Von Franzén zu O’Leary:
Ein Trainerwechsel, der sich bisher nicht auszahlte
Wo bleiben die Impulse, die man in Langnau mit dem Trainerwechsel von Rikard Franzén zu Jason O’Leary bewirken wollte? Schaut man auf die nackten Zahlen, kommt das Staunen und bleibt Ernüchterung. Eine Analyse.
Der 5. Februar 2021 ist unser Stichtag. Das ist wahrlich kein besonderer Tag im Kalender eines Tiger-Fans. Es dürfte auch kein besonderer Tag sein im Leben irgendeines Beschäftigten im Umkreis der SCL Tigers, zumindest dann nicht, wenn ihm diese Organisation nicht ganz gleichgültig ist. Es ist aber auch kein besonders wichtiger Tag. Es ist eben ein Stichtag. Es ist der Tag, an welchem die Langnauer ihr Heimspiel gegen den EV Zug mit 4:9 verlieren. Es ist die 32. Runde im Rahmen der Schweizerischen Eishockey-Meisterschaft auf höchster Stufe, der National League.
Nach dieser Pleite haben die Tiger 27 Punkte auf ihrem Konto, 6 Spiele nach regulärer und weitere zwei nach Verlängerung gewonnen und insgesamt 24 Niederlagen kassiert, wovon deren 5 nach Verlängerung.
2020/21 32 6 2 5 19 66:123 27
2021/22 32 6 2 4 20 81:120 26
Es war die Saison 2020/21, und da umfasste das Feld der Teilnehmer noch 12 Mannschaften. Der HC Ajoie war damals noch nicht dabei. Deshalb habe ich mir gestattet, für den Vergleich der aktuellen Meisterschaft mit der letzten den HC Ajoie rauszuhalten. Die SCL Tigers haben bisher drei Mal gegen die Jurassier gespielt (2:3, 9:3 und 8:2) und dabei 6 Punkte gewonnen.
Zahlen sind nicht alles. Und oft erzählen sie keine Geschichten. Trotzdem können wir sie nicht einfach ausser Acht lassen. Zumal sich bei diesem Vergleich Ernüchterung breit machen dürfte oder sogar müsste. Wir vergleichen also die ersten 32 Runden der aktuellen und der letzten Saison miteinander. Einfach ohne Ajoie.
Die SCL Tigers haben unter Coach Jason O’Leary exakt einen Punkt weniger erzielt als sein Vorgänger Rikard Franzén mit seiner damaligen Mannschaft bei gleich vielen ausgetragenen Partien.
Bei besagter 32. Partie der damaligen Saison hütete in den ersten 40 Minuten Gianluca Zaetta das Tor. Er wurde beim Stande von 1:5 und einer Abwehrquote von 77,3 Prozent nach 40 Minuten durch Ivars Punnenovs ersetzt, welchem die Zuger jedoch im letzten Drittel nochmals vier Tore einschenkten. Punnenovs Abwehrquote in diesem Drittel: 75 Prozent.
Klare Nachteile bei den Ausländern für Franzén
Die SCL Tigers traten, - wie es in der Saison 2020/21 häufig der Fall war, lediglich mit einem Ausländer (Ben Maxwell) an. Mehr als drei Ausländer konnte Franzén nie einsetzen. Im Gegenteil: Es gab Spiele, in denen er keinen Einzigen Import auf dem Matchblatt hatte. Der Fairness halber sei erwähnt, dass in den ersten 32 Runden immer mindestens ein Ausländer eingesetzt werden konnte.
Wenn also Rikard Franzén auf die aktuelle Mannschaft mit den aktuellen Ausländern Jesper Olofsson, Alexandre Grenier, Harri Pesonen und Aleksi Saarela blickt und deren Skorerwerte im Blickfeld hat, wird er sich verwundert fragen, was zum Teufel denn in Langnau los ist, dass mit solchen Hockkarätern wiederum nur der 12. Rang herausschaut. Und dieser wiederum ziemlich abgeschlagen hinter dem 11. Wobei: Abgeschlagen war die Mannschaft von Rikard Franzén damals nicht. Im Gegenteil: Eigentlich lag man damals sogar auf dem vorletzten Platz. Allerdings hatte der SC Bern sieben Partien weniger ausgetragen.
