Naiv, fahrlässig und ohne Emotionen

Tiger, wie bist du mager geworden

Die SCL Tigers sind bereits früh an ihrem Bestimmungsort angekommen. Ganz unten im Tabellenkeller. Wenn es so weiter geht, wird die Reise in der Swiss League und in der Bedeutungslosigkeit enden. Eine Bestandsaufnahme.

Blog • • von Bruno Wüthrich

Prognosen sind nicht immer alles. In der Regel, so sagt man, bieten Prognosen lediglich den Stoff für Diskussionen darüber, weshalb es letztendlich doch nicht so gekommen ist, wie prognostiziert. Und so hat man sich in Langnau lediglich darüber beklagt, dass sowohl den Tigern nahestehende Experten diesen den letzten Tabellenplatz vorausgesagt haben. Und die Fans monierten, dass man auf die miserablen Testspielergebnisse nicht abstützen solle oder dürfe, die Mannschaft habe Kredit und eine Chance verdient.

Aber eben: Langnau war letze Saison Vorletzter. Nur gerade Aufsteiger Ajoie konnte in Schach gehalten werden. Der Abstand auf Rang 11 betrug beträchtliche 30 Punkte. Sowohl der damalige 11., der SC Bern und der 13., der HC Ajoie haben im Sommer gute Transfers gemacht. Bei beiden Organisationen war klar, dass diese mit ihren neuen Mannschaften nicht mehr vergleichbar sein würden mit der vorherigen Ausgabe. Und die Ergebnisse der Testspiele waren tatsächlich miserabel! Inzwischen werden diese aber von den Realitäten in der Meisterschaft mehr als nur bestätigt.

Trotzdem habe vor allem ich mich in einer Prognose geirrt. Ich ging nämlich davon aus, dass der Abstand zwischen dem Qualisieger und dem Tabellenletzten künftig deutlich kleiner sein werde. Ich begründete diese Annahme mit den zusätzlichen Ausländern, welche das Teilnehmerfeld ausgeglichener werden lassen. Zusätzliche Ausländer machen ein Spitzenteam nicht undbedingt stärker. Zumindest nicht viel. Denn hier ersetzen Ausländer starke Spieler mit Schweizer Lizenz. Dies ist bei Mannschaften aus den hinteren Tabellenregionen anders. Hier werden schwächere Spieler durch starke Imports ersetzt, was die Teams zwangsläufig stärker machen muss. So weit so gut. Derzeit müssen wir davon ausgehen, dass im Fall der SCL Tigers die Abstände noch grösser werden. Denn die Emmentaler sind die einzige Organisation, welche sich - abgesehen von den Ausländern - überhaupt nicht verstärkt hat. 

Fehlende Leistungskultur

Das ist fatal. Denn in der Mannschaft der SCL Tigers ist nicht nur insgesamt, - verglichen mit sämtlichen Konkurrenten, - sehr wenig Potential vorhanden, sondern es mangelt seit längerem an der Leistungskultur. Der ausgesetzte Abstieg wurde nicht zur Erneuerung genutzt, die Zeit wurde an der Ilfis schlicht und ergreifend vertändelt. Auf der wichtigsten sportlichen Führungsposition wurde nicht etwa, wie es nötig gewesen wäre, eine Person mit Erfahrung und Charisma eingesetzt, sondern ein Sportchef-Lehrling. Dies wurde zwar inzwischen korrigiert, aber der zusätzliche Schaden war angerichtet. Und somit hat man die Zeichen der Zeit nicht erkannt, die da schonungslos offenlegten, wie hoffnungslos abgeschlagen man in Langnau mit Ausnahme des ausländischen Personals eigentlich war und immer noch ist. Die Langnauer hatten in der letzten Saison die stärksten und erfolgreichsten Ausländer. Dass trotzdem mit riesigem Abstand auf Rang 11 lediglich der 12. Rang herausschaute, lag am ungenügenden Personal bei den Schweizer Spielern. Trotzdem blieb die nötige Transfer-Offensive aus. Mehr noch: Man gab kurz vor der Saison noch den besten Blocker in die Swiss League ab. Yannick Blaser läuft nun für die GCK Lions auf. Und bei den Langnauern werden so wenig Schüsse geblockt, wie schon lange nicht mehr. Diesen letzten Umstand kann man nicht mehr auf den Sportchef-Lehrling abwälzen.

