Zum 70-Jahr Jubiläum des SC Langnau

Trendsetter und Schweizermeister, dann Hochmut und erster Abstieg

Der SC Langnau (heute die SCL Tigers) wird 70! Doch die Geschichte um Langnaus Eishockey begann bereits früher. Hier der zweite Teil der Geschichte bis zum ersten Abstieg des SCL in die NLB im Frühjahr 1985.

Blog • • von Klaus Zaugg und Bruno Wüthrich

Die Schweizermeister von 1976. Sie bescheren dem SC Langnau, was Servette, Lausanne, Ambri und Gottéron bis heute nicht haben: Den Titel auf höchster Ebene im Schweizer Eishockey!

Der Aufstieg in die NLA im Frühjahr 1961 ist für den Klub eine gewaltige Herausforderung. Das Ziel ist der Liga-Erhalt. Aber bald einmal wissen alle im Dorf, dass die Mannschaft nicht absteigen kann. Der «Godi vom Katzengrat» ist ein kauziges Männlein. Ein Original. Er beruhigt in schwierigen Zeiten in den Wirtshäusern die um den Liga-Erhalt bangenden Anhänger des SC Langnau: «Macht euch keine Sorgen. So lange ich lebe wird Langnau nicht absteigen.» Ich habe ihn noch gekannt und seine Worte mit eigenen Ohren gehört. Er stirbt unerwartet im Frühjahr 1985. Ein paar Wochen später steigen die Langnauer unerwartet zum ersten Mal ab. Ja, ja liebe Leute, «es git no Sache ändedra», unheimliche und merkwürdige Geschichten. Auch im Eishockey.

Aber kehren wir zum Sport zurück. Der Kanadier Bob McNeil ist der Trainer in der ersten NLA-Saison. Unter ihm gelingt am 24. Januar 1962 bereits der erste Derby-Sieg über den SC Bern (4:2). Die Niederlage kostet den SCB die Titelverteidigung. Bob McNeil wird vom 14. Oktober 1961 bis Anfangs März 1962 angestellt und verdient pro Woche 308 Franken. Dazu freie Kost und Logis «ausgenommen das Trinken» wie es im Vertrag heisst. McNeil ist «nur» Trainer und schafft auf Rang 5 den Ligaerhalt. Zwischen 1961 und 1970 gibt es ein Ausländerverbot. Weil der Verband glaubt, ausländische Spieler seien die Ursache für die schwachen Leistungen der Nationalmannschaft. Und so ist der beste Torschütze der Langnauer in der ersten NLA-Saison kein Ausländer. Sondern Walter Wittwer mit 19 Treffern aus 14 Spielen.

 

Erster NLA-Trainer von Langnau: Bob McNeil.

Die Langnauer brauchen weder Ausländer noch sonstige «fremde Fötzel». Sie rekrutieren ihren Nachwuchs im eigenen Dorf. Die Jungen tragen auf den Dorfeisbahnen interne Meisterschaften aus. In den Kämpfen zwischen «Rösslischür» und «Oberfeld», zwischen «Bärau» und «Dorf» werden die Jungs hart im Nehmen und im Geben Bis in die 1980er Jahre hinein gelten sie als die härtesten, kräftigsten und «bösesten» Spieler des Landes. Sie zelebrieren «Powerhockey» im besten Wortsinne. Auch die Spielergeneration mit dem legendären 1954er Jahrgang, die 1976 den Titel holen wird, ist in dieser «Dorfmeisterschaft» gross geworden. Nur drei Spieler des Meisterteams von 1976 sind nicht eigene Junioren: Torhüter Edgar Grubauer, Torhüter Michael Horak und Stürmer Heinz Huggenberger.

