Die grosse Herausforderung für Sportchef Pascal Müller:
Die Torhüter-Frage in Langnau
Es ist erfreulich und ernüchternd zugleich – die SCL Tigers stellen den aktuell besten Torhüter der Liga. Aber dessen Abgang auf nächste Saison steht schon fest. Der verbleibende Schlussmann ist momentan lediglich die Nr. 33. Bleibt das so, brauchen die Emmentaler eine neue Nr. 1.
Die Statistiken sind so eindeutig, dass selbst ich, der ich normalerweise nicht so Fan bin davon, keine andere Wahl habe, als sie zur Kenntnis zu nehmen. Da ist einerseits Stéphane Charlin, die Nr. 1 der Liga. Er bestritt 15 Spiele für die Langnauer, welche mit ihm 28 Punkte gewannen. Er brilliert mit einer Fangquote von 95,36 Prozent und kassiert im Schnitt lediglich 1,59 Gegentore. Einfach nur sensationell!
Charlin wechselte auf die letzte Saison hin ins Emmental, ihm wurde Trainingsfaulheit nachgesagt. Die Experten waren sich einig: ein Transfer, der nicht über jeden Zweifel erhaben ist. Die eindeutige Nr. 1 in Langnau war deshalb Luca Boltshauser. Mit ihm konnte man auch lange Zeit zufrieden sein. Er spielte eine gute letzte Saison.
Immer mehr zeichnete sich allerdings ab, dass der Transfer von Charlin eben keine Fehleinschätzung war. Während der immer stärker werdende Charlin zusammen mit Boltshauser den Tigern ein gutes Rückhalts-Duo bildeten, scheint Boltshauser in dieser Saison ein mentales Problem bekommen zu haben, dass er von seiner ehemaligen Nr. 2 längst überholt und als Nr. 1 abgelöst worden ist.
Kommen wir also zu Luca Boltshauser. Er ist gegenwärtig die Nr. 33 der Liga. Seine in dieser Saison eher bescheidene Fangquote liegt bei 87,5 Prozent. Mit ihm haben die SCL Tigers in den neun (9) Partien, die er bestritten hat, acht (8) Mal verloren und dabei vier (4) Punkte geholt.
Mit Charlin im Tor holten die Tiger im Schnitt 1,87 Punkte. Bliebe dies bis Ende Saison so, wären nicht nur die Playoffs, sondern in diesen möglicherweise sogar auch der Heimvorteil gesichert. In den Partien, in denen Boltshauser spielte, ergatterten die Langnauer gerade mal 0,44 Punkte pro Spiel. Bliebe dies bis Ende Saison so und würde immer Boltshauser spielen, wäre der Abstieg garantiert. Gerade eben hat Boltshauser in Kloten einen nicht unhaltbar scheinenden Gegentreffer zum 2:3 kassiert, welcher den Gastgebern den Sieg und drei Zähler auf ihr Konto einbrachten, die Tiger jedoch leer ausgehen liess.
Doch wir wollen die Suppe nicht heisser essen, als sie gekocht wurde. Boltshauser hat in Kloten eine gute Partie gezeigt und auch ein paar Big Saves gezeigt. Er hielt seine Mannschaft lange Zeit im Spiel und die Niederlage kam nicht allein wegen ihm, sondern auch wegen Abschlusspech (mehrere Stangenschüsse) zustande. Ausserdem hat Boltsi in Langnau vor allem in der letzten Saison gezeigt, dass er ein guter Torwart sein kann. Es scheint vor allem die mentale Verfassung zu sein, die ihm derzeit Schwierigkeiten bereitet.
Doch gerade diese mentale Verfassung zeigt auf, wie schwierig die Lage für die sportliche Führung in Langnau ist. Darauf, dass die Verfassung ihres Torwarts in der nächsten Saison besser sein wird, darf man nicht bauen. Derzeit ist Boltshauser nicht gut genug, und ob er in Zukunft so viel besser sein wird, wie er sein müsste, steht in den Sternen und erscheint derzeit nicht sehr wahrscheinlich.
Nach dem Abgang von Charlin muss also eine neue Nr. 1 her. Das wird nicht ganz einfach sein. Die Langnauer sind auf sechs gute ausländische Feldspieler angewiesen. Ein ausländischer Torhüter würde eine Lizenz kosten. Wenn also ein ausländischer Torwart, dann muss es einer vom Format eines Simon Hrubec (ZSC Lions) oder Harri Sätäri (EHC Biel) sein. Eine Mannschaft wie die SCL Tigers ist auf sehr gute Torhüter und sehr gute ausländische Feldspieler angewiesen. Nur so kann garantiert werden, dass trotz Einbau von jungen Spielern eine konkurrenzfähige Mannschaft auf dem Eis steht.
Was ist mit der aktuellen Meisterschaft?
Am vergangenen Freitag haben die SCL Tigers mit Stéphane Charlin im Tor einen ungefährdeten Sieg gegen den HC Ambri-Piotta eingefahren, gegen den man zuvor während viereinhalb Jahren keinen einzigen Heimsieg mehr eingefahren hat. Am Tag darauf vergeigt man mit Luca Boltshauser im Tor in Kloten einen durchaus möglichen und auch wichtigen Punktgewinn. Da stellt sich dann schon die Frage, ob unter diesen Umständen gesagt werden kann, dass alles, was möglich ist, für den Sieg getan wird, oder ob dies nun ein Spiel war, bei dem es vor allem um Luca Boltshauser ging. Falls letzteres der Fall war, stellt sich weiter die Frage, ob man ihm damit wirklich einen Gefallen getan hat. Er, Boltshauser, ist ja selbst Experte, was Torhüter-Leistungen betrifft. Er wird selbst wissen, dass er an der gestrigen Niederlage nicht ganz unschuldig ist.
Es stellt sich zudem die Frage, was es für ein Signal an die Mannschaft sendet, wenn entschieden wird, die Partie mit dem Torwart zu bestreiten, mit welchem man lediglich 11 Prozent aller Spiele gewonnen und lediglich 15 Prozent aller möglichen Punkte gewonnen hat, wenn doch ein Torhüter zur Verfügung stünde, mit welchem man in 15 Spielen 10 Mal gewonnen und dabei 28 Punkte geholt hat.
Die SCL Tigers haben in dieser Saison erst sechs Spiele mit allen sechs Ausländern bestreiten können. Dabei wurden einige Punkte liegen gelassen, die man mit Vollbestand hätte gewinnen können. Trotzdem ist bisher in Richtung erfolgreiche Saison noch gar nichts verloren. Aber es ist an der Zeit, nun rigoros die positiven Zeichen der Zeit zu nutzen, alles für die Mannschaft und deren Erfolg zu tun, und Einzelinteressen etwas aussen vor zu lassen.
In dieser wichtigen Partie in Kloten hätte – nach meiner laienhaften Ansicht – zwingend Stéphane Charlin spielen müssen!