SCL TIGERS: Best-of-8-Serie mit 6 Heimspielen

Ab morgen bestreiten die Langnauer innerhalb von 16 Tagen acht Spiele, sechs davon im neuen Ilfisstadion. Danach wird man schon klarer sehen, wohin ihr Weg führt.

Presse • • von Wochen-Zeitung, Werner Haller

Es ist Spätherbst und doch wähnt man sich bereits im Frühling mit den Playoff- und Playoutserien. Der ungewohnte Meisterschaftsbeginn, bedingt durch den Stadionumbau, hat für die Langnauer auch eine ungewohnte Folge: Die Mannschaft steht bereits jetzt vor einer Best-of-8-Serie. Und die hat, ob man es nun wahrhaben will oder nicht, wegweisende Bedeutung. Nach neun Auswärtsspielen in 37 Tagen kämpfen die Emmentaler in 16 Tagen nun gleich acht Mal um Meisterschaftspunkte. Die Besonderheit dieser Serie ist, dass die Tigers sechs Mal Heimvorteil haben. «Daraus», weiss Headcoach John Fust, «müssen wir unbedingt Kapital schlagen.»


Kein Bonus wegen der neuen Halle
Das Derby in Bern hat trotz der nicht zwingenden 3:4-Niederlage nach Penaltyschiessen die Hoffnungen von John Fust geweckt: «Die Mannschaft zeigte die Emotionen, den Biss und die Disziplin, die ich konstant von jedem Spieler bei jedem einzelnen seiner Einsätze erwarte. Diese Einstellung müssen wir jetzt in die neue Halle mitnehmen.» Die Unterstützung durch das eigene Publikum kann in einem ausgeglichenen Spiel den Unterschied ausmachen. John Fust ist sich aber auch bewusst, «dass wir wegen des neuen Stadions keinen einzigen Bonuspunkt erhalten. Wir werden uns auch in den Heimspielen jeden einzelnen Punkt schwer erarbeiten müssen.» Die Meisterschaft beginnt nicht erst übermorgen Samstag zuhause gegen Leader Servette. Die Realität ist, dass sich die SCL
Tigers erst acht Punkte erkämpft haben, auf dem zweitletzten Rang liegen und der Rückstand auf den letzten Playoffrang schon beträchtlich ist. Ausserdem hat sich im Vergleich zur letzten Saison die Hierarchie in der NLA verändert. Die beiden Playoutteilnehmer Servette und Rapperswil haben sich nach oben verabschiedet. Die Genfer holten aus ihren ersten 13 Spielen 22 Punkte mehr heraus als vor einem Jahr und die St. Galler verbesserten sich um 17 Punkte. Zudem liegen unter dem Strich mit Zug und Davos zwei Mannschaften, die bisher deutlich unter ihren Möglichkeiten geblieben sind und von denen man eine deutliche Steigerung erwartet.


Abschlussschwäche kostete Punkte
Die ersten neun Auswärtsspiele der SCL Tigers lassen sich auf einen
Nenner bringen: Nicht schlecht gespielt, aber oft zu wenig gut, um zu gewinnen. Sieben der neun Begegnungen endeten mit einer Differenz von nur einem oder zwei Toren, aber nur zwei Mal siegten die Emmentaler. Torhüter Jaroslav Hübl übertraf alle Erwartungen. Er gab der Mannschaft praktisch in jedem Spiel eine echte Chance, doch diese wurde nicht ausgenutzt. «Wir brauchen viel zu viele Chancen um ein Tor zu erzielen», sagt Tigers-Mittelstürmer Adrian Gerber. «Diese Schwäche ist der Hauptgrund, weshalb Aufwand und Ertrag in einem Missverhältnis stehen. Das mangelhafte Abschlussvermögen, auch im Powerplay und Penaltyschiessen, hat uns schon einige wertvolle Punkte gekostet.» Mit nur 19 Toren oder einem Durchschnitt von 2,1 pro Spiel sind die SCL Tigers das offensiv schwächste Team. Eine Möglichkeit, wie man vor dem gegnerischen Tor erfolgreicher sein kann, zeigen die NHL-Lockoutspieler. Adrian Gerber: «Ihre Schuss-
qualität ist beeindruckend und neben dem Passspiel einer der hauptsächlichsten Unterschiede. Sie schiessen hart, präzis, aus allen möglichen und unmöglichen Lagen, zögern keine einzige Sekunde und überraschen damit immer wieder ihre Gegner und die Torhüter.»


Auch NHL-Manager können sich täuschen
Jared Spurgeon, der neue NHL-Verteidiger der SCL Tigers, gewann im Mai 2008 mit den
Spokane Chiefs den Memorialcup, den Stanleycup der kanadischen Junioren. Wenige Wochen später drafteten ihn die New York Islanders in der 6. Runde. Der NHL-Klub von Mark Streit bot ihm jedoch keinen Vertrag an und auch bei allen andern Managern geriet Spurgeon in Vergessenheit. Er sei zu klein und zu leicht, um als Verteidiger in der weltbesten Liga eine Zukunft zu haben. Sie haben sich alle getäuscht, mit einer Ausnahme. Doug Risebrough, als Stürmer mit Montreal vierfacher Stanleycupsieger, gab Spurgeon als Manager von Minnesota im Herbst 2010 eine Chance. Nach dem Trainingscamp verpflichtete er ihn bis Ende der Saison 2012/13. Er sei ein Glückstreffer gewesen, sagte Risebrough später. «Wir fanden unter den vielen hoffnungsvollen Spielern einen vergessenen Sechsrundendraft, der sich bei uns aber auf Anhieb wie ein Erstrundendraft durchsetzte.» Wegen des Lockouts in der NHL spielt Spurgeon zusammen mit seinem besten Freund Tyler Ennis (Buffalo) für unbestimmte Zeit bei den SCL
Tigers. Beim Derby in Bern standen zwar Mark Streit, John Tavares und Roman Josi im Mittelpunkt, doch der herausragende aller Spieler war der Langnauer Verteidiger mit der Nummer 46. Der erst 22-jährige Kanadier beeindruckte mit seinem Positionsspiel und der Art wie er die Scheibe im eigenen Abwehrdrittel und beim Übergang in die Offensive führt: Selbstbewusst, sicher, mutig und trotzdem gelassen. Dank seiner Flinkheit, seiner technischen und läuferischen Fähigkeiten kann er sich immer wieder die nötigen Sekundenbruchteile verschaffen, um Zeit und Raum für einen einfachen, präzisen Pass zu haben.

Spurgeon scheint nie gestresst
«Er ist praktisch nie gestresst», sagt Mike Yeo, der Headcoach von Minnesota. «Es scheint ihm überhaupt nichts auszumachen, dass sehr viele seiner Gegenspieler grösser und kräftiger sind.»
Spurgeon wurde während seiner ganzen Karriere mit seinen scheinbaren körperlichen Nachteilen konfrontiert. «Das hat ihn stark gemacht», ist Yeo überzeugt. «Er wollte es allen zeigen und dieser Wille trieb ihn an, mehr zu
trainieren als all die andern.»