ist eine logische Folge. Die zeitweiligen Verletzungen von Lukas Haas, Sandro Moggi und Jörg Reber bewegen sich im normalen Rahmen, wirken sich jedoch beim schmalen Kader der Langnauer stärker aus als bei der Konkurrenz. Als falsch stellte sich heraus, dass einer oder mehrere aus dem Trio Etienne Froidevaux, Arnaud Jacquemet und Adrian Brunner in eine Leaderrolle schlüpfen könnten. Alle drei haben bisher die gewünschten, bitter nötigen und erwarteten Entwicklungsschritte nicht gemacht, und sind derzeit weit davon entfernt, die ihnen zugedachten, verantwortungsvollen Rollen übernehmen zu können. Hier zeigt sich, dass Menschen ihre Entwicklungen nicht linear, sondern eher in Phasen vollziehen. Ehescheidungen zeugen unter anderem davon. Denn nicht andere Partner oder Untreue sind der eigentliche Grund für Trennungen, sondern dass sich Paare auseinander entwickeln. In der Regel sind es die unterschiedlichen Tempi der persönlichen Entwicklung in einzelnen Lebensphasen, die zu Ungleichgewichten unter den Ehepartnern führen. Oder um es drastisch auszudrücken. Während der Mann noch auf dem Sofa herum lümmelt, Fernsehsport konsumiert und über einen Trainerwechsel bei den SCL Tigers nachdenkt, hat sich die Frau weiter entwickelt. Zum Zeitpunkt, an dem der Mann den Entwicklungsschritt endlich nachvollzieht, ist das Paar längst getrennt. Im Sport verhält sich dies wohl ähnlich. Zu hoffen ist indes, dass Froidevaux, Jacquemet und Brunner ihre Entwicklungsschritte noch rechtzeitig, also im Dress der SCL Tigers vollziehen.

 

Hilft ein Trainerwechsel?

Ist es überhaupt legitim, in einer solchen Phase den Coach zu thematisieren? Die Antwort sparen wir uns, denn in Phasen der Erfolglosigkeit fragt niemand nach einer Legitimation. Der Coach ist Thema. Das ist nicht zu ändern. Aber was bedeutet dies? Soll die Führung der SCL Tigers auf diejenigen hören, die eine Absetzung von John Fust fordern? Das wäre logisch. Denn bei denen, die diese Forderung stellen, handelt es sich teilweise um die Gleichen, die der Führung bei der Ankündigung, bescheiden, und bei den sportlichen Investitionen zurückhaltend zu sein, den Rücken zu stärken schienen. Diejenigen, die warnten und darauf hinwiesen, dass sich bei Erfolglosigkeit das Verhalten der sogenannt Vernünftigen radikal ändert, wurden nicht gehört. Vorbei ist es derzeit mit dem Zusammenhalten. Vorbei ist es mit dem kollektiven Teamgeist der Emmentaler, die noch vor wenigen Monaten bei der Rettung der Tiger und der Sanierung der Ilfishalle so geschlossen wirkten. Jetzt werden Opfer gefordert. Peter Jakob, Ruedi Zesiger und Köbi Kölliker tun gut daran, diesmal auf niemanden, auch nicht auf die Dorfkönige zu hören, und selbst zu entscheiden, was zu tun ist. Wir erinnern daran, dass John Fust bisher ein wichtiger und grosser Stein im gesamten Mosaik der SCL Tigers war, und dass er in der letzten Saison bewiesen hat, dass er Krisen meistern kann. Leistungen wie diejenige in Kloten darf es indes keine mehr geben. Und es ist sorgsam darauf zu achten, dass die momentanen Niederlagen und die sportliche Situation nicht zu einem Zerfall des Teams führen. Das Spiel gegen den SCB hat trotz Niederlage und bescheidener Leistung gezeigt, dass die Gefahr des Zerfalls derzeit nicht akut ist.

 

Was bringt der Sportchef?

Jakob (Köbi) Kölliker wurde geholt, um das Team der kommenden Saison zusammen zu stellen, für John Fust ein Ansprechpartner zu sein, und das Kader allenfalls bereits in dieser Saison anzupassen. Im Interview mit FANTIGER deutete Kölliker an, dass er bereit ist, beim Kader Anpassungen vorzunehmen. Schade wäre es, wenn Kölliker in einer Feuerwehrsübung John Fust als Coach ablösen würde. Denn in der Strategie, bezüglich sportlicher Kompetenz aufzurüsten, und in der Saison 2013/14 endlich ein Team zu präsentieren, das – um es in den Worten von Kölliker zu sagen – den Strich von oben sieht, wäre der Wechsel des neuen Sportchefs auf den Trainerstuhl ein Rückschritt. Schlimmer noch: John Fust hat einen Vertrag bis 2015. Wird Fust durch Kölliker ersetzt, laufen die SCL Tigers Gefahr, bereits weit vor Ablauf der Saison 2014/15 die Gehälter von gleich drei Headcoaches bezahlen zu müssen. Denn mit dem aktuellen Kader wird auch Köbi Kölliker langfristig nicht erfolgreich sein.

 

Fehler und Fehleinschätzungen gehören dazu. Vom Verwaltungsrat bis zum Coach wurde bisher deutlich mehr richtig als falsch gemacht. Die Zusammensetzung der Tigersführung ist deshalb ein Erfolgsmodell, welches sich auch in Krisen bereits bewährt hat. Die Verpflichtung von Köbi Kölliker könnte für die Zukunft das fehlende Mosaiksteinchen zu Erfolg sein. Vorausgesetzt, man setzt diesen Stein nicht an den falschen Ort.