Nebst der Leidenschaftlichkeit fehlt den SCL Tigers auch einer wie Steiner

Ambri zeigt, was Langnau fehlt

In der Leventina läuft es derzeit rund. Der als sicherer Playoutist gehandelte HC Ambri-Piotta grüsste nach dem Spiel vom vergangenen Freitag gegen den SC Bern gar als Leader. Wichtige Figur ist dabei Daniel Steiner, dem in Langnau nicht die Wertschätzung entgegen gebracht wurde, die er eigentlich verdient.

Blog • • von Bruno Wüthrich

Weil die SCL Tigers spielfrei hatten, reiste ich am vergangenen Freitag nach Ambri, um mir das Spiel des HCAP gegen den SCB live rein zu ziehen. Ich sah eine attraktive und spannende Partie, die beidseitig, aber vor allem auf Seiten der Leventiner mit grosser Leidenschaft geführt wurde, und in welcher sich offenbarte, über welch grosses Selbstvertrauen das Team von Serge Pelletier derzeit verfügt. Zwei Dinge schossen mir auf der Heimfahrt nach dem Spiel in Ambri durch den Kopf. 1.) Dort, wo die Leventiner jetzt stehen, könnten – weil ja alles möglich ist – auch die SCL Tigers stehen, wenn sie im Frühling dieses Jahres nicht derart dämlich abgestiegen wären. Doch ich verwerfe den Gedanken gleich wieder. Geschehen ist geschehen. Es gilt, vorwärts zu blicken und das Beste daraus zu machen. Die Verantwortlichen in Langnau machten ja unmissverständlich klar, dass das «Unternehmen Wiederaufstieg» unverzüglich an die Hand genommen werde, und dass sie den Klub innerhalb der nächsten drei Jahre wieder in der NLA sehen wollen. 2.) Mein zweiter Gedanke war, dass die SCL Tigers bezüglich Leidenschaftlichkeit viel vom HC Ambri-Piotta lernen könnten. Der Klub aus dem kalten Tal gleich ennet dem Gotthard hält sich seit Jahren vornehmlich wegen der schier unbegrenzten Leidenschaftlichkeit trotz widrigster Umstände konstant in der obersten Spielklasse. Zugegeben: Meistens halt in den hintersten Tabellenregionen, und oft helfen auch Geldquellen, über die wir uns jetzt nicht näher unterhalten, und auch nicht näher hinschauen wollen. Entgegen der landläufigen Meinung bin ich persönlich davon überzeugt, dass Ambri auch einen Abstieg in die NLB überstehen, und dank der Leidenschaftlichkeit der Verantwortlichen und der Fans, die sich für jeden sichtbar auf das Team überträgt, auch wieder aufsteigen würde.

 

Ambri gewann dieses Spiel gegen den kriselnden, amtierenden Meister SC Bern verdient, wenn auch erst im Penaltyschiessen. Einer der Matchwinner war, trotz verschossenem Penalty, der Ex Tiger Daniel Steiner. Er schoss das Tor zur zwischenzeitlichen 3:2 Führung und steuerte den Assist zum 1:0 für Ambri bei. Doch Steiner war nicht nur vorne, sondern auch hinten anzutreffen. Beispielsweise als er sich gegen Ende des zweiten Drittels wagemutig und beinahe schon halsbrecherisch in einen gegnerischen Schuss warf. Steiner fiel auf in diesem Spiel, und dies nicht nur in besagten Szenen. Oder besser gesagt: Er fiel erneut auf. Denn der Burgdorfer steht mit 8 Toren, 8 Assists bei 16 Punkten aus 20 Spielen und ist damit Ambris zweitbester Skorer (hinter Alexandre Giroux, 20 Sp. 9 T. 9 A. 18P) und auch 11-bester Skorer der gesamten NLA. Steiner hat also mit Ambris Höhenflug etwas zu tun. So, wie er auch mit Langnaus Playoff-Qualifikation 2011 etwas zu tun hatte. Wie viel dies war, entging leider – wie so vieles - den ungeübten Augen des damaligen Sportchefs Ruedi Zesiger.

 

«Ich bin sicher kein einfacher Spieler», gibt Daniel Steiner zu. «Ich brauche viele Einsätze, um meinen Rhythmus zu finden und zu halten. In Ambri erhalte ich viel Eiszeit. Genau so war es auch in der Saison 2010/11 in Langnau.» Steiner trug – aus der AHL zu den Tigers zurückgekehrt, in 37 Spielen 31 Punkte (14 T. 17 A.) zum bisher grössten Erfolg der Langnauer nach dem Meistertitel 1976 bei.

