Trotz Tigers-Drama in Ambri und anderen Makeln:

Ein beinahe perfektes Wochenende im Tessin

Es hätte trotz ein paar Makeln das perfekte Wochenende werden können. Doch wenn von 0,4 Sekunden deren 0,3 zu viel sind, wird aus einem perfekten eben lediglich ein guter Abend. Ein Bericht über ein Wochenende, welches nicht nur aus dem Spiel in Ambri bestand.

Spielbericht • • von Bruno Wüthrich

Dario Rohrbach und Topscorer Alexi Saarela schaffen es nicht, Ambris Defensive mit dem starken Hüter Janne Juvonen zu überwinden. Bild: Susanne Bärtschi.

 

Für einen Matchbericht ist es mittlerweile etwas spät. Ich zog beim Wochenende im Tessin den Ausgang dem rechtzeitigen Spielbericht vor, obwohl ich selbstverständlich zusammen mit der Fotografin Susanne Bärtschi vor Ort war. Deshalb hier eher ein Erlebnisbericht statt einer Spielanalyse.

Eine halbe Minute vor dem Ende des dritten Drittels, - die Tiger führten dank eines Treffers von Patrick Petrini seit der 33. Minute mit 1:0 – sagte ich zu Martin Neuenschwander, welcher die SCL Tigers mit dem Car zu praktisch jedem Auswärtsspiel chauffiert: «Nun haben wir immerhin einen Punkt auf sicher.» Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass da noch etwas kommt von Ambri. Und wenn die Tiger jetzt noch einen Gegentreffer kassieren, wird Ambri in der Overtime mental im Vorteil sein.

Als die Langnauer dann ungefähr vier Sekunden vor Schluss der Partie ein Icing produzierten, war offenbar der tüchtige Zeitnehmer in der Gotthard-Arena gedanklich der Gegenwart etwas voraus. Er vergass nämlich einen Moment lang, die Uhr abzustellen. Meiner Schätzung nach müssten dies etwa 2,5 Sekunden gewesen sein. Die Matchuhr, die ja rückwärts läuft und immer die noch zu spielende Zeit anzeigt, stand bei 1,5 Sekunden. Meine Nachbarn, die nicht auf die Uhr geschaut hatten, wussten nicht, was sich die Schiedsrichter im Zeitnehmerhäusschen anschauen wollten. Ich erklärte es ihnen und sagte, die Referees würden die Zeit nach meiner Schätzung auf 4 Sekunden stellen. Es wurden dann (leider) 4,4 Sekunden. Davon waren genau deren 0,3 Sekunden zuviel.

Wobei: die SCL Tigers hätten doch nur das Bully gewinnen müssen. Sie gewannen es leider nicht. Der Puck gelangte zu Alex Formenton, der abzog. Der untadelige Tiger-Hüter Stephane Charlin wehrte ab, aber genau auf den Stock von Jesse Virtanen, welcher genau 0,2 Sekunden vor Ablauf der Spielzeit zum Ausgleich einschob.

Dieser Ausgleich – dies muss man trotz aller Dramatik festhalten – war trotz aller Zufälligkeit sehr verdient. Denn die Leventiner taten zuvor viel dafür, die Emmentaler verteidigten aber ihren Vorsprung ebenso leidenschaftlich, wie die Gastgeber ihren Rückstand ausgleichen wollten. Und auch der Langnauer Treffer war eher ein Produkt des Zufalls. Der formstarke und schier unüberwindbar scheinende Ambri-Hüter Janne Juvonen liess sich für einmal aus spitzem Winkel erwischen. Dies ausgerechnet in einer Phase, als Ambri mächtig Gas gab.

In der Verlängerung kam es dann, wie es kommen musste. Ambri war mental klar im Vorteil. Das Momentum sprach für sie. Die Tiger wirkten etwas fahrig und spielten nicht mehr mit der Überzeugung, wie in den ersten 60 Minuten. So wurde aus einem schon im Trockenen geglaubten Sieg doch noch eine bittere Niederlage. Aber immerhin war es ein gutes, und vor allem spannendes Spiel. Genau wegen solchen Spielen kommt das Publikum. Für den gastgebenden Klub ist eine solche Dramatik unbezahlbar. Das ist beste Werbung für das Eishockey. Eben genau wegen der Dramatik.

Leicht geknickt verliessen Susanne und ich die Gotthard-Arena und fuhren zurück in Richtung Bellinzona, von wo her wir auch gekommen waren. Wir wollten die Partie in Ambri mit einem Wochenende im Tessin verbinden. Beide waren wir zuvor noch nie in der Hauptstadt des Tessins. Die Altstadt ist wirklich sehenswert und die Burgen – wir besuchten das Castel Grande – sind der Hammer. Auf den Türmen, zwischen den Zinnen der Mauern oder in den verborgenen Tunneln erhält man eine Vorstellung, auf welche Weise die Burgherren ihre Festung zu verteidigen gedachten. Wer noch nie dort war, sollte dies unbedingt nachholen. Die nächste Partie der Tiger in Ambri kommt bestimmt (für den Fall, dass jemand einen zusätzlichen Grund braucht, ins Tessin zu reisen).

Etwas enttäuschend war nach der Rückreise nach Bellinzona der Ausgang. In deren Altstadt war nämlich nicht das Geringste los. Gerade mal ein Pub hatte noch geöffnet. Zu essen gab es nur noch Chips und Nüssli. Wir sind dann in die flüssige Ernährung (Bier) geflüchtet. Wir werden uns vor dem nächsten Mal erkundigen müssen, wo was zu finden ist, bevor wir ohne Hintergrundwissen der Altstadt (oder einem anderen Stadtteil) den Vorzug geben. Gerne nehmen wir auch Tipps entgegen.

Noch ein paar Worte zur Gotthard-Arena. Es war mein erster Besuch in der neuen Heimstätte von Ambri. Nachdem ich in den Jahren zuvor in der Valascia immer vor Ort war, wenn dort die Tiger spielten, war es mir bisher aus verschiedenen Gründen nicht mehr möglich, persönlich anzureisen. Deshalb freute ich mich tierisch auf diesen ersten Besuch. Ich denke, für Besucherinnen und Besucher ist diese Arena der Hammer. Sie ist zudem bestens geeignet, so viel wie möglich aus den Zuschauenden und Fans herauszuholen. Das Konzept erscheint mir wirklich überaus gelungen. Gegen die SCL Tigers war die Halle übrigens ausverkauft.

Eine Einschränkung gibt es für die Presseplätze, zumindest für einen Teil davon. Zwar ist die Sicht auf das Eisfeld hervorragend, aber zumindest teilweise kann man von diesen aus nun wirklich nicht arbeiten. Ich jedenfalls hätte Angst um meine Arbeitsgeräte. Zum Glück schreibe ich nicht mehr aus den Stadien heraus.