Ein Blick auf die aktuelle nationale Skorerliste spricht Bände. Auf dem 1. Rang finden wir Jesper Olofsson mit 45 Punkten aus 35 Spielen. Auf Rang 3 ist Alexandre Grenier mit 42 Punkten. Und Harri Pesonen folgt bereits auf Rang 6 mit 35 Punkten. Auch der Wert von Aleksi Saarela lässt sich sehen. Bei ihm resultieren 20 Punkte. Er hat aber verletzungsbedingt erst 24 Partien bestreiten können.
Im Gegensatz dazu der Vergleich mit Ben Maxwell. Er belegte in der Saison 2020/21 mit seinen 27 Punkten aus 50 Spielen den 56. Rang. Insgesamt ergatterten die zum Teil temporären Ausländer Ben Maxwell, Marcus Nielsson, Eric Bränström und Robbie Earl über die ganze Saison 2020/21 im Total 58 Skorerpunkte für die Emmentaler.
Hier wiederum der Vergleich: In den bisherigen 35 Runden (hier rechnen wir die Partien gegen Ajoie dazu) realisierten Olofsson, Grenier, Pesonen und Saarela insgesamt 152 Punkte. Also nach ungefähr zwei Dritteln der Qualifikation etwas mehr als den zweieinhalbfachen Wert.
Auch die Torhüter…
Aber nicht nur bei den Ausländern geniesst Jason O’Leary einen Vorteil. Sondern auch bei den Torhütern. In insgesamt 19 Partien musste Rikard Franzen Gianluca Zaetta (11) oder Damian Stettler (8) einsetzen. Nichts gegen diese beiden jungen Torhüter. Sie wissen beide selbst, dass sie unter normalen Umständen noch nicht auf dem Niveau von Ivars Punnenovs oder Robert Mayer sind.
Da stellt sich die Frage, ob man bei den SCL Tigers eventuell die Abgänge einiger Spieler mit Schweizer Lizenz etwas falsch eingeschätzt hat. Andrea Glauser (jetzt bei Lausanne) und Federico Lardi (zurückgetreten) waren halt sichere Werte in der Langnauer Defensive. Und dass der Abgang von Julian Schmutz weh tun würde, war sicherlich allen bewusst.
Pech war, dass sich Miro Zryd im dümmsten Moment vor Meisterschaftsbeginn verletzte. Bisher fand er sein normales Niveau noch nicht ganz. Er war dafür vorgesehen, den Abgang von Andrea Glauser auszugleichen. Insgesamt dürfte bei den Spielern mit Schweizer Lizenz etwas weniger Potential vorhanden sein als noch unter Franzén.
Mit welchen Ellen wird der Sportchef messen?
Trotzdem: Misst Sportchef Marc Eichmann mit gleichen Ellen wie im Frühling, wird er Jason O’Leary nach dieser Saison nicht weiter beschäftigen können. Auch der Sportchef selbst muss sich an den Zahlen messen lassen.
Bei den Ausländern hatte er ein überragendes Händchen. Schade, dass man sich in Langnau nicht getraute, diesen Spielern gleich zu Beginn Mehrjahresverträge zu offerieren. Nun ist der Abgang von Jesper Olofsson bereits beschlossene Sache, und bei Alexandre Grenier sieht die Sache wohl nicht viel besser aus. Wobei: so lange nichts unterschrieben ist, ist alles möglich.
Bei der Wahl des Trainers und bei der Rekrutierung von Spielern mit Schweizer Lizenz hatte Eichmann deutlich weniger Glück. Die Zahlen sprechen auch bei ihm eine deutliche Sprache.
Sportchef Marc Eichmann hat auf die nächste Saison hin extrem – wirklich extrem – viel Arbeit vor sich.