Eine „Lex Raffainer“ und die Frage:

Wird Cody Eakin rocken wie sein Onkel?

Langsame Berner? Von wegen: Wenn es um die Verpflichtung von hochkarätigen Ersatzausländern geht, sind die Berner schnell. Die Blätter sind noch in den Bäumen und Langnau und Bern haben mit Cody Eakin und Tyler Ennis schon den 7. Ausländer verpflichtet. Bis Saisonende dürften sowohl die SCL Tigers als auch der SCB alle zehn Ausländerlizenzen eingelöst haben.

Blog • • von Klaus Zsugg

Er weiss, dass es nicht einfach wird, einen neuen Vertrag zu bekommen. Cody Eakin trainiert im Sommer noch härter, achtet noch mehr auf die richtige Ernährung und ist im August in bester Verfassung. Er macht im Trainingscamp und in den Vorsaisonspielen bei den Calgary Flames alles richtig. Er arbeitet folgsam defensiv, gewinnt Bullys und macht fast keine Fehler. Cody Eakin rechnet damit, dass er nun doch einen NHL-Vertrag bei Calgary bekommt. General Manager Brad Treliving dankt ihm bei der Schlussbesprechung für den tollen Einsatz – und wünscht alles Gute auf dem weiteren Lebensweg: Kein Vertrag.

Cody Eakin wird ein Opfer eines neuen Trends in der NHL: Die Bürogeneräle investieren lieber in das Potenzial von jungen Talenten als in die Erfahrung von Routiniers. Das hilft auch beim Einhalten der Gehaltsobergrenze: Junge Spieler sind günstiger als Veteranen.

Was nun? Cody Eakin hat eine Familie mit zwei kleinne Kindern. Er hat zwar mehr oder weniger ausgesorgt. Von den 25 Millionen, die er bisher brutto in der NHL verdient hat, musste er zwar mehr als die Hälfte an den Staat überweisen. Aber ein paar Millionen wird er schon noch auf dem Sparheft haben. Er steht vor der Frage: Die Karriere beenden oder anderswo einen neuen Anlauf nehmen? Er sagt, er hätte in Nordamerika Arbeit finden können. Aber mit dem Risiko, ins Farmteam gesteckt zu werden. Stundenlange Roadtrips mit dem Bus, wochenlang unterwegs und daheim seine Frau mit den zwei kleinen Kindern Fiola (2) und der am 19. Oktober geborenen Florence? Nein. Das tut er sich nicht mehr an.

Er fährt mit dem Auto von Calgary heim nach Winnipeg. Gut 1300 Kilometer ostwärts durchs flache Land. 13 Stunden Autofahrt. „Ich hatte Zeit zum Nachdenken und zum Telefonieren.“ Sein Agent hat sich nach Optionen umgeschaut und es gibt ein Angebot aus Langnau. „Vom Schweizer Eishockey habe ich eigentlich gar nichts gewusst.“ Aber er hat Kumpels, die ihm Auskunft geben können. Beispielsweise SCB-Stürmer Colton Sceviour: „Seine Auskunft war entscheidend: Er sagte mir, dass er seit Jahren nie mehr so viel Spass am Hockey habe wie jetzt in Bern.“

Das ist es: Eishockey endlich wieder als Spiel. Mehr als 10 Minuten Eiszeit. Die Scheibe nicht einfach ins gegnerische Drittel schiessen. Spielen. Einfach spielen. Cody Eakin kann das. Auf die Bemerkung, ob das für ihn nun so sei, wie für einen Hund, der endlich aus dem Haus ins Freie darf, muss er lachen. Da sei was dran. Er hat zwei Hunde. Einen Boxer und einen Labrador.

Was ihm auch gefallen hat: Der Agent hat Langnaus Sportchef Pascal Müller die Handynummer von Cody Eakin gegeben. „Ich wollte ihm erklären, was wir von ihm erwarten und wie die Verhältnisse bei uns sind.“ Was der Kanadier zu schätzen wusste: „Ja, Pascal hat mich am Telefon überzeugt.“

Nun wird er zum ersten Mal in seiner Karriere nach jedem Spiel im eigenen Bett schlafen. Keine Roadtrips mehr. Für einen NHL-Profi fast wie Hockey-Disneyland. Diese Lebensqualität ist für den Familienvater wichtig.

Am 6. Oktober hat Cody Eakin von Calgarys General Manager erfahren, dass er keinen Vertrag bekommt. Am 11. Oktober telefoniert er erstmals mit Pascal Müller und heute, am 25. Oktober stürmt er in Ajoie bereits zum ersten Mal mit Langnau. Im ersten Training am Montag hat er als Center zwischen Floran Douay und Aleksi Saarela geübt. Es ist klar: Er soll Langnaus Mittelachse stärker machen.

Was kann Cody Eakin bringen? Falls er rockt wie sein Onkel kann Langnau die Playoffs schaffen. Bruce Eakin, inzwischen 60 geworden, stürmte im letzten Jahrhundert für Olten (Saison 1986/87). Mit durchschlagendem Erfolg: 12 Tore und 26 Assists in nur 23 Partien. Solche Werte sind heute nicht mehr realistisch. Cody Eakin kennt das breite Eisfeld nur durch den WM-Einsatz von 2015 mit Kanada (9 Spiele/6 Punkte). Er braucht ein wenig Angewöhnungszeit. „Auf dem breiteren Eisfeld dauert es länger, um nach einem Fehler wieder in Position zu sein...“ Aber er ist läuferisch gut. Das ist die erste, wichtigste Voraussetzung in unserer Lauf- und Tempoliga.