Der ausgesetzte Abstieg hat in Langnau die Leistungskultur komplett zerstört. Aber diese war auch zuvor schon nur bedingt vorhanden. Fehlende Leistungskultur fängt eben schon ganz oben an. In einer Organisation, einer Firma oder einem Klub, bei welchem oder welcher die oberste Führung über Jahre immer wieder mantraartig wiederholt, dies oder jenes sei eben im Emmental, in Langnau oder bei den SCL Tigers nicht möglich, gibt diese - immer wieder öffentlich geäusserte - Haltung auch an die sportliche Abteilung weiter. Und in der Tat kommen bei den SCL Tigers Spieler zum Zug, die anderswo in der Liga keine Chance erhalten würden. Schade, dass sie diese dann nicht wenigstens in Langnau nutzen können. Die emotionslosen Auftritte gegen Ajoie (1:4), Biel (1:6) und die Lakers (0:4) lassen keinen anderen Schluss zu, als dass zumindest einige Spieler nicht nur bezüglich Talent, sondern auch mental bei weitem nicht genügen.

Zuschauerschwund

Wenn die fehlende Transfer-Offensive mit dem Willen, Geld zu sparen zu tun gehabt haben sollte, so beisst sich inzwischen die Katze in den Schwanz. Schon bald könnten pro Spiel durchschnittlich 1'000 Zuschauer fehlen. Rechnet man pro Zuschauer und Spiel im Schnitt ungefähr 40 Franken an Umsatz, so entgehen den SCL Tigers damit allein in der Qualifikation eine gute Million. Möglicherweise ist aber gar nicht der Sparwille schuld an der fehlenden Nachrüstung. Inzwischen dürften die Tiger sowohl bei den Spielern wie auch bei deren Agenten nicht mehr in einem besonders guten Ruf stehen. Denn die fehlende Leistungs- und Erfolgskultur kann nicht einfach mit Einsatzzeit und der schönen Gegend kompensiert werden. Da braucht es inzwischen deutlich mehr. Junge Spieler müssen nicht nur das Spielen, sondern auch das Siegen lernen. Letzteres scheint in Langnau nicht möglich. Hier eine Siegermentalität zu entwickeln, ist ein äusserst schwieriges Unterfangen.

Fehlende Marktforschung

Gerade im Falle der SCL Tigers wäre einmal eine gründliche Marktforschung von Nöten. Diese fehlt nämlich beinahe gänzlich. Zwar werden die treusten Fans und Sponsoren immer wieder befragt. Man ist mit ihnen im Gespräch. Aber die treusten Sponsoren und Fans sind sowieso da. Sie kommen auch bei Misserfolg und fehlender Leistungskultur. Sie sind offen für die stetigen Erklärungen, weshalb dies oder jenes in Langnau nicht möglich ist, und sie schlucken diese Erklärung. Selbstverständlich ist es gut, dass auch mit den Treusten der Treuen der Dialog geführt wird. Das gemeinsame Boot muss bewirtschaftet werden.

Entscheidend sind aber all diejenigen, die nicht immer kommen. Beispielsweise die rund 1'000, die aktuell durchschnittlich fehlen. Beim Derby gegen Biel waren es sogar mehr. Lächerliche 4'600 sind an einem Freitag zu diesem Derby erschienen. Eine vor wenigen Jahren noch unvorsellbar niedrige Zahl!

Hier muss angesetzt werden. Denn bei denen, die nicht immer kommen, erfahren die Führungskräfte der SCL Tigers, was Sache ist. Sie erfahren, was gefordert ist, wenn die SCL Tigers attraktiv bleiben (bzw. wieder attraktiv werden) sollen. In Sachen Attraktivität hinken die Tiger meilenweit hinterher. Sei es nun in wirtschaftlicher, sportlicher oder unterhaltungstechnischer Hinsicht.

Abstieg muss unbedingt verhindert werden

Es droht der Fall in die Zweitklassigkeit. Und dies wäre fatal. Denn die Swiss League ist längst nicht mehr, was sie einmal war. Ob bei einem neuerlichen Abstieg eine Rückkehr in die National League noch einmal möglich wäre, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Genauso, wie bezweifelt werden muss, ob dannzumal das Projekt "zweites Eisfeld" noch realisert werden kann oder muss.

Der Tiger ist sehr, sehr mager geworden!