Gedanken zum Umgang mit dem unnötigsten Abstieg aller Zeiten

Bis zum Wiederaufstieg kann es 10 Jahre dauern

Das Podium nur drei Tage nach dem Abstieg kam genau zur rechten Zeit, um den verwundeten Hockey-Seelen von Langnau wieder etwas Hoffnung einzuhauchen. Aber es kam zu früh, um konkrete Pläne und Taten anzukünden. Zudem blieb es in der Aufarbeitung der Fehler, ungenügenden Leistungen und Versäumnisse viel zu wage.

Blog • • von Bruno Wüthrich

Lediglich drei Tage nach dem entscheidenden, leidenschafts- und chancenlos verlorenen Spiel zum definitiven Abstieg in die NLB findet sogar Klaus Zaugg nur lobende Worte für die Verantwortlichen der SCL Tigers. Wie bitte? Da kann doch etwas nicht stimmen. Hatte der bekannte Eishockey-Experte und -Journalist Sand in den Augen? Wurde überhaupt Sand gestreut?

 

Peter Jakobs Entschuldigung an die Fans und die Sponsoren war aufrichtig gemeint, und sie kam auch so rüber. «Ich entschuldige mich als Verwaltungsratspräsident für das, was war. Wir erfüllten die Erwartungen von euch Fans und euch Sponsoren klar nicht. Wir waren schlecht. Wir waren die schlechtesten. Punkt, Fertig, Amen, Aus! Lausanne war besser, und darum sind wir nun in der NLB, Punkt.» Leider sagte Peter Jakob nichts darüber, für was genau er sich denn da entschuldigt. Denn die SCL Tigers zeigten ja im 5. Spiel der Liga-Qualifikation, welches sie in der Ilfishalle 2:0 gewannen, dass sie durchaus die spielerischen Mittel hatten, um den Ligaerhalt zu schaffen. Peter Jakob stand selbst nicht auf dem Eis. Für die Leistungen, welche während dieser Ligaqualifikation auf dem Eis gezeigt wurden, und für die fehlende Leidenschaft sollte also diese Entschuldigung nicht gemeint gewesen sein. Dafür sollten sich andere entschuldigen. Peter Jakob sagte leider auch dies: «Wir wollen keine dreckige Wäsche waschen. Es gibt nicht nur einen, sondern einen ganzen Cocktail an Gründen für unser Scheitern. Es bringt nichts, dies in der Öffentlichkeit zu analysieren. Wir haben in diesen drei Jahren im Verwaltungsrat dazu gelernt. Gescheiter zu werden, ist nicht verboten.»

 

Die Aussage, dass die begangenen Fehler intern (und nicht für die Öffentlichkeit) geklärt werden sollen, hörten wir an diesem Abend nicht nur einmal. Peter Jakobs Forderung, keine dreckige Wäsche zu waschen, ist berechtigt. Und wir wollen dies auch gar nicht tun. Aber muss denn wirklich dreckige Wäsche gewaschen werden, wenn man sich über begangene Fehler unterhält? Wir sind ganz klar anderer Ansicht. Es kann doch nicht sein, dass wir an einem zwei Stunden dauernden Podiumsgespräch nicht erfahren, für was genau der Verwaltungsrat sich entschuldigt, und was man bei den SCL Tigers aus der Vergangenheit gelernt haben will.

 

Sand in den Augen

Klaus Zaugg rühmt in seinem Artikel auf 20 Minuten online die Hockeykultur in Langnau. Es ist gut, dass die Langnauer sich in der bitteren Stunde des Abstiegs daran erinnern, wer die SCL Tigers für sie gerettet hat, und dass ein paar Jahre in der NLB immer noch tausend mal besser sind als ein totaler Untergang. Doch ein wenig mehr Wille zur öffentlichen Aufarbeitung würde uns allen gut tun. Denn Zaugg übersieht in seinem Artikel (was er als Teilnehmer des Podiums durchaus gesehen hat), dass im Emmental nicht nur die Hockeykultur, sondern auch die Kulturen des Anstands und der Dankbarkeit vertreten sind. Deshalb wissen wir auch, wem wir es zu verdanken haben, dass es die SCL Tigers noch gibt. Wer einen Klub von der Bedeutung der SCL Tigers vor dem Untergang rettet, der hat auch dann noch höchsten Respekt und Dankbarkeit verdient, wenn dieser Klub wegen einer Verkettung von umstrittenen Entscheiden völlig unnötig in die NLB absteigt. Schliesslich bedeutet dieser Abstieg nicht den totalen Untergang. Die Möglichkeit einer (baldigen?) Rückkehr in die oberste Spielklasse ist nicht völlig ausgeschlossen. Aber das, was Klaus Zaugg am Podium vom letzten Freitag als Hockeykultur erkannt haben will, gehört zu einem grossen Teil zu unserer Kultur des Anstands und der Dankbarkeit. Kaum vorstellbar, was nach diesem leidenschaftlosen Abstieg im Emmental los gewesen wäre, wenn andere als die Tiger-Retter dafür die Verantwortung hätten übernehmen müssen, oder wenn unsere Kulturen zur Anständigkeit und Dankbarkeit nicht so ausgeprägt wären.