In den 1960er Jahren haben die Langnauer mit ziemlicher Sicherheit den besten Trainer ihrer Geschichte. Der Stadtberner Gian Bazzi, einer der besten Schweizer Stürmer aller Zeiten, trainiert und coacht nach seinem Rücktritt als Spieler die Langnauer von 1963 bis 1968. Fünf Jahre lang. Länger hat in Langnau bis heute kein Trainer gearbeitet. Er bildet die Jungen aus und legt die sportliche Basis, auf der schliesslich ein Meisterteam stehen wird. Als er geht, schreiben ihm die Spieler einen Brief und bitten ihn, zu bleiben. Es ist ein trauriger Zufall, dass er ausgerechnet im Jubiläumsjahr 2016 verstorben ist.

 

Beide gelernete Stürmer, bildeten sie eines der besten Verteidigerpaare der Schweiz und brachten es bis in die Schweizer Nati. Am Meistertitel des SC Langnau hatten sie grossen Anteil: Res Meyer (11) und Ernst Lüthi (7).

Auch im wirtschaftlichen Bereich arbeiten die Langnauer hervorragend. Vor allen anderen Hockeyklubs führt der SC Langnau in den 1970er Jahren die Dresswerbung ein. Dr. jur. Walter Schwarz, akademisches Schlitzohr mit Bauernschläue, findet den Dreh: weil Langnau in Urzeiten einmal einen Tiger als Klubsymbol hatte, darf trotz striktem Werbeverbot wieder ein Tiger das SCL-Dress zieren. Allerdings ganz zufälligerweise in der Form eines Tigerkopfes der Tiger Käse AG. Seither sind die Langnauer Tiger.

Ganz folgenlos blieb die Dresswerbung jedoch nicht. Der SC Langnau wurde zwei volle Jahre im Schweizer Fernsehen (damals gab es noch keine private Konkurrenz) nicht gezeigt. Der SC Langnau gilt jedoch als Trendsetter in Sachen Leibchenwerbung. Die Klubführung hat für damalige Verhältnisse etwas Unglaubliches gewagt.

 

So wurde nach dem Titelgewinn der überragende Torhüter Edgar (Edi) Grubauer gefeiert. Links torhüter Nr. 2 Michael Horak, Mitte: Jürg Berger und rechts Alfred Bohren.

Die Kasse stimmt, dieser erste Werbevertrag bringt die für die damalige Zeit unerhörte Summe von 40 000 Franken. Walter Schwarz ist der Onkel des heutigen Liga-Direktors Ueli Schwarz.

Dank der exzellenten Nachwuchsorganisation kann der SC Langnau die Abgänge von Spielern wie Otto, Gerhard und Walter Wittwer, Stephan Bärtschi, Peter Aeschlimann oder Bruno Wittwer in den 1960er und zu Beginn der 1970er Jahre verkraften. Walter, Otto und Gerhard Wittwer sind auch die ersten Nationalspieler aus dem Dorf. Und dort, wo einer des grossen Geldes und nicht aus beruflichen oder familiären Gründen wechseln will, bleibt der Vorstand unerbittlich. Bruno Wittwer, einer der besten Schweizer Spieler seiner Zeit, wird für zwei Jahre gesperrt, als er im Sommer 1971 dem Ruf des grossen Geldes folgt und zum damaligen Meister La Chaux-de-Fonds wechselt. Er wird später der Leitwolf des grossen, meisterlichen SC Bern der 1970er Jahre. In der Saison 1969/70 fügen die Langnauer im Derby dem SCB eine der bittersten Niederlagen aller Zeiten zu. Sie «versenken» den Kantonsrivalen in die Abstiegsrunde, und dieser sich selbst danach in die NLB. Die Meisterschaft wird in einer Qualifikation (14 Spiele) und der Titel anschliessend in einer Meisterrunde und die Relegation in einer Abstiegsrunde ausgespielt. Im letzten Qualifikationsspiel braucht der SCB einen Heimsieg gegen den SC Langnau um in die Meisterrunde zu kommen. Die Langnauer gewinnen 4:3, der SCB muss in die Abstiegsrunde und verliert dort gegen Visp und den ZSC die Liga-Zugehörigkeit. 1972 steigt der SCB wieder auf.

 

Ebenfalls an der Meisterfeier: Spielertrainer Jean Cusson auf den Schultern von Simon Schenk. Rechts Werner (Sössu) Lengweiler.

