Wie ich die Sache sehe:

Werben um Verständnis für die Corona-Skeptiker

Immer noch heiss diskutiert: die Massnahmen wegen der Pandemie. Sollen ungeimpfte in die Eishallen dürfen? Gegner und Befürworter von Massnahmen sind sich völlig uneinig. Die beiden Lager scheinen unversöhnlich. Wie weiter?

Blog • • von Bruno Wüthrich

Achtung: Hier werden keine Massnahmen und auch keine Sanktionen diskutiert. Darum geht es nicht. Dieser Blog hat einen ganz anderen Hintergrund.

Noch kann vieles passieren. Noch sind die Masken nicht endgültig aus unseren Gesichtern verbannt. Noch ist völlig unsicher, ob uns nicht irgendeine Mutation in einen nächsten Lockdown oder zumindest zu verschärften Massnahmen drängt. Und genau dann, wenn dies geschieht, wird die Schere zwischen den Befürwortern und den Skeptikern der Massnahmen noch weiter auseinander gehen. Dabei wäre es viel besser, wenn sich die beiden unversöhnlich scheinenden Gruppen endlich wieder etwas annähern. Doch das würde bedeuten, dass man miteinander spricht.

Damit von vornherein klar ist, wo ich stehe, hier mein Standpunkt: Ich bin ein Befürworter jeglicher Massnahmen. Aber nicht, weil ich alle gut finde. Sondern schlicht und ergreifend, weil in einer Pandemie, welche ein ganzes Land, einen ganzen Kontinent oder sogar die ganze Welt betrifft, alle an einem Strang ziehen sollten. Erweist sich eine Massnahme als nutzlos, so erkennt man dies am ehesten, wenn sie alle angewendet haben. Dann kann man am einfachsten Korrekturen anbringen.

Zwang kommt nicht gut an. Solidarität schon!

Wahrscheinlich deswegen haben Asiens Diktaturen die Pandemie recht gut in den Griff gekriegt. Dort wird nicht diskutiert. Dort wird gehandelt. Und zwar unter Zwang. Zwang mag ich nicht. Asiens Diktaturen ebenfalls nicht. Aber dass in einer ernsten Situation alle am gleichen Strang ziehen, mag ich. Sehr sogar. Doch dafür braucht es viel Solidarität.

Wieso scheint dies in der Schweiz nicht möglich? Sicher hängt dies auch mit unserer Demokratie und der Meinungsfreiheit zusammen. Aber wohl auf eine etwas andere Art und Weise, als viele dies vielleicht denken. Wir haben schlicht und ergreifend verlernt, miteinander umzugehen. Und das mit der Meinungsfreiheit beherrschen wir ebenfalls immer weniger.

Wenn ich jemanden, der die Massnahmen gegen Corona nicht gut findet, der Impf-Skeptiker ist, beschimpfe, ihn als Corona-Leugner bezeichne, ihm seine Intelligenz abspreche, seine Argumente weder hören noch lesen will, dann brauch ich mich doch nicht zu wundern, wenn dieser auf stur schaltet. Dann macht sich Trotz breit. Wann immer mit jemandem so umgegangen wird, ist das Resultat immer das Gleiche. Davon kann sich niemand ausnehmen. Ich nicht. Du nicht. Niemand!

Erziehungskultur

In den letzten Jahren hat sich bei uns eine richtige Erziehungskultur eingenistet. Wir müssen gendern. Will heissen, bei jeder Gelegenheit muss auch die weibliche Form genannt werden, was allein schon deswegen schwierig ist, weil ohnehin schon lange Texte dann noch länger und oft noch langweiliger werden. Schlüpfrige Witze gelten als sexuelle Belästigung. Wer zu einem Produkt, das bis vor wenigen Jahren Mohrenkopf heissen durfte, immer noch Mohrenkopf sagt, gilt automatisch als Rassist. Genauso wie jemand, der es zum Beispiel wagt, darauf hinzuweisen, dass in unseren Gefängnissen der prozentuale Ausländeranteil nicht dem Prozentsatz der in der Schweiz lebenden Ausländer entspricht. Ich bin wahrlich kein Freund davon, bei jeder Gelegenheit und unerklärt auf einem derartigen Umstand herumzureiten. Aber wer einen Fakt nennt, der nicht zu widerlegen ist, ist doch deswegen noch kein Rassist. Zu einem solchen wird er je nachdem, was er daraus ableitet. Wenn er deswegen beispielsweise alle Ausländer in die gleiche Schublade steckt, oder wenn er meint, er, der Schweizer, sei allein wegen seiner Herkunft und seiner Hautfarbe etwas Besseres als andere, wird er zum Rassisten. Oder wenn es eine Sie ist, zur Rassistin.

