Spieleragent André Rufener:

Das geht nur, wenn ein Spieler mir vertrauen kann

Sie bringen die Spieler zu den Klubs, beraten sie durch ihre Karriere hindurch, führen sie von Saison zu Saison und von Klub zu Klub. Die Spieleragenten. Wir sprachen mit André Rufener, einem der wichtigsten Agenten für Schweizerische Eishockeyspieler.

Blog • • von Bruno Wüthrich und Klaus Zaugg

André Rufener (Bild: Marcel Bieri)

In Nordamerika sind sie hoch geachtet, in der Schweiz eher weniger. Doch wie im Fussball läuft heute auch im Eishockey nichts mehr ohne sie. Die besten Spieler bringen sie in die beste Liga der Welt. Sie reden ihren Kunden gut zu, wenn es mal nicht läuft. Einige von ihnen füllen ihren Klienten auch mal die Steuererklärung aus oder begleiten sie beim Kauf einer Ständerlampe. Bei André Rufener sieht es aber zumindest bei der Steuererklärung und der Lampe etwas anders aus.

s'Positive: Gestatten Sie uns erst einmal eine ganz persönliche Frage. Sie sind Zürcher und gut zwei Monate im Jahr unterwegs, die meiste Zeit im Ausland. Wie kommen Sie als urbaner Mensch dazu, ausgerechnet in Pfaffnau, im Luzerner Hinterland ein Haus zu bauen und sich dort niederzulassen?

André Rufener: Das haben mich Kollegen aus Zürich auch schon gefragt. Ich kläre dann auf. In Pfaffnau wohne ich mit meiner Familie wunderschön und viel zentraler als zum Beispiel in Kloten. In 7 Minuten bin ich auf der Autobahn und Stau habe ich bei täglichen Besorgungen auch nicht.

Aber Sie sind ein Stadtmensch aus dem Züribiet?

Nein, bin ich nicht. Ich bin in Kloten in einem 1970erBlock aufgewachsen und das war eine beschauliche Welt, einfach und fast wie auf dem Land. Die Ruhe auf dem Land hat mir immer gefallen und ist ein guter Ausgleich zur Hektik unterwegs. Ich habe mir schon lange vorgestellt, so zu leben. Ich höre das Gebimmel von Schafsglocken und wenn ich aus dem Haus gehe, bin ich in der Natur. Ich bin kein VIP-Mensch. Ich mag das Leben im Dorf, man kennt und respektiert sich hier. Wenn ich im Laden einkaufe, dann freut man sich. Ich schätze dieses Leben sehr.

Sie sind Spieleragent. Was macht den guten Agenten aus?

Es ist wie bei jedem Beruf: Erfolg ist nur möglich, wenn man seine Arbeit mit Leidenschaft und Herzblut macht und wenn einem die Menschen, mit denen man zu tun hat, etwas bedeuten. Wer nur fürs Portemonnaie arbeitet, kommt nicht weit. Die Spieler, die ich betreue, bedeuten mir sehr viel. Als Sportler und als Menschen – was ja eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte.

Was erwartet ein Spieler von Ihnen?

Jeder hat seine eigenen Erwartungen, und irgendwie doch die gleichen. Meine Kunden wollen, dass ich ihnen helfe, der bestmögliche Spieler zu werden und zu bleiben. Natürlich geht es auch um Verträge und um Geld. Aber noch wichtiger ist es, die Karriere so zu planen, dass ein Spieler sein Potenzial ausschöpfen kann. Dabei braucht der eine etwas mehr Betreuung, der andere etwas weniger. Dies ist ganz individuell.

Also nicht sofort dem Geld nachrennen. Sondern erst einmal die sportliche Entwicklung im Auge behalten.

Ja, genau.

Wie sieht die Betreuung eines Spielers konkret aus?