Natürlich werden von Cody Eakin Tore und Assists erwartet. Aber mindestens so wichtig: Er kann als Center Langnaus Spiel stabilisieren. Und er wird gut in die Chemie des Teams passen. „Er hat seinen Flug von Winnipeg über Toronto nach Zürich selbst gebucht“ erzählt Pascal Müller. „Ich bin davon ausgegangen, dass er in der Businessklasse fliegen wird. Aber er war mit einem Economy-Flug zufrieden.“ Nun hält Cody Eakin die kanadische Bürokratie auf Trab: „Wir müssen für unsere beiden Töchter Pässe organisieren.“ Was bei uns in einer Woche über die Bühne geht, dauert drüben ein wenig länger: Er rechnet mit mehreren Wochen. Dann wird seine Frau Hanna mit den beiden Töchtern nachreisen. Bis dahin helfen ihr die Eltern bei der Betreuung der Kinder – und der beiden Hunde. Sie kommen nicht nach Langnau.

Dass er im Dorf gelandet ist, freut ihn. Er ist zwar in Winnipeg gross geworden. Also in einer Grossstadt (etwas mehr als 700 000 Einwohner). Aber er verbringt den Sommer draussen in der Natur. Ein sympathischer, freundlicher, bescheidener „Posterboy“ der ländlich geprägten kanadischen Hockeykultur.

Cody Eakin hat vorerst einen Vertrag bis Ende Saison. Läuft es gut, ist eine Verlängerung wahrscheinlich. Läuft es sehr gut, wird der Preis steigen oder er wird zu einem Klub mit grösseren Geldspeichern wechseln. So gesehen ist Langnau halt auch ein wenig ein Ausbildungsclub für Ausländer. Für Sportchef Pascal Müller kein Problem. Das gehöre zum Hockeygeschäft. „Dann müssen wir eben einen anderen Spieler verpflichten…“

Cody Eakin ist Langnaus 7. Ausländer in dieser Saison. Die Emmentaler können sich den Kanadier leisten, weil Alexandre Grenier nach Berlin weitergezogen ist. Inzwischen ist auch klar: Weder Langnau noch der SC Bern können es sich leisten, über einen längeren Zeitraum auf einen Ausländer zu verzichten. Der SCB hat sogar schon am Tag nach der Verletzung von Dominik Kahun mit Tyler Ennis (33) den Ausländer Nummer 7 verpflichtet. Er wird bis Saisonende bleiben und das Salärkonto werden acht Ausländer belasten und Trainer Johan Lundskog muss schon bald ausknobeln, wen er auf die Tribüne schickt.

SCB -Präsident Marc Lüthi hätte am liebsten die Reglemente noch stärker gelockert und war für zehn oder noch mehr Ausländer. Er ist die treibende Kraft hinter der Erhöhung der Anzahl Ausländer von vier auf sechs. Seine Begründung: Es gebe ihn Europa Heerscharen von billigen, aber hochkarätigen Tschechen, Slowaken, Norweger oder Dänen, die nur darauf warten, bei uns für wenig Geld – für vielleicht 40 000 oder 50 000 Franken netto zu dienen. Die seien so froh um einen Job in unserem Hockey, dass sie notfalls auch zu Fuss zu uns kommen würden.

Bei der ersten Gelegenheit haben die Langnauer und die Stadtberner nicht einen billigen Tschechen, Slowaken, Norweger oder Dänen als Ersatz geholt. Sondern zwei hochkarätige ehemalige NHL-Profi und Erstrunden-Drafts mit der Erfahrung aus mehr als 700 Partien in der besten Liga der Welt. Über Saläre wollen wir jetzt nicht reden. SCB-Manager Raëto Raffainer regt sich selbst über recht fundierte Lohnspekulationen in den Medien fürchterlich auf. Nur so viel: Cody Eakin und Tyler Ennis kosten etwas mehr als 40 000 oder 50 000 Franken netto.

P.S. Raëto Raffainer, in letzter Zeit oft unter Strom, ist für seine Schiedsrichterbelehrung während der ersten Pause im Spiel gegen Ambri wie erwartet nur mit einer Verwarnung der Liga-Führung „bestraft“ worden. Liga-Manager Denis Vaucher und Spielplanchef Willi Vögtlin wollen ja nicht riskieren, bei den Matchbesuchen in der PostFinance Arena künftig auf den Holzbänken statt in der VIP-Loge Platz nehmen zu müssen. Immerhin soll nun das Reglement geändert werden. Einer aus dem Büro der Liga-Führung („Liga-Politbüro“) sagt es so: „Es kann ja nicht sein, dass es bei solchen Vorfällen weiterhin bei Verwarnungen bleibt.“ Es wird also eine „Lex Raffainer“ geben: Wer als Klubfunktionär die Schiedsrichter während eines Spiels belästigt und belehrt, muss ab nächster Saison mit einer Verzeigung bei der Verbandsgerichtsbarkeit und einer Busse rechnen. Das Reglement erlaubt den Kontakt mit den Unparteiischen erst 20 Minuten nach dem Spiel.