Robert Esches Melodie klingt wieder fröhlich

Robert Esche hat in der NHL gespielt und mit dem US-Nationalteam grosse Turniere bestritten. Sowohl privat als auch sportlich durchlebte der Langnauer Torhüter Höhen und Tiefen. Dereinst will der 33-Jährige, welcher kranke Kinder unterstützt, als Baue

News • • von Berner Zeitung

Mit der Gitarre unter dem Arm sitzt Robert Esche auf dem Sofa. Er spielt die erste Strophe eines Songs von Johnny Cash, später summt er Lieder von Waylon Jennings. Er mag Countrymusik, übt fast jeden Tag – und fühlt sich dabei heimisch. Der neue Langnauer Torhüter ist in der New Yorker Kleinstadt Utica aufgewachsen; er bezeichnet sich als Landei, fühlt sich im Emmental daher pudelwohl. Mit starken Leistungen gegen Davos und Servette hat sich der charismatische Amerikaner am vergangenen Wochenende in die Herzen der Fans gespielt. Esche, langjähriger NHL-Goalie und Rückhalt des US-Nationalteams, ist der neue Hoffnungsträger der SCL Tigers – einer, der anders tickt.


Eine Farm in der Heimat

Es gebe zwei Formen von Robert Esche, sagt der 33-Jährige. «Auf dem Eis bin ich extrem ehrgeizig, manchmal übermotiviert. Im Privatleben dagegen bin ich gelassener.» Esche schätzt die Ruhe und Abgeschiedenheit in Langnau. Das hektische Treiben, welches er aus den USA kennt, vermisst er kaum, nach dem Glamour der NHL verspürt er keine Sehnsucht. «Die Zeit in der NHL war grossartig. Ich brauche aber nicht viel Aufmerksamkeit, keine Luxushotels, keine Unterhaltungscenter.» Ihm behagten die frische Luft und grüne Landschaft im Emmental, die Gegend erinnere ihn an sein Anwesen in der Heimat, sagt Esche. Im Bundesstaat New York hat er vor Jahren eine Farm gekauft, nach seinem Karrierenende will er als Bauer arbeiten. Esche pflanzte allerlei Dinge an, erwarb Kleintiere. «Ich bin ein Quereinsteiger, habe aber viele Bücher gelesen und mir Rat bei Experten geholt. Und meine Frau unterstützt mich.» Dereinst will er auf seiner Farm ein Restaurant eröffnen.


Kampf mit sich selbst

Sportlich ging es bei Robert Esche nicht immer bergauf – oftmals drohte er, in der NHL den Anschluss zu verlieren. Auch ausserhalb der Stadien durchlebte er Höhen und Tiefen. Für kurze Zeit befand er sich im seelischen Dilemma. 18 Jahre alt war er, als sein psychisch kranker Bruder Selbstmord beging. Die Eltern trennten sich, darauf habe er die Orientierung verloren, erzählt Esche. Wochenlang habe er viel Alkohol getrunken. «Es passierten Dinge, auf die ich heute überhaupt nicht stolz bin. Aber ich war jung und dumm – es war mein Weg, das Erlebte zu verarbeiten.»

Eishockey spielte damals in Esches Leben eine marginale Bedeutung. Zwar war er kurz zuvor von Phoenix gedraftet worden, Kraft für den Sport brachte er jedoch keine auf. Esche wirkt nachdenklich, seine Stimme wird leiser, während er über die Vergangenheit spricht. Den Turnaround zu schaffen, sei eine Willensleistung gewesen, ein Kampf mit sich selbst. «Mental bin ich dadurch wohl noch stärker geworden. Mir wurde klar, was im Leben wirklich von Bedeutung ist.»

Wichtig sind ihm Glück und Gesundheit. Seit zehn Jahren engagiert er sich für Kinder mit lebensbedrohenden Krankheiten, welche im Mohawk Valley, der Region, in der Esche aufwuchs, leben. Er gründete eine Stiftung (The Robert Esche Save of the Day Foundation), als Vorsitzender organisiert er Konzerte, Golf- und Softballturniere. Zu diesen Veranstaltungen lädt er Prominenz aus der Sportwelt ein. Eine Million Dollar habe er bereits gesammelt, erzählt Esche stolz. «Wir übernehmen Spitalkosten, kaufen Spielsachen und ermöglichen kranken Kindern einen Besuch im Disneyland.» In den USA kümmern sich drei Freunde um die Verwaltungsarbeit.


Heimweh in Weissrussland

Von Minsk nach Langnau gestossen, begann für Robert Esche vor Monatsfrist ein neuer Karriereabschnitt. Unterschrieben hat er einen Einjahresvertrag; weil er sich in der weiten Welt des Eishockeys keinen schöneren Fleck zum Spielen vorstellen kann, möchte er länger im Emmental bleiben. Es gehe ihm nicht darum, möglichst viel Geld zu verdienen, sagt Esche, der bei den Tigers nicht der bestbezahlte Spieler ist. «Finanziell war die Zeit in Osteuropa attraktiv, im letzten Jahr war ich aber nicht mehr zufrieden.» Die weiten Reisen (in der KHL liegen die Vereine bis zu 9000 Kilometer auseinander/die Red.) hätten ihn belastet, zudem habe er seine Frau und die Kinder vermisst. «In Minsk war ich alleine, es waren harte Wochen. Ende Saison war ich deprimiert, ich hasste die Situation.»

Die Reise ins Emmental hat Robert Esches Familie mitgemacht, die Gemütslage beim Goalie hat sich markant verbessert. Sein Erfolgsrezept tönt simpel: «Je glücklicher ich bin, desto besser spiele ich.»


Zur Person
Sternstunde in Russland Zehn Jahre lang pendelte Robert Esche zwischen der NHL und den Farmteams. Für Phoenix und Philadelphia absolvierte er 211 Partien auf höchster Stufe. 2003 gewann er die William M.Jennings Trophy, welche den NHL-Torhüter mit den wenigsten Gegentreffern in der Regular Season auszeichnet.

2007 wechselte der 33-Jährige in die russische KHL, er spielte für Bars Kasan, St.Petersburg und zuletzt eine Saison in Minsk. Zweimal wurde der Goalie mit Gardemassen (188 cm, 101 kg) ins KHL-All-Star-Team gewählt. Kurz nach seinem Wechsel zu den SCL Tigers erhielt er Angebote von zwei NHL-Organisationen.

Mit dem Nationalteam bestritt Esche 2006 die Olympischen Spiele in Turin. Viermal figurierte er im WM-Kader, letztmals 2009 in Bern. Für Aufsehen sorgte er an den Titelkämpfen 2000 in Russland. Beim 3:0-Erfolg gegen den Gastgeber zeigte er eine herausragende Leistung. «Das war meine Sternstunde», erklärt Esche.

(Berner Zeitung)