Oft geht es darum, einfach zuzuhören. Gerade wenn ein Spieler Probleme hat. Wichtig ist, dass der Spieler mein Vertrauen spürt und sich mir gegenüber öffnen und sich mitteilen kann. Dann muss ich nur zuhören und ab und zu einen Tipp geben. Dabei hilft mir, dass ich eine eigene Karriere als Spieler hatte mit Hochs und Tiefs, wobei mir heute vor allem meine damaligen Tiefs sehr helfen. Ich mache oft die Erfahrung, dass die Spieler ihre Probleme lieber mit mir als mit ihrem Vater oder dem Trainer oder dem Sportchef besprechen. Natürlich ist die sportliche Beratung ein ganz wichtiger Teil.

Und was tun Sie, wenn ein Spieler Probleme hat?

Wenn es nicht läuft, dann stimmt etwas nicht. Mit dem Trainer, mit den Mitspielern, mit der Freundin, mit der Frau. Es ist wichtig herauszufinden, was los ist. Das geht nur, wie ich vorhin sagte, wenn ein Spieler mir vertrauen kann. Um zu helfen, brauche ich kein Psychologie-Studium. Für die Lösung des Problems müssen wir nicht nach traumatischen Erlebnissen in der Kindheit oder ähnlichem suchen. Dafür wäre dann unbedingt eine Fachperson zuständig. Meistens ist die Lösung ganz einfach, wenn man erst darüber geredet hat. Es gibt auch Spieler, die so selbständig sind, dass sie fast ohne Beratung auskommen, aber für Feedback dankbar sind.

Das Umfeld eines Spielers besteht aus der Mannschaft, dem Sportchef, seinen Kollegen, seinen Eltern und Geschwistern, seiner Freundin oder Frau, eventuell auch seiner Kinder. Welche Rolle spielt der Agent?

Immer wieder eine andere. Ich bin sehr vielen Spielern sehr nahe und über die Zeit ist eine tiefe Freundschaft auch mit Eltern entstanden, deren Söhne ich betreue, seit sie 15 oder 16 Jahre alt sind. Gerade in dieser Zeit arbeiten der Spieler, seine Eltern und sein Agent als Team. Für Luca Sbisa arbeite ich seit 10 Jahren, für Nino Niederreiter und Sven Bärtschi sieben resp. acht, für Reto Berra zehn Jahre. Aber am Ende des Tages muss ein Spieler auf sich selber hören. Ich werde nie einem Spieler sagen, was er tun soll. Ich zeige ihm nur die Möglichkeiten mit allen Vor- und Nachteilen auf.

Ist es nicht oftmals so, dass jede/r im Umfeld des Spielers etwas anderes rät, wenn es um die Lösung eines Problems oder einen möglichen Wechsel geht. Die Freundin will vielleicht nicht dahin, wo es ihn zieht, der Vater rät etwas anderes, die Vertreter des Klubs, für den er gerade spielt, haben ihre eigenen Vorstellungen. Der Spieler ist doch der Spielball der verschiedenen Interessen in seinem Umfeld? Auf wen hört er in derartigen Situationen?

Ich erwarte, dass einer auf sich selber hört. Andernfalls muss er es lernen. Zum Zeitpunkt einer Entscheidung weiss man nie, ob sie richtig ist und wie es herauskommt. Wir wissen auch nie, wie es heraus gekommen wäre, wenn wir anders entschieden hätten. Wir wissen nur, ob die Entscheidung zu dem Zeitpunkt, in dem wir sie fällen, für uns selber stimmt. Der Spieler muss deshalb selber entscheiden, was er tut, welches Angebot er annehmen will. Ist einer fremdbestimmt, dann hat er schon eine Entschuldigung parat, wenn es Schwierigkeiten gibt. Er wird dann den Fehler nicht bei sich selber suchen.

Zu ihren Kunden gehören viele Schweizer, die in Nordamerika engagiert sind. Einige verdienten dort bereits Millionen. Welche Unterschiede erkennen Sie zwischen einem Spieler, der sich in der NHL durchgesetzt hat und einem, der «nur» in der Schweizerischen NLA spielt?

Kürzlich sagte ein Sportchef eines Klubs, bei dem ein paar NHL-Schweizer im Sommer mittrainieren durften, welchen positiven Einfluss die NHL-Profis haben. Er sagte, dann sei ein ganz anderer Wille, eine ganz andere Berufseinstellung spürbar.