Ich will in keiner Weise Rassismus gutheissen. Weil Rassismus noch nie etwas Gutes war. Und weil es viel zu viele Rassisten gibt. Und zwar auf der ganzen Welt. Nicht nur in der Schweiz. Nicht nur in Europa. Auch nicht nur in der westlichen Welt. Nein, wir finden sie auch in Asien, Afrika und in Südamerika. Wir könnten uns jetzt unterhalten, wo denn Rassismus anfängt. Aber das tun wir nicht. Denn erstens geht es in diesem Artikel nicht darum, und zweitens weiss ich es selbst nicht. Mir fällt nur gerade auf, dass ich noch nie eine Freundin (und auch noch nie eine Bettbekanntschaft hatte) deren Hautfarbe nicht weiss gewesen ist. Könnte es sein, dass ich rassistische Tendenzen habe? Um dies zu widerlegen, müsste ich dringend etwas mit einer Nichtweissen anfangen, am besten eine, mit starker bisexueller Tendenz. Denn letzteres hatte ich auch noch nicht. Und ich möchte ja auch nicht als Sexist durchgehen.

Cancel-Culture

Kennst du das Internetportal watson.ch? Das ist das Portal, auf dem Klaus Zaugg regelmässig für Wirbel und für viele Klicks sorgt. Unser allseits beliebter und geschätzter Eishockey-Chronist holt mit seiner Schreibe die Leserinnen und Leser auf dieses linke, feministische, gendergerechte, sämtliche Formen von Sexismus, Rassismus, und was unter Aufbietung von viel Phantasie als Sexismus und/oder Rassismus bezeichnet werden kann, ablehnende Portal. Die Adresse ist auch bekannt für ihre Cancel-Culture. Für diejenigen, die nicht wissen, was das ist: Abweichende Meinungen werden gar nicht erst geduldet. Das merkt man, wenn man einen Kommentar verfasst, der sämtliche Regeln punktgenau beachtet, also nicht beleidigend, nicht sexistisch und nicht rassistisch daherkommt, keine Wörter verwendet, die man aus dem Mund eines sechsjährigen Kindes nicht hören möchte und sich auch sonst anständig ausdrückt. Wenn Sie all diese Regeln genau beachten, sollte ein Kommentar eigentlich gebracht werden. Wird er nicht. Watson cancelt. Was nicht der Meinung des Portals oder des Artikelschreibers entspricht, kommt nicht immer durch. Es ist mir nicht vergönnt, zu wissen, nach welchem Kriterium unterdrückt wird. Jedenfalls ist nichts bekannt, dass jemals ein lobender Kommentar unterdrückt wurde. Bei kritischen Kommentaren dürften es ungefähr die Hälfte sein. Zumindest so viele, damit der Anschein erweckt wird, für die Ansichten, wie sie auf diesem Portal vertreten werden, gäbe es Mehrheiten. Diese gibt es: In den Städten. Insbesondere in Zürich. Aber auf dem Land?

Nun, diese Art der Cancel-Culture wird nicht allein von watson.ch betrieben. Diese Unsitte bürgert sich mehr und mehr überall ein. Und dies ist vor allem deshalb ein völliger Blödsinn, weil damit immer wieder künstliche Minderheiten entstehen, die man weder hören noch lesen will, die sich aber verzweifelt Gehör und Beachtung verschaffen wollen. Weil sie auch die Diskussionskultur unterdrückt. Regeln sind völlig ok und auch notwendig. Wir brauchen weder rassistisches Gedankengut noch eine beleidigende Ausdrucksweise. Aber wir brauchen wieder mehr Kultur. Diskussionskultur. Dazu gehört der Umgang mit anderen Meinungen.

Und damit wären wir endgültig wieder beim Thema. Und bei den Corona-Skeptikern. Und beim Umgang mit ihnen. Und vielleicht auch ein Bisschen bei der Cancel-Cuture. Wollen wir ihre Argumente wirklich wissen? Interessieren uns ihre Bedenken? Was machen wir damit?

Ich habe weiter oben erwähnt, auf welcher Seite ich bei den Corona-Massnahmen stehe. Und ich bin mir dessen sicher! Aber ich habe grösstes Verständnis für die Skeptiker. Denn so, wie die behandelt werden, möchte ich nicht behandelt werden. Da würde auch ich auf stur stellen.

Und so geht es mir oft, wenn ich an die politische Diskussionskultur in unserem Land denke (ich weiss, die ist in anderen Ländern noch schlimmer, aber wir sind ja ganz explizit nicht ein anderes Land).

Meiner Überzeugung nach gibt es eine einzige Möglichkeit, möglichst viele Menschen dazu zu bewegen, die Massnahmen mitzutragen, damit wir aus dieser Situation herauskommen. Diese Möglichkeit hat zu tun mit Anstand, Zuhören, Ernstnehmen und werben um Solidarität.

Auf möglichst volle Stadien und eine tolle Saison.