Für Tradition, gegen Kommerz:
Was die geile Choreo der Tiger-Fans wirklich aussagt
Die Fans der SCL Tigers begeisterten vor dem Spiel gegen den HC Ambri-Piotta mit einer wunderschönen Choreo. Sie setzten damit ein Zeichen für die Tradition und gegen den Kommerz.
Beim Spiel gegen den HC Ambri-Piotta war die Choreo der Tiger-Fans so ungefähr das Einzige, an dem sich die einheimischen ZuschauerInnen erfreuen konnten. Bild: Susanne Bärtschi
Am 26. Dezember 1948 wurde die Eisbahn an der Ilfis eröffnet. Wahrscheinlich wäre das geschichtsträchtige Ereignis von vor 75 Jahren spurlos an Langnau vorbeigegangen, wären da nicht die Fans, die sich daran erinnert haben. Denn trotz Handys, Internet und vielen anderen Ablenkungen – einen Sinn für Tradition haben sie. Und wie. Davon können sich die Verantwortlichen der SCL Tigers eine Scheibe abschneiden. Und das sollten sie auch. Geschickte Vermarkter vermarkten nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Vergangenheit und die Zukunft.
Doch indem ich dies schreibe, tue ich den Verantwortlichen dieser tollen Choreo keinen Gefallen. Ganz im Gegenteil. Sie sind nämlich gegen jede Form von Kommerz. Dies bringen sie auch subtil zum Ausdruck. Sie nennen nämlich die Spielstätte der SCL Tigers nicht wie sie sollten, "Emmental Versicherung Arena", sondern immer noch "Ilfishalle", so wie dies eben seit 1975 geheissen hat. 1948 war es ja noch keine Halle, sondern lediglich eine Eisbahn, notabene aus Natureis. Das Kunsteis kam erst später.
Auch der Name gibt Heimat
Sind diese Fans, die keinen Kommerz wollen, hoffnungslose Romantiker? Na ja, ein Bisschen vielleicht schon. Aber eben nicht nur. Heimat bleibt Heimat. Dazu gehört auch der Name, falls es einen gibt.
Ich selbst bin aufgewachsen in Langnau. Das Haus, genau unterhalb des ehemaligen Kurhauses in Langnau heisst Sonneggli. Dies, weil es vom morgen früh bis abends spät in der Sonne steht. Scheint die Sonne über Langnau, wird auch das Sonneggli beschienen. Auch heute noch, trotz all der Neubauten in der Umgebung. Natürlich hat das Haus auch eine Hausnummer und liegt offiziell an einer Strasse (bezüglich der Strasse entpricht dies nicht ganz der Wirklichkeit). Aber wenn der Absender des Packets als Adresse Sonnegg oder Sonneggli Langnau angab, fand uns der Pöstler. Auch ich selbst, wenn ich gefragt wurde, wo ich wohne, gab oft das Sonneggli als Wohnadresse an. Für mich wäre es undenkbar gewesen (und ist es immer noch), meine Heimat plötzlich «Mobiliar Versicherung Haus» nennen zu wollen. Der Name Sonnegg oder Sonneggli sind mir wichtig.
Die Arena an der Ilfis ist den Tiger-Fans so etwas wie die zweite Heimat. Für sie ist das die Ilfishalle. Und sie werden sie auch weiterhin so nennen. Fans dürfen das! Wohl wissend, dass die Journalistinnen und Berichterstatter dies nicht mehr dürfen, und auch wissend, dass man im Unternehmen SCL Tigers auf jeden einzelnen Franken, auch auf das Geld aus den Namensrechten der Heimatstätte, angewiesen ist.
Deshalb machen die Fans den Spagat zwischen ihrem traditionellen Heimatgefühl und der unabdingbaren Kommerzialisierung – wenn auch schweren Herzens – mit.
Aber für sie ist es eben ein Spagat. Diesen machen sie auf ihre Weise.
Schön, gibt es die Fans, die noch wissen, was Tradition ist. Und die sich der Vergangenheit einer – wenn nicht einzigartigen, so zumindest seltenen – Bewegung bewusst sind. Dass im Emmental ein Klub wie die SCL Tigers (zuvor der SC Langnau) möglich ist, ist nicht selbstverständlich. Da ist auch von den heutigen Verantwortlichen viel Herzblut dabei. Aber dies alles wäre nicht möglich, hätten nicht vor langer Zeit ein paar beherzte Langnauer ihr Herz in die Hand genommen, etwas gewagt, und etwas geschaffen, an dem wir heute noch Freude haben. Na ja, meistens wenigstens.
Und danke, liebe Fans, dass ihr uns mit der schönen, geilen und einzigartigen Choreo daran erinnert habt.