Warum ist das so?

Dies ist sicher einerseits charakterlich bestimmt. Es hat aber auch sehr viel mit den Vorbildern zu tun. Er hat in der NHL mehr und vor allem die besseren Vorbilder. Sind es bei uns pro Team ein oder zwei Vorbilder, sind es in der NHL zehn bis fünfzehn. In der NHL wird jeden Tag viel mehr verlangt als bei uns und jeder muss auch von sich selber viel mehr verlangen und bereit sein, Extraleistungen zu erbringen. Wir haben in der Schweiz eine unterhaltsame Liga und ein gutes Niveau. Aber wir haben so viele talentierte Spieler, dass wir noch viel besser sein könnten, wenn jeder von sich selbst mehr verlangen würde. Darum ist die Vorbildfunktion so wichtig. Wenn einer beispielsweise mit Nino Niederreiter, Luca Sbisa oder Mark Streit trainiert und im Alltag mitbekommt, mit welcher Hingabe seine Vorbilder trainieren, welche Extraleistungen sie von sich selbst in jedem Training verlangen – dann geht schon mal einem ein Licht auf und er sagt sich: So will ich auch werden, ich erbringe jetzt auch diese Extraleistung.

Warum sind die Spieler bei uns genügsamer als in Nordamerika?

Weil das Business dort härter ist. Der Konkurrenzkampf in der NHL ist im Vergleich zur NLA geradezu brutal. Wenn ein Spieler in einem NLA-Team einmal eine Position hat, dann kann er diese dank seinem politischen Einfluss auch ohne entsprechende Leistung behaupten. In der NHL muss sich einer Tag für Tag und in jedem Spiel behaupten. Nur die Leistung zählt. Ausreden werden nicht akzeptiert. Da rutscht einer ganz schnell vom ersten in den vierten Block oder gar ins Farmteam ab. Jeden Tag kann etwas passieren. In diesem Umfeld ist ein Spieler auf eine gute Beratung angewiesen, da helfen ihm Schulterklopfer nicht weiter.

Müssen denn Spieler in der NHL anders betreut werden als in der Schweiz?

Weil das Tagesgeschäft in der NHL viel härter und brutaler ist, brauchen die Spieler, die dort engagiert sind, in der Regel mehr Betreuung. Die Verantwortlichen eines Klubs überlassen ihre Spieler viel mehr sich selbst als bei uns. Deshalb ist der Agent als Ansprechpartner umso wichtiger. Doch ich bin nicht einfach nur der Tröstonkel, sondern manchmal auch derjenige, der sagt: das war gar nichts. Du musst ein Briquet drauf legen, sonst wird es schwierig.

Als Spieleragent sind Sie in Nordamerika ein fester Bestandteil des Sportgeschäftes und hoch respektiert. Aber bei uns werden Sie den Schwefelgeruch des nicht ganz Seriösen wahrscheinlich nicht los.

Da haben Sie durchaus recht. Es ist sogar krass. Kürzlich sagte mir ein Verwaltungsratsmitglied eines wichtigen Klubs: Spieleragenten brauchen wir bei uns nicht.

Wie hat er das begründet?

Er meinte, dass Spieler selber mündig genug sein sollten, um mit dem Sportchef den Vertrag auszuhandeln.

Was ja so falsch nicht ist.

Der Forderung zur Selbständigkeit kann ich zustimmen. Aber wie ich ja vorher gesagt habe, geht es bei der Betreuung eines Spielers um viel mehr als um das Aushandeln eines Vertrages. Kommt dazu, dass ein Spieler oft nicht das Wissen und die Erfahrung hat, um seinen Marktwert richtig einzuschätzen. Ohne dieses Wissen wird er über den Tisch gezogen.

Der Vorwurf an die Agenten lautet, dass sie die Preise hoch treiben würden. Deshalb würden die Spieler zu viel verdienen.