 

Alban Rexha bekennt sich zu Langnau

Etwas wurde dann aber doch noch konkret. Denn wenn ein Ur-Langnauer sich zu seinem Klub bekennt, und vor 800 Zeugen versichert, dass er bei den SCL Tigers bleiben und mithelfen will, den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen, dann muss und wird dies Signalwirkung haben. Alban Rexha hat dies getan. Er hat sich öffentlich zu den SCL Tigers bekannt. Dafür gebührt ihm allerhöchster Respekt. Alban, wir lieben dich !!! Er ist damit ein Vorbild für alle. Alban Rexha hätte sich in der vergangenen Saison sicher mehr Einsätze gewünscht. Er hätte sich sicher gewünscht, mehr für den Klassenerhalt tun zu dürfen. Er war mit Sicherheit keiner der Hauptschuldigen am Abstieg. Dass er jetzt derjenige ist, der als Allererster der abgestiegenen Tigers-Spieler sein Bekenntnis abgibt, nehmen wir deshalb mit Freuden zur Kenntnis. Vertrag ist zwar noch keiner unterschrieben, und sein Agent Georges Müller soll sich dem Vernehmen nach noch zieren. Doch Rexhas Ansage, übrigens ohne Wenn und Aber, erfolgte vor 800 Zeugen. Dies ist besser als jeder Vertrag! Stimmts, Alban?

 

Die Verantwortlichen bleiben

Nicht immer ist es gut, wenn die Verantwortlichen sich zurück ziehen, sobald etwas nicht so gelaufen ist, wie es hätte laufen sollen. Wir schreiben in diesem Zusammenhang absichtlich nicht von «Scheitern». Denn das, was in Langnau seit dem Sommer 2009 vollbracht wurde, ist trotz des Abstiegs in die NLB eine Erfolgsstory. Deshalb ist es ein Glück, dass Peter Jakob und seine VR-Crew an Bord bleiben. Wichtig ist, dass sie aus dem sportlichen Misserfolg, welcher auch mit ihren Entscheidungen zusammen hängt, die Lehren ziehen. Aber genau hier gibt es Bedenken. Diese Bedenken haben zu tun sowohl mit den sportlichen Entscheiden, die in den letzten beiden Jahren gefällt wurden, als auch in der Unlust, diese öffentlich aufzuarbeiten. Jetzt zu sagen, man wolle die Aufarbeitung nicht in der Öffentlichkeit betreiben, ist zwar nachvollziehbar, aber falsch. Es geht nicht darum, mit dem Finger auf Personen zu zeigen. Es geht darum, Vertrauen auch in einem Bereich (Sport) zu schaffen, welcher bisher nicht zu den Stärken des VRs gehörte, und zu zeigen, dass die Entscheidungsträger tatsächlich etwas gelernt haben. Behaupten kann dies nämlich jeder!

 

Wenn immer die Öffentlichkeit mit Sätzen abgespeist wird wie «das gehört nicht an die Öffentlichkeit», oder «das regeln wir intern», gilt es die Ohren erst recht zu spitzen. Denn meistens handelt es sich bei dem, was nicht an die Öffentlichkeit gehören, und deshalb intern geregelt werden soll, keineswegs um Lapalien. Sondern genau hier hängt meistens der «Speck am Knochen».

 

«Ketzerische» Fragen?

  1. Ist es tatsächlich unerheblich, oder nimmt es niemanden wunder, wie es geschehen konnte, dass in dieser Ligaqualifikation der SCL Tigers gegen den HC Lausanne auf Seiten der Emmentaler die Leidenschaftlichkeit gefehlt hat? Wissen wir die Gründe dafür, und sind deshalb in der Lage, derartiges in Zukunft zu verhindern?

  2. Wissen wir, ob der Verwaltungsrat dem neuen Geschäftsführer Wolfgang Schickli (Pitbull) auch dann den Rücken stärkt, wenn er beisst. Am Podium forderte Klaus Zaugg genau dies, und der «Pitbull» fletschte bei einigen seiner Aussagen bereits ein bisschen mit den Zähnen. Ein Statement des Verwaltungsrates in Richtung «Wille zur Aufarbeitung» auch dann, wenn es unbequem wird, und in Richtung Rückenstärkung für den Geschäftsführer blieb jedoch aus.