In diesen 1970er Jahren gelingt den Langnauern die Synthese zwischen Erfolg und Nachwuchsförderung wie vorher und nachher nie mehr. Sie gewinnen 1976 unter dem kanadischen Spielertrainer Jean Cusson den einzigen Titel. In der ersten Saison in der Ilfishalle, erbaut für 700 000 Franken. Es ist zugleich der Gewinn der Berner Meisterschaft. Von 1975 bis 1979 wird die Schweizer Meisterschaft auf den Kanton Bern reduziert.

1975/76

  1. Langnau 39 Punkte

  2. Biel 36 Punkte

  3. Bern 36 Punkte

1976/77

  1. Bern 41 Punkte

  2. Langnau 39 Punkte

  3. Biel 33 Punkte

1977/78

  1. Biel 41 Punkte

  2. Langnau 40 Punkte

  3. Bern 38 Punkte

1978/79

  1. Bern 40 Punkte

  2. Biel 35 Punkte

  3. Langnau 34 Punkte

Die Langnauer werden übrigens auch in der Meisterschaft 1974/75 Dritte (hinter dem Meister SC Bern und dem vormaligen Serienmeister La Chaux-de-Fonds. Der EHC Biel steigt in dieser Saison in die NLA auf.)

 

 

Diese «Berner Meisterschaft» beschert der Langnauer Hockeykultur die ruhmreichsten Jahre und den grössten Sieg und die bitterste Niederlage aller Zeiten.

Im Frühjahr 1976 wird der Titel in der letzten Meisterschaftspartie ausgespielt. Langnau reicht zum Titelgewinn gegen Biel ein Remis. Gewinnt Biel, sind die Seeländer Meister. Die Bieler sind chancenlos und werden 6:3 (4:1, 1:0, 1:2) vom Eis gefegt. Der grösste Sieg aller Zeiten. Zwei Jahre später wird der Titel erneut im allerletzten Spiel vergeben. Mit einem Sieg über den bereits entthronten Meister Bern kann Langnau den Titel holen. Im Falle einer Niederlage geht der Pokal an Biel. Die Langnauer verlieren 3:6 (1:0, 0:4, 2:2). Die bitterste Niederlage aller Zeiten.

Spielertrainer Normand Beaudin wird nach dieser Enttäuschung aus seinem noch ein Jahr weiterlaufenden Vertrag entlassen. Zweimal Vize-Meister und trotzdem gefeuert – es ist ein Akt des Hochmutes, den die Hockey-Götter den Langnauern nicht verzeihen. Sieben Jahre später steigen sie zum ersten Mal überhaupt in der Klubgeschichte ab. Das Schicksal ereilt sie in der Auf/Abstiegsrunde mit den letzten zwei und den besten sechs Teams der NLB. Weil die NLA von 8 auf 10 Teams aufgestockt wird, werden die vier besten der acht Teams dieser Auf/Abstiegsrunde in der kommenden Saison in der NLA spielen. Ein Abstieg scheint unmöglich. Aber Langnau steigt zum ersten Mal in der Geschichte ab.

In erster Linie unterschätzten die Langnauer diese Auf/Abstiegsrunde. Sie verlieren zum Auftakt daheim gegen Olten 3:4 und die zweite Partie in Sierre 4:6 – dieser Fehlstart lässt sich nicht mehr korrigieren. Der ZSC, Ambri, Sierre und Olten steigen auf.

Nach diesem Abstieg scheint klar: Die Langnauer Hockeykultur ist verloren. Es ist nicht mehr möglich, in ländlicher Umgebung die Mittel aufzubringen um den Spielbetrieb in der höchsten Spielklasse zu finanzieren. Ein Jahr später, im Frühjahr 1986, steigt der EHC Arosa, 1982 noch Schweizer Meister, aus finanziellen Gründen gar freiwillig direkt aus der NLA in die 1. Liga ab – und ist bis heute dortgeblieben.

Aber die Langnauer werden die Rückkehr ganz nach oben wieder schaffen. Das ist eigentlich der grössere Erfolg als der Meistertitel von 1976.