Das heisst es seit Jahr und Tag, und das hat es schon zu meinen Zeiten in den 1980er Jahren geheissen, als die Löhne vergleichsweise niedrig waren. Es ist alles eine Frage von Angebot und Nachfrage. Es heisst, die Agenten hätten die Löhne in die Höhe getrieben. Die Verträge unterschreiben aber die Spieler und die Klubvertreter – jedoch nie der Agent. Die Vertreter der Klubs versuchen mit solchen Aussagen, sich billig aus der Verantwortung zu stehlen. Aber das können sie nicht, denn sie haben die Verantwortung! Jeder Sportchef kann sagen: nein, so viel bezahlen wir nicht.

Normale Unternehmen sind dem Shareholder (den Kapitalgebern) verpflichtet, weil schlussendlich ein Gewinn aus dem Geschäft resultieren muss. Die Klubs sind heute ebenfalls Unternehmen mit Einnahmen, Ausgaben, Leistungen, die sie erbringen und einer Buchhaltung, welche bei guter Geschäftsführung einen Gewinn ausweisen sollte. Weil jedoch die Sportchefs und Präsidenten zu wenig oft «nein!» sagen, machen die Hockey-Unternehmen keinen Gewinn?

Es gibt in der Schweiz zwei Klubs, die Gewinne schreiben. Der SC Bern auf der einen Seite der Tabelle und die SCL Tigers auf der anderen. Da kann man sich fragen, was machen beispielsweise die Langnauer besser als die Verantwortlichen in Ambri. Wie gesagt, kann man zu Forderungen auch «nein!» sagen. Wir erleben das jetzt beim EHC Kloten. Dort zieht der Präsident seine Linie knallhart durch. Erfolg ist auch mit weniger Geld möglich, wenn die Mischung stimmt. In Kloten gibt es eine gute Mischung aus verschiedenen Spielertypen und die Mannschaft wird von starken Persönlichkeiten wie Tim Ramholt geführt. Ein guter Sportchef ist dazu in der Lage, das Potenzial und den Charakter eines Spielers richtig einzuschätzen. Dann kann er die Mannschaft so zusammenstellen, dass jeder sein Potenzial entfalten kann und dem Mitspieler nicht ins Gehege kommt. Dann kostet eine erfolgreiche Mannschaft gar nicht so viel.

Aber viele Sportchefs können die Spieler gar nicht richtig einschätzen.

Das sagen Sie. Aber ich bin schon ein wenig erstaunt, dass die Sportchefs meistens die Spiele ihres eigenen Teams auf der Tribune verfolgen. Ein Sportchef müsste auch viele andere Teams beobachten. Er muss jeden Spieler in der NLA und NLB und auch die besten der Elitejunioren mit ihren Stärken, Schwächen und Eigenschaften kennen. Sonst muss man ihn entlassen. Es kann nicht sein, dass ich dem Sportchef einen Spieler empfehle, den er nicht kennt.

Wie kommt es zu Verhandlungen mit den Klubs? Nehmen Sie da den Kontakt auf und sagen zum Beispiel, ich hätte da einen Spieler, der helfen könnte, oder meldet sich der Sportchef, der nachfragt, ob Sie einen Spieler haben, der diese oder jene Anforderungen erfüllt?

Wenn es um Ausländer geht, kommen oft die Sportchefs auf die Agenten zu. Doch ich arbeite nur mit Schweizern. Geht es jedoch um einen Spieler mit Schweizer Lizenz, sollte der Sportchef wissen, für welchen Spieler er sich interessiert, und dann konkret für diesen Spieler bei dessen Agenten nachfragen. Wie gesagt: der Sportchef muss die Spieler der NLA und NLB kennen. Dies tut er aber nur, wenn er auch in den Eishallen unterwegs ist, in welchen seine Mannschaft gerade nicht spielt.

Wie wird dann verhandelt? Wie finden Sportchef und Agent den Preis für den Spieler.

Der Sportchef wird mir möglichst schlecht dotierte Verträge für vergleichbare Spieler präsentieren, damit er den Preis tief halten kann. Der Agent punktet genau mit gegenteiligen Verträgen.