 

Doch die Wertschätzung der Klubführung schlug sich – sofern überhaupt vorhanden – nicht im Lohnbeutel von Steiner nieder. Statt dessen wurde für teures Geld Robin Leblanc verpflichtet, Davoser Meisterschütze von 2007, aber danach auf NLA-Stufe nicht mehr reussierend und nicht über den Status eines 4-Linien-Spielers hinaus kommend. Steiner wurde mitgeteilt, dass man ihn zwar behalten möchte, ihm jedoch nach der Verpflichtung Leblancs seinen Lohn nicht aufstocken könne. Der mittlerweile 31-jährige, der nach seinem Nordamerika-Abenteuer in der Saison 2009/10 in der Schweiz eine neue Chance brauchte, spielte deshalb gemessen an seiner Klasse für wenig Geld in Langnau. Er war, nachdem er seine neue Chance auch zum Nutzen der SCL Tigers auf eindrückliche Art und Weise genutzt hatte, aus nachvollziehbaren Gründen nicht bereit, zum gleichen Lohn erneut im Emmental zu unterschreiben, und nahm deshalb die deutlich höher dotierte Offerte des HC Lugano an. Welch fatalem Irrtum dabei die Tigers-Führung unterlag, zeigte sich darin, dass Leblanc auch in Langnau nicht über den Status eines 4.-Linien-Spielers heraus kam, während Steiner in Lugano gute Leistungen vollbrachte und regelmässig skorte. Steiner für Leblanc zu opfern, war also aus Langnauer Sicht ein miserabler Tausch. Für das Geld, das man letzterem in den Rachen schob, wäre Steiner wohl in Langnau geblieben. Steiner, mit einem gut dotierten Zweijahres-Vertrag ausgestattet, ist glücklich in Ambri. «Dies hängt auch mit unserer momentanen Situation zusammen. Würden wir mehrheitlich verlieren, wäre das Feeling bestimmt etwas anders,» relativiert Steiner. Aber er weiss zu schätzen, dass sein Coach auf ihn setzt. Robin Leblanc wechselte auf diese Saison hin von Langnau nach La Chaux-de-Fonds und spielt dort eine sehr gute Rolle. In den bisherigen 16 Spielen realisierte er bei 9 Toren und 5 Assists 14 Punkte und ist damit 3.-bester Skorer der Neuenburger. Auf Stufe NLB wäre Leblanc wohl auch in Langnau eine echte Verstärkung gewesen.

 

Dem HC Ambri-Piotta sind die Playoffs in dieser Saison nicht mehr zu nehmen. Die Frage ist aber, ob sie danach der gleichen Selbstüberschätzung unterliegen, welche in Langnau im Abstieg in die NLB mündete. Wie bei den Emmentalern in der Saison 2010/11 grenzt auch der derzeitige Höhenflug der Leventiner an ein Wunder. Zu glauben, dieses lasse sich trotz Ausdünnung des Kaders (wie in Langnau nach der Saison 10/11 gleich zwei Mal geschehen) beliebig wiederholen, wäre naiv. Nach den heftigen Kritiken, welche die Verantwortlichen des HCAP in den letzten Jahren über sich ergehen lassen mussten, wäre eine derartige Verkennung der Realität nicht verwunderlich. Auch in Langnau war man nach der Playoff-Quali der Meinung, die «selbst ernannten Experten» der Presse habe man eines Besseren belehrt. Man wisse es also doch besser die «Schmierenschreiberlinge» des Boulevard oder die «Besserwisser» der übrigen Presse.

 

Aber wer weiss: Vielleicht könnten ja die Verantwortlichen der SCL Tigers der Führung des HCAP mit ein paar hilfreichen Tipps zur Seite stehen. Denn immerhin muss ja jetzt in Langnau nach den gemachten Erfahrungen eine gewisse Einsicht vorhanden sein, die auch weiter gegeben werden kann. Im Gegenzug könnten uns die Leventiner beibringen, wie die auch in der Führung der SCL Tigers vorhandene Leidenschaftlichkeit (siehe Sanierung Ilfishalle) aufs Langnauer-Eis gebracht werden kann. So wäre beiden Klubs geholfen.