  3. Kennen wir nach diesem Podium die Gründe für das totale sportliche Scheitern der SCL Tigers, welches uns alle in die NLB führte? Gut möglich, dass sich Fans und Sponsoren längst darüber im Klaren sind. Trotzdem gibt es zur Beantwortung der Frage ein Nein! Wir kennen ja noch nicht einmal die Gründe für das Fehlen der Leidenschaft in den entscheidenden Spielen. Dabei fehlten im 6. Spiel gegen die Lakers lediglich 54 Sekunden zum Sieg in der Serie und zur Rettung noch vor der Ligaqualifikation. Vom Verwaltungsrat über die sportliche Führung bis hin zum Team und den Spielern hatten viele Protagonisten der SCL Tigers umstrittene Entscheide zu fällen (Ausländer / Torhüter / Verstärkungen / Trainer, die Entmachtung von Geschäftsführer Ruedi Zesiger als Sportchef sowie seine spätere - zu späte - Entlassung als Geschäftsführer). Die Vermeidung eines einzigen dieser Fehlentscheide zum richtigen Zeitpunkt hätte den Abstieg wohl bereits verhindern können. Wo genau geschah der entscheidende Fehler? War es das kopflose Forechecking in der 60. Minute des 6. Spieles gegen die Lakers (Spieler / Coach)? War es der Zeitpunkt der Trainerwechsel (Sportchef / vVerwaltungsrat)? War es - viel früher - der Verzicht auf Torhüter Jaroslav Hübl (Sportchef / VR)? Wurden die ausländischen Spieler zu sehr forciert und hatten in den entscheidenden Momenten keinen «Pfupf» mehr (Coach)? Hatte Simon Moser seinen Kopf zu sehr beim Steuern sparen (nicht ernst gemeint)? Hätte Köbi Kölliker nicht als Coach an die Bande stehen dürfen (Sportchef / VR)? Würde einigen Spielern zu früh kommuniziert, dass man mit ihnen nicht mehr plant (Sportchef)?

 

Es ist einiges zu klären. Bei allem Vorwärts-schauen lohnt sich immer auch der Blick in die Vergangenheit. Denn um die Sponsoren und Fans bei der Stange zu halten, sind vertrauensbildende Massnahmen nötig. Dazu gehört, dass die Entscheidungsträger zeigen, was sie gelernt haben, und was sie künftig besser machen wollen. Worte und Sätze wie «gehört nicht an die Öffentlichkeit» oder «intern auf den Tisch bringen» tragen nichts, aber auch gar nichts zur Vertrauensbildung bei.

 

Absage von Martin Gerber - Aufstieg wird kein Zuckerschlecken

Lausanne benötigte 8 Jahre, um nach seinem Abstieg im Frühjahr 2005 endlich wieder aufzusteigen. Nötig war dazu mit den SCL Tigers ein Gegner, der weit davon entfernt war, sein bestes Eishockey zeigen zu wollen. Wäre dies der Fall gewesen, würde Lausanne ohne jeden Zweifel noch weiterhin in der NLB darben. Die Langnauer sind abgestiegen mit Leuten wie Simon Moser und Etienne Froidevaux in ihren Reihen. Den Wiederaufstieg müssen sie ohne diese Teamleader schaffen. Peter Jakob beruhigt Sponsoren und Fans mit der Zielsetzung des Wiederaufstiegs in den nächsten drei Jahren. Es fehlt jedoch die Antwort auf die Frage nach dem «Wie». So lange kein konkreter Plan kommuniziert ist, bleibt diese Zielsetzung lediglich ein Lippenbekenntnis, und es ist nicht klar, ob sich die Entscheidungsträger bewusst sind, wie schwierig dieses Unterfangen werden wird.

 

Martin Gerber hat den SCL Tigers aus verständlichen, sportlichen Gründen abgesagt. Er wird vorerst nicht wieder Torhüter in Langnau. Die NLB käme für sein Leistungsniveau noch viel zu früh. Die Langnauer hätten jedoch bei einem Verbleib in der obersten Spielklasse gute Karten in den Händen gehabt, ihren Kult-Torhüter wieder heim zu holen. Den Neuanfang in der NLB müssen die Langnauer aber ohne Martin Gerber machen. Dies ist auch ein Hinweis dafür, dass die Zeit bis zum Wiederafstieg lang werden könnte