Arbeiten Sie eigentlich alleine, oder haben Sie Mitarbeiter?

Ich arbeite alleine.

Sie könnten aber auch eine Agentur haben.

Ich weiss, wie Agenturen arbeiten. Agenturen haben durchaus Vorteile. Sie haben zum Teil die grösseren Möglichkeiten. Doch viele Spieler wollen nicht einfach mit einem Agenturmitarbeiter zusammen arbeiten. Der persönliche Kontakt und das Vertrauensverhältnis zu einem selbst ausgesuchten Einzelagenten ist in der Regel um einiges besser als bei einem zugeteilten Mitarbeiter.

Wie kommt ein junger Spieler zu einem Agenten?

Indem ich ihn entdecke und dann auf ihn, bzw. seine Eltern zugehe, oder aber, dass die Eltern mich anrufen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt ist es sinnvoll, dass die Eltern mit verschiedenen Agenten sprechen und sich den geeigneten aussuchen. Es muss ja für sie und vor allem für den jungen Spieler auf der menschlichen Ebene stimmen. Deshalb ist es gut, sich nicht einfach so für denjenigen zu entscheiden, der zuerst da war, nur weil sich Eltern oft fälschlicherweise dazu verpflichtet fühlen. Dies führt nicht selten zu keiner fruchtbaren Zusammenarbeit.

Ab wann ist es sinnvoll, dass ein junger Spieler einen Agenten sucht?

So ab 15 oder 16 Jahren. In dieser Zeit wird auch erkennbar, ob aus einem Talent tatsächlich etwas werden kann. Ist er jünger, wissen wir nicht, ob er nebst seinem Talent später auch die körperlichen Voraussetzungen mit sich bringen wird, und wie er sich charakterlich entwickelt.

Wie plant man die Karriere eines jungen Spielers. Wie entscheidet man, wo sein Weg hinführen soll? Ob man ihn beispielsweise in die NHL oder in die NLA führt.

Wir setzen gemäss dem Potential des Spielers ein langfristiges Ziel. Danach planen wir aber von Saison zu Saison. Denn die Situation kann sich jederzeit verändern, zum Beispiel durch Verletzungen, aber auch, dass der Spieler plötzlich «den Knopf auftut» oder unerwartet stagniert, so dass wir uns fragen müssen, was das Beste ist. Ob der Spieler noch am richtigen Ort ist, oder ob sich ein Wechsel zu einem besseren oder auch zu einem weniger guten Verein aufdrängt. Dabei gilt es, das langfristige Ziel einerseits nicht aus den Augen zu verlieren, aber dieses nötigenfalls auch anzupassen.

Wie sind Sie eigentlich Agent geworden?

Ich wollte nach meiner Spielerkarriere unbedingt im Sport bleiben und viele Optionen gab es nicht. Ich habe in meiner wechselvollen Zeit als Spieler viel erlebt und manchen Rückschlag hinnehmen müssen. Ich kann mich deshalb gut in andere Spieler hinein versetzen. Dies schien mir eine recht gute Ausgangslage zu sein, um Spieleragent zu werden.

Hilft es Ihnen bei Ihrer Tätigkeit als Agent, dass Sie selbst kein grosser Spieler waren?

Ja, das hilft mir. Denn ich habe vieles erlebt, das ein grosser Spieler nicht erlebt. Ich kenne auch nur sehr wenige gute Trainer, die zuvor grosse Spieler waren. Arno Del Curto zum Beispiel, oder viele hervorragende NHL Trainer, - sie alle waren keine grossen Spieler. Ein grosser Spieler muss sich nie damit befassen, ob er am nächsten Tag spielen wird, ob er in der nächsten Saison einen Job hat. Ein grosser Spieler kann sich seinen Arbeitgeber selbst aussuchen und muss nicht nehmen, was ihm angeboten wird. Ein grosser Spieler kann sich deshalb als Trainer oder als Agent kaum in seine Kunden hinein versetzen. Er weiss nicht, wie sich ihre Sorgen und Nöte anfühlen.

Sind Sie eigentlich auch der Finanzberater Ihrer Spieler?

Nein, obwohl ich eine abgeschlossene Banklehre vorzuweisen habe, schliesse ich Finanzen, Altersvorsorge und Steuern kategorisch aus. Ich kümmere mich nur um den Sport. Aber ich kenne Leute, die Profis sind auf diesen Gebieten, und die ich empfehlen kann. Es sind Familienunternehmen, die ich seit Jahren kenne, absolut integer sind und deren Philosophie mit meiner übereinstimmen. Da weiss ich meine Spieler in guten Händen.

Sie füllen also keine Steuererklärungen aus, und Sie gehen mit Ihren Kunden auch keine Pfannen kaufen, wie dies bei andern Agenten durchaus schon vorgekommen ist.

Nein, ich will, dass meine Kunden selbständig sind. Sie sollen alleine in der Lage sein, einen Handyvertrag abzuschliessen oder ihr tägliches Leben zu meistern. Irgendwann ist ihre Karriere zu Ende. Wer soll dann diese alltäglichen Dinge für sie erledigen?

Man macht sowohl in der Wirtschaft als auch im Sport zuweilen die Erfahrung, dass einer, der zu hoch hinaus will, und der sich plötzlich in einer Situation befindet, wo er überfordert ist, dann tief fällt. Ist es denn unter diesem Gesichtspunkt richtig, immer das Maximum, das höchste Ziel, beispielsweise eine NHL-Karriere anzustreben? Ist es nicht besser, sich mit einer Karriere bei uns zufriedenzugeben.

Ja, das ist richtig und auch nötig. Wer nicht das höchstmögliche Ziel anstrebt, schafft es nie. Wer etwas unbedingt will, muss bereit sein, hart daran arbeiten. Natürlich kann es trotzdem sein, dass man es nicht schafft.

Dann ist es sinnvoll, einen Plan B zu haben.

Nein. Wer eine NHL-Karriere machen möchte, aber schon denkt, im Notfall reicht es ja dann auch für eine schöne NLA-Karriere, wird kaum je in der NHL spielen. Es geht darum, alles zu tun, um ein Ziel zu erreichen. Ich habe deshalb nie einen Plan B. Wer einen Plan B hat, kann davon ausgehen, dass dieser, und nicht Plan A, Realität wird. Wenn Plan A nicht funktioniert, dann setze ich mich hin, ziehe meine Lehren und und mache einen neuen Plan A.

Wenn wir eine Spielerkarriere verfolgen und fördern, wenn wir also auf die Karriere eines einzelnen Spielers achten, und alles berücksichtigen, - wie viel Mannschaftssportler und wie viel Einzelsportler ist an einem Eishockeyspieler? Ist der gnadenlose Konkurrenzkampf unter den Spielern nicht ein unauflösbarer Widerspruch zur Forderung, mannschaftsdienlich zu spielen und zum kultivierten Teamgedanken?

Das ist eine gute Frage. Ein Spieler muss beides sein. Einzelsportler und Mannschaftssportler. Dies ist nicht einfach. Es ist ja schwer vorstellbar, dass sich der Ersatzgoalie, der gerne spielen möchte, über die tolle Leistung der Nummer 1 aufrichtig freut. Er will ja selber spielen können, und die guten Leistungen seines Kollegen rücken die Erfüllung dieses Wunsches in die Ferne. Jeder Spieler muss danach streben, seine bestmögliche Leistung abzurufen. Die Summe der Einzelleistungen ergibt die Gesamtleistung des Teams. Ein Spieler muss deshalb an sich und seine Leistung denken und dabei fürs Team arbeiten. Diese Balance zwischen Egoismus und Gemeinwohl zu finden, ist schwierig und eine Charakterprobe. Gerade deshalb ist der Mannschaftssport eine so gute Lebensschule. Im richtigen Leben geht es im Grunde ja auch darum, Egoismus und Verantwortung fürs Gemeinwohl in Einklang zu bringen.

Das ist André Rufener

Geb. 28.05.1971. – 184 cm/82 kg. – Karriere als Spieler (Stürmer): Zwischen 1989 und 2006 488 NLA-Spiele (79 Tore, 101 Assists) in der Qualifikation und 99 Partien (22 Tore, 13 Assists) in den Playoffs für Kloten, Biel, Davos, Rapperswil-Jona, GC, Herisau, Zug und Thurgau – 112 NLB-Spiele (42 Tore, 79 Assists) in der Qualifikation und 17 Partien (6 Tore, 16 Assists) in den Playoffs. – Meister mit Kloten (1993). – U 20-WM 1991. – Heute einer von drei Schweizer Agenten mit NHL-Agentenlizenz. Die zwei anderen sind Georges Müller und Christoph Graf. Seine wichtigsten Klienten: Reto Berra, Nino Niederreiter, Sven Bärtschi, Luca Sbisa, Mirco Müller und Dean Kukan (alle in der NHL). In der Schweiz unter anderem Tim Ramholt, Timo Helbling, Dominik Schlumpf, Yannick Rathgeb, Dario Truttmann, Niklas Schlegel, Romano Lemm, Sébastien Schilt, Dario Meyer und Philippe Seydoux. Von den Trainern vertritt er Heinz Ehlers.

André Rufener lebt mit seiner Partnerin und zwei seiner drei Kinder im luzernischen Pfaffnau.

Der Beruf des Spieleragenten

Spieleragenten sind im Fussball und im Eishockey tätig. Sie vertreten die Interessen der Spieler gegenüber den Klubs und kümmern sich um die Karriere-Planung eines Spielers. Die Agenten-Tätigkeit in der Schweiz unterliegt lediglich der Kantonalen Gesetzgebung über die Vermittlung von Arbeitskräften und die Spieleragenten benötigen dazu eine entsprechende Bewilligung. Eine Agenten-Lizenz ist darüber hinaus für die Tätigkeit in der Schweiz nicht notwendig. Wer jedoch direkt mit den NHL-Managern verhandeln und Verträge ausarbeiten will, muss zwingend eine NHL-Agentenlizenz besitzen. Um eine NHL-Agentenlizenz zu bekommen, muss ein Agent eine Prüfung ablegen und einen einwandfreien Leumund und geordnete finanzielle Verhältnisse dokumentieren können. In Nordamerika dürfen Agenten nur Spieler vertreten, in der Schweiz arbeiten sie für Spieler und Trainer, was zu Machtballungen und Interessenkonflikten führen kann. Daniel Giger ist ein Spezialist für Machtkartelle. Er vertritt neben vielen Spielern auch Nationaltrainer Patrick Fischer, U 20-Nationaltrainer Christian Wohlwend und unter anderem die Trainer Doug Shedden (Lugano), Hans Kossmann (Ambri), Harold Kreis (Zug) Gerd Zehnhäusern (Fribourg) und Sean Simpson (Mannheim). Es gibt nur drei Schweizer Agenten mit einer NHL-Lizenz: André Rufener, Georges Müller und Christoph Graf. Es gibt jedoch zahlreiche Spieleragenten, die hauptsächlich in der Schweiz tätig sind. Die bekanntesten: Daniel Giger, Rolf Simmen, Gaëtan Voisard, Heinz Schneider, Hnat Domenichelli, Enrico Triulzi und Jaro Tuma. Letzterer lebt derzeit in Langenthal. Die Zusammenarbeit zwischen dem Spieler und seinem Agenten wird in der Regel mit einem Vertrag geregelt. Der Agent bezieht als Entschädigung vier oder fünf Prozent der Lohnsumme des Spielers. Diese Provision bezahlt in der NHL der Spieler und die Liga stellt sicher, dass diese Zahlungen pünktlich erfolgen. Bis und mit letzter Saison bezahlten in der Schweiz in der Regel die Klubs diese Provision. Seit dieser Saison sind es ebenfalls die Spieler. /kz

 

aus «s'Positive», Ausgabe September 2016